© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/98 15. Mai 1998

 
 
Kolumne
Staatsräson
Von Lothar Höbelt

Das Wort Staatsräson kommt aus dem Französischen. Das stimmt zwar nicht, aber es muß dennoch so sein. Dafür spricht schon die Art und Weise wie Paris gerade bemüht ist, seinen Kandidaten in die Frankfurter Bank zu boxen, koste es was es wolle. (Und kosten würde oder wird es recht viel: Ein Bruchteil eines Prozent beim Zinsniveau macht da gleich Milliarden aus).

Ähnlich verhält es sich mit der Sprachpolitik: Selbstverständlich sind in der Europäischen Union (EU) alle Sprachen gleich; aber manche sind eben doch ein bißchen gleicher, oder besser: eine vor allem: Das mag am Lokalkolorit von Brüssel und Straßburg liegen, aber wohl nicht bloß daran.

Soviel Hartnäckigkeit muß man einfach bewundern. Aber ihr deshalb nicht nachgeben. Natürlich haben die Verteidiger der Frankophonie auch ein ideologisches Argument parat: Sie müssen so zäh sein, um der Globalisierung und Amerikanisie-
rung zu entgehen. Und im übrigen steht es den Deutschen ja frei, ebenfalls auf ihrer Sprache zu bestehen.

Frei steht es den Deutschen natürlich. Sogar mit einer gewissen Berechtigung. Mehr Europäer sprechen deutsch als Muttersprache als irgend eine andere Sprache. Soweit so gut. Dabei ist allen Beteiligten freilich klar, daß die Deutschen es nicht wirklich tun werden.

Beziehungsweise daß es höchst unwirtschaftlich wäre, wenn wirklich jeder auf seiner Muttersprache beharren würde. Auf deutsch insistieren – und deutsches insistieren wäre doch in jedem Fall ein müder Abklatsch gegenüber französischem Insistieren – hieße in der Praxis daher die Hinnahme der Dominanz des Französischen. Die realistische Alternative dazu ist allein das Englische. Konservative zumal beginnen da Grimassen zu schneiden und von McDonalds und Hollywood alpzuträumen. Mag sein. Doch Gemütsmenschen sollen keine Politik treiben, hat ein Kenner einmal gesagt.

Fragen wir uns statt dessen einmal nüchtern, welche Fremdsprache deutsche Akademiker in Wort und Schrift leidlich beherrschen – nicht zuletzt
weil sie der unseren nahe verwandt ist – und welche nicht.

Da scheint mir dann recht klar, welche Variante im nationalen Interesse liegt, sprich: im Interesse der Deutschen, wie wir sie nun einmal vorfinden – und ein anderes Volk finden wir so schnell nicht, so sehr daß das die Regierenden am Wahlabend manchmal bedauern möchten.


 
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