© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/98 20. März 1998

 
 
Kolumne
Brot und Spiele
von Hans-Helmuth Knütter

Brot und Spiele – die Bevölkerung muß unterhalten werden, sonst kommt sie auf dumme Gedanken und stellt den Herrschenden unbequeme Fragen. Am besten ist’s, wenn die Politik nicht ernsthaft daherkommt, sondern als ein Spektakel, bunt und lustig und eigentlich unpolitisch, denn es geht ja mehr um Unterhaltung als um die Lösung dringender Probleme. Paradox: Politik entpolitisiert, sonst guckt nämlich keiner hin.

Das hat sich wohl auch die Führung der PDS gedacht, als sie der staunenden Öffentlichkeit den leibhaftigen Ex-Admiral Elmar Schmähling als Bundestagskandidaten präsentierte. Er, der als Chef des MAD früher die Stasi zu bekämpfen hatte, kandidiert jetzt für die Partei, die zahlreichen Ex-MfS-Offizieren eine politische Heimat bietet. Da steht alles Kopf vor Staunen!

Die Sache wäre nicht der Erwähnung wert, wenn es sich um einen Einzelfall handelte. Aber diese Art von Karnevalisierung der Politik wird üblich. Schon 1994 präsentierte die PDS einen leibhaftigen Bismarck-Enkel, den Grafen Einsiedel, der bis heute im Bundestag eine wenig bemerkenswerte Rolle spielt. Die österreichische FPÖ landete einen Volltreffer, als sie einen linken Literaten und Bubis-Biographen, Peter Sichrovsky, als Europaabgeordneten präsentierten. Die Linken erregten sich derart, daß sie die Fassung verloren und gegen "Haiders Hofjuden" geiferten. Haider lachte sich ins Fäustchen. Die CDU präsentierte vor einem Jahr mehrmals Bürgerrechtler der DDR, bisher schwarzer Sympathien unverdächtig. Vera Lengsfeld, Erhard Neubert, Angelika Barbe beschäftigten jahrelang die Medien. Und als Wolf Biermann Anfang des Jahres die CSU lobhudelte, platzten einige Linke förmlich vor Wut.

Das Positive daran mag man in der Überwindung der deutschen Mentalität sehen, Politik als Weltanschauungskampf aufzufassen, als buchstäblich bluternste Angelegenheit. Negativ ist aber die Mediokratie in des Wortes doppelter Bedeutung. Der Einfluß der Medien, die nur auf Profit, Einschaltquoten, Sensation aus sind, wächst wie auch das Mittelmaß. Nicht was gesagt wird, ist wichtig, sondern nur der schöne Schein, der augenblickliche Klamauk. Und manche Politiker haben "mündige Bürger", die Politik als Spektakel betrachten, gar nicht mal so ungern. Denn wer sich an Brot und Spielen erfreut, stellt keine lästigen Fragen. Das erleichtert die Herrschaft. So ist es: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Die PDS und ihrem Schmähling sei Dank. Sie haben uns daran erinnert.


 
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