© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/98 24. April 1998

 
 
Lübecker Brandanschlag: Bekennerschreiben offensichtlich gefälscht
Durchsichtiges Manöver
von Thorsten Thaler

Das angebliche Bekennerschreiben zu dem Brandanschlag auf ein Asyslbewerberheim in der Lübecker Hafenstraße im Januar 1996, bei dem zehn Menschen starben und 38 zum Teil schwer verletzt wurden, hat sich als Fälschung erwiesen.

Das in der vergangenen Woche bei den Lübecker Nachrichten, der Jungen Welt und dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) eingegangene Schreiben ist unterzeichnet mit Heiko Patynowski. Dabei handelt es sich um den Namen eines Jugendlichen aus der mecklenburgischen Kleinstadt Grevesmühlen, der zusammen mit drei Freunden schon einmal in dem Verdacht stand, für den Brandanschlag in den frühen Morgenstunden des 18. Januar 1996 verantwortlich zu sein. Zur Zeit verbüßt der wegen Autodiebstahls im April 1997 verurteilte Heiko Patynowski (24) eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Bützow.

Das per Fax übermittelte "Bekennerschreiben" enthält neben einem Geständnis auch eine detaillierte Beschreibung des angeblichen Tathergangs. Außerdem behauptet der Verfasser, "die Idee zur Hafenstraße" sei aus Kreisen um den ehemaligen Vorsitzenden der im Februar 1995 vom Bundesinnenministerium verbotenen Nationalen Liste, Thomas Wulff, und dessen Stellvertreter Christian Worch gekommen. "Die wollten den Jahrestag der deutschen Reichsgründung feiern. Es soll der 125. gewesen sein. (…) Und sie müßten ein Zeichen setzen. Ein Denkmal für den Führer, das so schnell keiner vergißt", heißt es in dem gefälschten Schreiben.

Der für die Aufklärung des Falls zuständige Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Schultz meldete als erster Zweifel an der Echtheit des "Bekennerschreibens" an. In einem Zeitungsinterview erklärte er, daß der darin beschriebene Verlauf des Brandes nicht übereinstimme mit den gutachterlichen Stellungnahmen des Bundes- und des Landeskriminalamtes. Inzwischen hat auch der Rechtsanwalt von Heiko Patynowski bestätigt, daß der Brief nicht von seinem Mandanten stamme und die Unterschrift gefälscht sei. Außerdem sei in dem Schreiben ein falsches Autokennzeichen eines in der Nähe des Tatortes gesehenen Wagens wiedergegeben – ein Fehler, der schon in den Ermittlungsakten der Polizei auftaucht.

Bereits unmittelbar nach dem Brandanschlag wurde gegen die vier Jugendlichen aus Grevesmühlen, die sich am Tatort aufgehalten hatten und noch am gleichen Tag festgenommen wurden, schon einmal ermittelt. Nachdem sich jedoch keine Beweise für ihre Täterschaft finden ließen, wurden die Ermittlungen im August 1996 eingestellt. Statt dessen klagte die Staatsanwaltschaft Lübeck den libanesischen Heimbewohner Safwan Eid an. Von ihm wollte ein Rettungssanitäter in der Nacht des Brandes die Worte "Wir waren es" gehört haben. Nach einem Indizienprozeß, in dem es vor allem um den Ausbruchsort des Feuers ging, wurde Eid am 30. Juni 1997 freigesprochen.


 
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