© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   12/98 13. März 1998

 
 
Wozu noch tapfer sein?
von Dieter Stein

Wenn etwas die Souveränität von Demokraten ausmacht, dann die Fähigkeit, eine andere Meinung auszuhalten und sie zuzulassen. In Deutschland ist es hingegen große Mode, nicht über Inhalte zu diskutieren, sondern darüber, wer überhaupt worüber diskutieren darf. Und da wird – insbesondere in den Medien – ausgeklammert, was das Zeug hält. Über den Euro, Einwanderung, Kriminalität, Parteienverdruß darf nur mit Einschränkung gesprochen werden.

Nun hat der pensionierte Bundeswehr-General Schultze-Rhonhof sich durch kritische Äußerungen mehrfach unbotmäßig an die Öffentlichkeit gewagt. Sein Buch "Warum noch tapfer sein?" ist ein ausgewogenes Buch mit differenzierten Darstellungen deutscher Militärgeschichte und -tradition. Es enthält auch klare Anmerkungen zum Umgang mit dem Soldatischen in der Öffentlichkeit. Schultze-Rhonhof hat sich deutlich gegen die Verunglimpfung des soldatischen Dienstes ("Soldaten sind Mörder"-Urteil) gewandt. Seine Stimme ist gefragt. Ein Interview in der JF erregte bis zu den "Tagesthemen" Aufmerksamkeit und wurde als unstatthaft angesehen.

Nun hat der Inspekteur des Heeres dem unbequemen General "untersagen" lassen, die Offiziersschule des Heeres zu betreten, um dort einen Vortrag zu halten. Auf Einladung der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik sollte Schultze-Rhonhof dort sprechen. Thema: "Wozu noch tapfer sein?" Die Begründung des Heeresinspekteurs ist verblüffend simpel: "Da es im Rahmen dieser Veranstaltung nicht auszuschließen ist, daß es in der Diskussion zu Äußerungen kommen kann, durch die die Offiziersschule des Heeres in kontroverse politische Auseinandersetzungen hineingezogen würde, hat sich der Inspekteur des Heeres im Einvernehmen mit der Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik entschlossen, die Gestellung der Räumlichkeiten an der Offiziersschule abzusagen." Auch Veranstaltungen in Braunschweig, Osterode und Hannover wurden abgesagt.

Staatsbürger in Uniform? Kritischer Geist? Diese Linie, die Volker Rühe verantwortet und durchexerziert, führt dazu, daß wir eine Armee bekommen werden, deren Offizieren ein politisch-korrekter Kadavergehorsam antrainiert wird. Wie verunsichert muß eine politische Führung sein, wenn man "kontroverse politische Auseinandersetzungen" scheut – man fürchtet wohl, in ihnen argumenativ zu unterliegen.

Die richtige Antwort wäre, den Offizieren mehr Mut zum selbständigen Denken zu machen, Diskussionen nicht aus dem Weg zu gehen. Damit könnte man wahre Stärke demonstrieren.


 
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