© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/98  01. Mai 1998

 
 
Salzburger FPÖ: Nach Haiders Strafexpedition gibt es große Unruhe bei den Freiheitlichen
Abrechnung unter Kameraden
von Andreas Mölzer

Es gehört nicht viel politische Phantasie dazu, sich vorzustellen, daß die Auflösung einer gesamten FPÖ-Landesgruppe, wie in Salzburg geschehen, die Amtsenthebung von nahezu tausend Funktionären von den Gegnern Jörg Haiders als Beleg für dessen autoritären Stil gewertet würde. Und tatsächlich konnte man landauf, landab in den politischen Kommentaren vernehmen, nun wisse man endlich, wie Haider in der von ihm angestrebten "autoritären Präsidialrepublik" agieren werde, wenn Parlament oder Landtage nicht zu seiner Zufriedenheit arbeiten würden. Sie würden einfach aufgelöst, in die Wüste geschickt, entlassen. Der feine Unterschied, daß hier keineswegs von oben eine demokratisch gewählte Vertretung beseitigt wurde, um eigene Marionetten zu installieren, sondern daß man die Lähmung eines Teils des Parteiapparats eben durch umfassende Neuwahlen aller Gremien von der Basis an überwinden will, wird dabei geflissentlich ignoriert. Der Kraftakt der blauen Parteiführung läßt sich eben allzu leicht als Gewaltstreich hinstellen.

Warum also trotz dieser zu erwartenden katastrophalen Optik diese zweifellos mit Jörg Haider abgesprochene Vorgangsweise seiner engsten Mitarbeiter in Salzburg? Offenbar aus der Erkenntnis, daß monatelange Versuche zur De-eskalation der rein persönlichen Streitereien in Salzburg völlig fruchtlos waren.

Nicht die Auseinandersetzung, ob man harten Oppositionskurs gegen das politische Establishment fahren müßte, oder ob man doch gewissermaßen staatstragenden Konsens anstreben soll, war der Grund für die innerparteilichen Streitigkeiten, sondern schlicht persönliche Defizite der blauen Protagonisten: Feind, Todfeind, Parteifreund – dieses boshafte mot d’esprit ist gewiß nicht in Hinblick auf Haiders Freiheitliche erfunden worden, es scheint aber gegenwärtig besonders auf sie zu passen. Das, was sich da in Salzburg, nicht erst in den letzten Tagen, sondern seit Jahren abspielt, ist in der Tat bei keiner anderen österreichischen Partei gegenwärtig in dieser Form denkbar: Hier geht es nicht um einen Streit zwischen unterschiedlichen ideologischen Auffassungen. Hier geht es nicht um Differenzen in Hinblick auf politische Strategie oder Taktik. Auch nicht um Auffassungsunterschiede in Hinblick auf den politischen Stil. Es geht schlicht und einfach um das Aufeinanderprallen persönlicher Eitelkeiten und um tiefgreifende Animositäten zwischen Funktionären einer Partei, deren traditionelle Anrede einst "Kamerad" war.

Wenn die freiheitliche Bundesparteiführung dieses Konfliktknäuel in einer Landesgruppe, die bei den vergangenen Europawahlen immerhin die stärkste Partei im Lande stellte, gleichsam wie den mythischen Gordischen Knoten zerschlagen zu müssen glaubt, so gewiß nicht aus Jux und Tollerei. Die Exponenten der beiden Streitgruppen verbindet außer der Mitgliedschaft bei der gemeinsamen Partei ja auch wirklich nichts mehr. Und daran erweist sich der Fluch der Haiderschen Personalpolitik in den Jahren des raschen Anwachsens der FPÖ zur Mittelpartei: Wenn die Hauptkriterien für den Aufstieg in eine freiheitliche Spitzenfunktion die Begeisterung für den Parteichef und eigene Karrierewünsche waren, wenn allzu prononcierte weltanschauliche Ausrichtung oder gar ein exponiertes, politisch-ideologisches Engagement als belastend galten, darf man sich nicht wundern, daß eines Tages wenig an Gemeinsamkeit übrigbleibt. Irgendwann ist der Gipfelpunkt für den ellbogenstärksten Karrieristen erreicht; eines Tages erweisen sich manche Karrierehoffnungen als unerfüllbar. Und die Faszination des Frontmannes wird für den einen oder anderen auch schwächer. Was bleibt dann noch an Gemeinsamkeiten, wenn man ideologisch und inhaltlich nichts gemeinsam hat? Aufgesetzte Phrasen von politischer Erneuerung sind einfach zu wenig.

Nach diesem Strickmuster kam es in den vergangenen Monaten in diversen anderen Regionalorganisationen der FPÖ zu ähnlichen Auseinandersetzungen: Innsbruck, Kärnten und nun eben Salzburg. Überall rächt sich die inhaltliche Beliebigkeit der seinerzeitigen Auswahl des politischen Spitzenpersonals. Ob die Protagonisten der blauen Provinzpossen Federspiel, Grasser oder Schnell heißen, ist unerheblich. Die mit diesen Namen in jüngster Zeit in Zusammenhang gebrachten innerparteilichen Konflikte könnten aber ein Vorgeschmack sein auf jene Diadochenkämpfe, die zwangsläufig ausbrechen müssen, wenn Jörg Haider selbst die Führung der rasch angewachsenen plebiszitären Emanzipationsbewegung FPÖ abgeben wird. Ob dies nun der Abgang ins politische Altenteil, ins Bärental oder nach Harvard, oder auch die Entrückung in den politischen Olymp in Form eines Regierungsamtes wäre, in dem Augenblick, in dem Haider die Parteiführung aus der Hand gäbe, wären Kämpfe im Stil der Salzburger Farce wohl unvermeidbar. Und noch etwas hat Salzburg in diesem Zusammenhang gezeigt: Wo Karrieristen, Querulanten und Kleingeister mangels der Fähigkeit zu wirklicher politischer Sinnstiftung nur mehr den innerparteilichen bellum omnium contra omnes führen können, bleiben die nationalliberalen Tiefwurzler aus dem Traditionsbereich der FPÖ die einzigen für Freund und Feind berechenbaren Elemente. Eine gewisse Berechenbarkeit dieser aus der politischen Landschaft nicht mehr wegdenkbaren Partei ist aber für die Republik insgesamt wichtig.


 
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