© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    11/98 06. März 1998

 
 
FDP: Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl bei Sächsischen Liberalen
Studenten wollen die FDP entern
von Markus Schleusener

Der heutige Abend widerlegt alle jene, die behaupten, der FDP reiche eine Telefonzelle, wenn sie eine Versammlung abhalten wolle". Mit diesen Worten eröffnete der Vorsitzende der Liberalen im sächsischen Reichenbach eine Aschermittwochs-Veranstaltung der FDP, zu der als Hauptredner Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl ins Vogtland geladen hatten. Unter den 300 Gästen waren nicht nur Parteimitglieder aus dem gesamten Bundesgebiet, sondern auch etliche sächsische Unternehmer und die lokale Prominenz wie der Bürgermeister und die Miß Sachsen. Big Band und Modenschau sorgten als "Vorprogramm" für Stimmung.

Mit Blick auf die Modenschau kalauerte Alexander von Stahl: "Sie werden Ärger mit der Bundespartei bekommen. Mit dem frauenpolitischen Programm der FDP läßt sich eine Modenschau nicht vereinbaren. Da müssen die Frauen ja arbeiten, während die Männer nur dasitzen und ihnen zusehen." Ein Lachen geht durch das Auditorium.

Dann wird es ernst: "Ich bin rechts. Ich trage das zwar nicht mit einer Fahne vor mir her, aber ich scheue den Begriff nicht!" Es folgt scharfe Kritik an der Europa-Politik der Bundesregierung. Der Euro berge weit mehr Risiken als Chancen. "Es bringt uns nichts, aber es wird uns was kosten. Wir werden die anderen Länder mit uns durchschleppen müssen." Der Mitgliederentscheid in der FDP zum Thema Euro habe durchaus noch eine Chance. Prompt finden sich Dutzende von FDP-Mitgliedern, die sich an der Aktion beteiligen. Darunter immerhin der ehemalige Bundesminister und jetzige Landesvorsitzende der sächsischen FDP, Rainer Ortleb. Beim Thema Innere Sicherheit läuft der ehemalige höchste Ankläger der Bundesrepublik zu Hochform auf: "80 Prozent der Prostitution befinden sich in ausländischer Hand. Ich finde, wir fassen diese Menschen zu lasch an. Wir müssen das Gewaltmonopol des Staates durchsetzen und nicht dem Pöbel der Straße überlassen!" Da gibt es stehende Ovationen.

Für die FDP, die in Universitätsstädten jetzt von "fortschrittlichen" Studenten überrannt zu werden droht, ist zumindest in der Provinz die doppelte Staatsbürgerschaft oder die Rechtschreibreform nicht gerade das beherrschende Thema. Vielmehr bestimmen Arbeitslosigkeit und Ausländerkriminalität die Diskussion.

In Berlin haben die Studenten, die die FDP kapern wollen, mittlerweile 2.687 Eintrittsformulare abgeliefert und hoffen, in wenigen Wochen "die bisherige Führung weggefegt zu haben". Im ganzen Bundesgebiet läuft die Eintrittswelle zur Unterwanderung der Liberalen, die ganz unterschiedlich auf die Initiative "Absolute Mehrheit" reagieren. So hofft der Berliner FDP-Chef Martin Matz offensichtlich, mit den Studenten seine knappe Mehrheit ausbauen zu können. Dagegen hat der rechte Parteiflügel, wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren war, einen Maßnahmenkatalog zur Abwehr jener Studenten ausgearbeitet, die die Partei nur als Plattform mißbrauchen wollten.


 
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