© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/98 27. Februar 1998

 
 
Kolumne
Feinderklärung
von Hans-Helmuth Knütter

In den "Tagesthemen" vom 14. Februar hat ein leitender Verfassungsschützer des Landesamtes Baden-Württemberg im Zusammenhang mit der Rechtsextremismushysterie zwei ehemalige Generäle der Bundeswehr verdächtigt. Beide hatten ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit wahrgenommen – nicht mehr und nicht weniger. Ihre Meinung war allerdings dem Partei-Establishment gegenüber kritisch. Kennzeichend für die Situation in diesem unseren Land: Berechtigte und notwendige Kritik genügt, um als Verfassungsfeind denunziert zu werden – und zwar von einer Behörde, die sich "Verfassungsschutz" nennt, und vom Fernsehen, das unter Mißbrauch der Pressefreiheit Beihilfe zur Denunziation leistet.

Hintergrund dieses Verhaltens ist eine tiefe Unsicherheit des politischen und Medienestablishment. Das politische System steckt in einer Krise und verändert sich. Alte Werte und Strukturen verfallen und neue entstehen. Die Nutznießer des status quo aber betrachten jede Änderung als Pfründungsgefährdung und mißbrauchen Staatsapparat und Medien zur Postensicherung.

Die tiefere Ursache des Übels ist nicht der Verfassungsschutz. Ursache ist eine denunziatorische Mentalität. Ganz so neu ist das allerdings nicht. "Die Rachsucht, ausgemacht und frisiert wie das Gewissen trat auf und gab Proben ihres nie versagenden Gedächtnisses" – so beschrieb Bertolt Brecht den Übergang von der Weimarer Republik zum Dritten Reich.

Die heutige Denunziation enthält eine Feinderklärung gegen Patrioten, die prinzipiell ein positives Verhältnis zu Staat und Gesellschaft haben – wenngleich nicht zu diesem Partei- und Medien-Establishment, das sich aufführt, als gehöre ihm der Staat.

Was ist zu tun? Falsch wäre es, dem Mißstand in jener Dumpfheit, die das Klima in der BRD kennzeichnet, hinzunehmen. Die Grünen in Niedersachsen haben die Forderung nach ersatzloser Abschaffung der Verfassungsschutzämter erhoben. Naiv? Der unvermeidliche und notwendige Staatsschutz (eben nicht identisch mit dem Pfründenschutz fürs Establishment) könnte der Polizei übertragen werden. Der erhabene Gedanke, polizeiliche Exekutive und Verfassungsschutz voneinander zu trennen, ist voll danebengegangen. Daß der Verfassungsschutz zur Gesinnungskontrolle entartet, war nicht Sinn der Sache. Vor allem aber sind die Verfassungsschutzberichte einzustellen, die durch Mißbrauch mehr Schaden als Nutzen bringen. Zur Vergiftung des öffentlichen Klimas haben sie in unverantwortlicher Weise beigetragen.


 
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