© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/98 29. Mai 1998

 
 
Neue Medienwelt
von Michael Oelmann

Auf Brüsseler Parkett – so ist das nun einmal heute – wird über Deutschlands neue Medienwelt, das Digitalfernsehen, entschieden. Wie mächtig würde "Bertelskirch", der Zusammenschluß von Medienmogul Leo Kirch und dem Bertelsmann-Megakonzern, werden? Diese Frage hat sich die EU-Kommission zu Recht gestellt. Denn die Information und der Zugang zu ihr ist eben kein freies Wirtschaftsgut, dessen sich einige wenige aus Politik, Staat oder Wirtschaft nach Belieben bemächtigen dürfen.

Das Ringen um den Zusammengang (ein "intensives Lobbyieren", so die Sprecherin des EU-Kommissionschefs Santer) hat durchaus Tragweite. Es geht nicht nur um die allgemein zugängliche Übertragung der Fußball-WM und ähnlichen Sportveranstaltungen, was vor kurzem die Gemüter erregt hatte und die Politiker zu populistischem Einsatz trieb. Soll sich Fußball oder Hollywood-Schrott doch für viel Geld ansehen, wer will. Vielmehr bedeuten die Pläne von Bertelsmann und Kirch die milliardenschwere Inbesitznahme eines ganzen medialen Evolutionsschrittes, das vom versendeten Produkt bis zur technologischen Ausstattung reicht – weit über das reine "Fernsehen" hinaus.

Der enorme Aufwand für die Bereitstellung dieses Mediums war auch der Grund für den Zusammengang. Kirch, dessen Pay-Sender "DF 1" (knapp 200.000 Abonennten) nicht in die Gänge kommt, hat die Filme, Bertelsmann mit "Premiere" (1,6 Millionen Abonnenten) die Kunden. Und gemeinsam mit der Telekom soll der technische Zugang, die Decoder, gewährleistet werden. Für den Mediengiganten Bertelsmann freilich ist das sogenannte Pay-TV eigentlich nur Peanuts, ein "attraktives Ergänzungsgeschäft", so Vorstandschef Mark Wössner. Das Geschäft mit dem hauseigenen Sender Premiere macht etwa zwei Prozent des Konzernumsatzes aus. Aber für Leo Kirch und dessen schon sprichwörtliches Pokergebaren droht, so der Spiegel, ein "Scherbenhaufen" und Gefahr für seine fast 1.000 Arbeitsplätze. Denn Kirch hat sich mit abermillionen Dollars auf Dauer und in Aussicht der digitalen Nutzungsmöglichkeiten in die Hollywood-Filmproduktion eingekauft.

Doch die wirtschaftliche Frage ist nicht die wesentliche, die von Kirch erst recht nicht. Aber auch wenn das Pay-TV ohnedies außer deutschem Fußball nur ausländisches (amerikanisches) Programm zu bieten hat, ist der Bertelsmann-Kirch-Coup doch immerhin ein deutsches Projekt. Darum auch die massive Unterstützung deutscher Politker von Stoiber bis Clement. Denn die lachenden Dritten könnten bald Bill Gates und Rupert Murdoch heißen, beide schon jetzt "global player" mit der Potenz, auch den deutschen Markt zu fressen.


 
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