© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/98 29. Mai 1998

 
 
Integration: Bürgermeister wehrt sich gegen islamisches Kulturzentrum
Trügerische Idylle in Oberursel
von Werner Olles

>Seit einigen Wochen gärt es im idyllischen Vordertaunusstädtchen Oberursel in der Nähe von Frankfurt am Main. Der "Verband islamischer Kulturzentren" (VIKZ) hatte den Antrag gestellt, im Oberurseler Gewerbegebiet "Drei Hasen" ein Gebäude mit einer Nutzfläche von rund 700 Quadratmetern für religiöse und kulturelle Zwecke nutzen zu wollen.

Die Oberurseler Stadtverwaltung, an ihrer Spitze Bürgermeister Gerd Krämer (CDU), hat den Antrag wegen der geringen Anzahl der Parkplätze und baurechtlichen Vorgaben, die eine derartige Nutzung hier nur in Ausnahmefällen zulassen – wenn nämlich damit ein "Ortsinteresse" befriedigt werde – zunächst abgelehnt, da ein solches Interesse nicht zu sehen sei.

Die Ablehnung der Nutzungsänderung sorgte allerdings weniger wegen ihrer baurechtlichen Bedenken als aufgrund der politischen Bedenken des Bürgermeisters für Aufsehen. Krämer lehnt nämlich das Kulturzentrum und die Moschee vor allem deswegen ab, weil diese über Oberursel hinaus Anziehungskraft ausüben würden, womit für die Stadt unkalkulierbare Risiken verbunden wären. Sozialdemokraten und Grüne warfen ihm daraufhin "rassistische Ressentiments" vor.

Krämer, offensichtlich kein großer Freund politischer Korrektheit, entgegnete den Vorwürfen mit der pointierten Aussage: "Solange in Mekka keine christliche Kirche gebaut wird, wird es in Oberursel keine Moschee geben!" Obwohl die Diskussion danach an Heftigkeit zunahm, zog der Bürgermeister diese Aussage nicht zurück, sondern präzisierte sie: Es gebe gute Gründe, manchem, was sich unter dem Namen Islam versammele, kritisch gegenüberzustehen. Zudem übten solche Einrichtungen eine Sogwirkung auf hier lebende Türken aus, und sorgten so dafür, daß die "Fremdheit auf beiden Seiten bleibt".

Auf dem Unterbezirksparteitag der SPD im Hochtaunus wurde indessen scharf gegen Gerd Krämer geschossen. Einstimmig nahmen die Delegierten einen Antrag der Jusos an, in dem es heißt, der Oberurseler Bürgermeister "kultiviere mit seinen Äußerungen und durch sein Auftreten Fremdenhaß". Krämer habe sich "erschreckend nah den dumpf-rassistischen Slogans rechtsextremistischer Kreise genähert". Eine Zusammenarbeit mit ihm sei für die SPD "unmöglich" geworden. Und als Sahnehäubchen: "Zur Vermeidung weiterer Rufschädigung muß der jetzt geoutete nationalistische Chauvinist umgehend zurücktreten!"

Zwar enthielt der 15 Zeilen umfassende Juso-Antrag nicht weniger als sechs orthographische Fehler, es reichte jedoch, um eine Hexenjagd auf den Bürgermeister zu eröffnen, zu der inzwischen vor allem Jusos, Evangelische Kirche und die islamischen Verbände selbst die Posaunen blasen. Bei einer Podiumsdiskussion in der Stadthalle von Oberursel, zu der fast 250 interessierte Bürger kamen, die hauptsächlich Fragen an die islamischen Vertreter hatten, schlugen die Wogen ziemlich hoch. Gerd Krämer hatte seine Teilnahme mit der Begründung, die Runde sei nicht neutral besetzt, und er stehe für ein "Tribunal" nicht zur Verfügung, abgelehnt. Ursprünglich sollte der bekannte Islam-Experte Rolf Stolz an der Podiumsdiskussion teilnehmen, doch nach der Drohung der islamischen Vertreter, wieder abzureisen, knickten die Veranstalter ein und luden Stolz kurzerhand aus. Dieser unterstützte jedoch aus dem Publikum die vorgetragenen Bedenken von Bürgern Oberursels, als ersichtlich wurde, daß von den Teilnehmern der Diskussionsrunde, insbesondere von Barbara Huber-Rudolf von der "Christlich-islamischen Begegnung" und Jürgen Miksch, Vorsitzender des Interkulturellen Rates der EKD, die Sorgen der Oberurseler Bevölkerung nicht ernst genommen wurden.

Stolz deckte schließlich auf, daß der VIKZ nach Untersuchungen des Hamburger Orient-Institutes als fundamentalistisch einzustufen sei; er stehe der Süleymanci-Bewegung nahe, die eine fundamentalistische Religionsauslegung vertrete. Außerdem sei der Verband in der Türkei selbst verboten. Zwar wies dies der VIKZ-Generalsekretär zurück, doch konnte auch er die Bedenken der Bürger nicht ausräumen. "Multikulturelles Zusammenleben funktioniert nirgendwo, warum also gerade in Oberursel?" fragte einer der Zuhörer die immer ärgerlicher werdenden Podiumsteilnehmer und brachte damit den Unmut der Mehrzahl der Anwesenden auf den Punkt. Ihnen wurde zum Schluß erklärt, die Deutschen müßten endlich lernen, mit Muslimen zu leben.

Bürgermeister Krämer hat jedenfalls für seine mutige Haltung in der Oberurseler Bevölkerung viel Lob erfahren. Die Mehrheit der Bürger stärkt ihrem Stadtoberhaupt in dieser Frage den Rücken.
 
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