© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    10/98 27. Februar 1998

 
 
Gleiche und "Gleichere"
von Peter Lattas

Schlamperei lohnt sich wieder. Jedenfalls wenn man eine etablierte Partei ist, FDP heißt, Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zur Gönnerin hat und großzügige Richter findet, die einem unter die Arme greifen, falls doch mal etwas schiefgeht. So geschehen vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster am 20. Februar 1998: In zwei Eilverfahren erging die Entscheidung, daß die Liberalen zehn Millionen Mark aus der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien vorläufig nicht zurückerstatten müssen, obwohl sie sie nicht rechtzeitig beantragt und daher nach den Buchstaben des Gesetzes streng genommen den Anspruch darauf verwirkt hatten. Aber so konventionell soll’s – "unter uns" – eben nicht mehr zugehen.

Damit wird das Verfassungsprinzip der Gleichbehandlung auf eine eklatante Weise verletzt. Denn nicht die mögliche Schlechterstellung der Liberalen gegenüber den Konkurrenten im Wahljahr 1998 steht zur Debatte, sondern ihre eindeutige Bevorzugung im Vergleich zum Beispiel mit den Republikanern, denen man in identischer Situation und in erheblich prekärerer finanzieller Lage keineswegs dasselbe weitherzige Verständnis entgegenzubringen bereit war. Daß es nur darum geht, die FDP bis zur Bundestagswahl zu schonen, gibt das Oberverwaltungsgericht indirekt sogar selbst zu: Die Entscheidung in der Hauptsache soll nämlich ausdrücklich erst nach der Bundestagswahl am 27. September fallen.

Der Republikaner-Vorsitzende Rolf Schlierer geißelte das Münsteraner Urteil denn auch mit scharfen Worten: Damit werde entgültig dokumentiert, daß einige wenige Parteien in dieser Republik Privilegien genießen.

Der Beschluß des OVG Münster, so Schlierer, schaffe faktisch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in der deutschen Parteienlandschaft. Gelten die Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaates also nur noch "je nachdem"? Das augenzwinkernde Entgegenkommen, das man nun auch von hoher Richterstelle aus den Mauscheleien der "Gleicheren" unter den Parteien anscheinend entgegenbringt, stimmt bedenklich. Die Wüste wächst.

Die Frage aber, wozu man die FDP denn eigentlich überhaupt noch braucht, ist offener denn je. Von allen "Profilen", über die die Führung der etablierten Liberalen so gerne schwadroniert, bleibt am Ende nur das eine: das Profil einer Partei, die am effektivsten versteht, sich den Staat zur Beute zu machen. Der maximierte Eigennutz ist freilich auch eine Form von wirtschafts- und finanzpolitischer Kompetenz. Vielleicht merkt sich’s ja doch der ein oder andere bis zur Bundestagswahl…


 
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