© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/98 22. Mai 1998

 
 
Kommunikation: Telephonieren von überall, ob am Nordpol, im Atlantik oder im Dschungel
Der Himmel hängt voller Satelliten
von Andreas Hühn

Kaum hat man sich an das Handy mit Telly D1, Mannesmann D2 und E-Plus gewöhnt, kommt schon der nächste Innovationsschub und man steht wieder ganz alt da. Der neuste Schrei auf dem Handy-Markt ist das Satelliten-Handy.

Angetrieben von der Vision eines weltumspannenden Kommunikationsnetzes per Satelliten, investieren die Amerikaner zur Zeit Milliarden über Milliarden von Dollar. US-Raumfahrtriesen, Softwarehäuser, Elektronikfirmen und internationale Telephongiganten finden sich zu Konsortien unter Führung der Amerikaner zusammen. Die Szenarien von übermorgen sind geprägt von Tausenden von Erdtrabanten, transportieren sie Telefongespräche und Daten von den entlegensten Gegenden an jeden beliebigen Platz der Erde.

Es gibt keine Funklöcher mehr und keine Staus auf den Internet-Autobahnen. Viedeokonferenzen werden zur Alltäglichkeit; die Bilder sind gestochen scharf und der Ton kommt glasklar wie von einer CD.

Raum und Zeit verlieren ihre Bedeutung. Kontinente wachsen zu globalen Satellitenstrukturen zusammen und werden laut Aktionsplan der Europäischen Kommision "zu einem kritischen Bestandteil des Weltwirtschaftssystems". Nach den Prognosen der EU bringen Bau, Start und Betrieb von Satelliten samt Endgeräte und Betreiberdiensten im kommenden Jahrzehnt weltweite Erträge von über 400 Milliarden Dollar.

Den Startschuß für ein neues, weltumspannendes Telefon-Zeitalter will das Internationale Iridium-Konsortium unter der Führung des US-Konzerns Motorola geben. Erstmals vergab die Internationale Fernmeldeunion (ITU) eine Vorwahl für ein Land das es so nicht gibt: "Iridium" , benannt nach dem 66. Element des Periodensystems. Bis September sollen alle 66 künstlichen Himmelskörper in einer Höhe von 780 Kilometer in der erdnahen Umlaufbahn positioniert sein. Durch die kurze Wegstrecke wird ein unterbrechungsfreies Gespräch erst möglich. Ein derart dichtes Geflecht kann nur über eine höchst komplexe Software gesteuert werden, die eine lückenlose Abdeckung gewährleistet und die Daten solange untereinander weiterreicht, bis sie die richtige Telefonnummer gefunden haben.

Die Investitionen von 4,8 Milliarden Dollar sollen auch wieder eingespielt werden. Angesprochen werden international tätige Geschäftsleute, die Erdölplattformen auf den Weltmeeren, Holzfirmen in den Dschungeln und Leute, die zum Nordpol reisen. Zu der Klientel gehören auch Journalisten wie zum Beispiel CNN-Kriegs- und Krisenreporter, die auch bereit sind ein nur 400 Gramm schweres Satellitentelephon für etwa 3000 Dollar zu kaufen und für die Gesprächsminute drei Dollar zu bezahlen. Bleibt nur die Frage ob "Iridium" genügend Kunden findet, die sich in so weit entlegenen Weltgebieten mit Handy unterhalten wollen.

Die Kommunikationsmanagerin von Iridium Communication Germany GmbH, Sabine Hage, schätzt das Potential möglicher Kunden auf 42 Millionen weltweit ein. Der Kunde wird – egal wo er sich befindet – immer durch die gleiche Vorwahlnummer 008816 rund um den Erdball erreichbar sein. Konkurrenzprodukte wie Globalstar, dem die Daimler-Benz-Tochter Aerospace angehört, wollen ebenfalls Satelliten ins All schießen. Im November soll das Projekt stehen, und Globalstar stellt schon jetzt billigere Tarife in Aussicht.

Doch welches Konzept sich auch immer durchsetzt: Schmalbandige Telephonnetze wie Iridium oder Globalstar sind nur die Vorboten der intergalaktischen Revolution im Orbit. Den absoluten Durchbruch wird erst die übernächste – die breitbandige – Satellitengeneration schaffen. Ihre gigantische Strahlkraft soll jeden Punkt der Erde mit dem Rest der Welt verbinden und das mit einer Kapazität eines Glasfaserkabels. Die Betreiber der Breitbandnetze wollen den gesamten Datentransfer der heute über Kabel läuft, über den Weltraum abwickeln. "Wir installieren ein drahtloses Internet im Himmel", jubelt Teledisc-Präsident Russell Daggatt, dessen Projekt wohl zu den gewagtesten und gleichzeitig gigantischsten gehört. Bis zum Jahr 2002 will Daggatt 288 Satelliten im Orbit miteinander verknüpfen und dafür neun Milliarden Dollar investieren.

Ersonnen hat den Teledisc-Plan der Amerikaner Craig McCaw, der in der letzten Zeit ein Milliardenvermögen in der Kommunikationsbranche gemacht hat. Mc Caw hat es geschafft, Microsoft-Chef Bill Gates als Förderer zu gewinnen und den Raumfahrtkonzern Boeing als Investor und Lieferanten der Satelliten ins Projekt zu holen.

Doch langsam wird es eng im All. Zeitgleich mit Teledisc wollen mehr als ein Dutzend anderer Konsortien breitbandige Multimediasatelliten in den Weltraum katapultieren. Nach einer Schätzung des britischen Ovum-Instituts werden sich bis zum Jahr 2002 weltweit höchstens acht Millionen Kunden ein Satelliten-Handy zulegen. Eine Minderheit, gemessen an den prognostizierten 300 Millionen Mobilfunk-Kunden.

Da macht es schon fast gar nichts, daß sich die deutschen Unternehmen eher zurückhaltend zeigen. In Deutschland gibt es ein deutsch-russisches Gemeinschaftsunternehmen Satcon GmbH. Die Brandenburger Minifirma will von ehemaligen sowjetischen Startrampen 72 Satelliten in den Orbit schießen, ist jedoch noch ohne Investor.

Ansonsten beteiligen sich deutsche Firmen nur mit kleinen Anteilen an großen amerikanischen Konsortien. Die deutsche Telekom bei Astra-Net, T-Mobil bei ICO, Vebacom bei Iridium und die DASA bei Globalstar. Völlig ohne jedes Interesse zeigt sich Siemens, immerhin größter Anbieter der Welt von Telekommunikationstechnik. "Wir wollen nicht zu unseren Kunden in Konkurrenz treten", begründet Peter Pribilla, Vorstand des Unternehmensbereichs Öffentliche Kommunikationsnetze, die Siemens-Strategie. Klaus Enßlin von der deutschen DASA räumt ein "daß die DASA ein komplettes kommerzielles System gar nicht anbieten könnte, weil wir allein nicht mehr wettbewerbsfähig sind." Deshalb wird die DASA mit der französisch-britischenFirma Matra Marconi Space zusammengehen.

So überläßt die deutsche Industrie wieder einmal den Markt den Amerikanern und begnügt sich damit, mit ein paar Prozenten an dem Geschäft beteiligt zu sein.


 
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