© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/98 05. Juni 1998

 
 
Aufwertung der Mütter
von Ellen Kositza

Die sächsische CDU erwägt die Einführung eines einkommensunabhängigen "Erziehungsgehaltes" bis zum Schulalter des Kindes; parallel dazu entwickelte eine Bonner Forschungsgruppe ein noch weiter gehendes Modell, welches 2.000 DM monatlich für die Erziehung des ersten und 1.000 DM für die jedes weiteren Kindes vorsieht. Zwar mag die Vorstellung, allein durch finanziellen Anreiz dem Geburtenrückgang entgegenzuwirken, beschämend sein: Im Normalfall ist es schließlich nicht die existenzbedrohende Geldknappheit, sondern vielmehr das Beharren auf nicht selten üppigem Lebensstandard, der die deutsche "anderthalb-Kinder-Familie" nicht anwachsen läßt. Dennoch: Die Forderung nach einer Honorierung der Erziehungstätigkeit weist in eine andere Richtung als die gewohnten familienpolitischen Vorschläge, deren zentrales Begehren zu sein pflegt, die Rückkehrmöglichkeiten der Mutter in das Arbeitsleben zu optimieren. Der unter den Eltern aufteilbare Erziehungsurlaub, der Ausbau von Kinderkrippenplätzen und "Krabbelgruppen" – der Tenor ist stets der gleiche: Das durch eine "Nur"-Hausfrauentätigkeit und Mutterdasein wegfallende Gehalt schmerzt; und überhaupt: An Kochtopf, Bügelbrett, Wickeltisch versauern möchte kaum eine Frau. So will es vor allem ein pseudoemanzipatorischer Zeitgeist, der gesellschaftlichen Druck auf Mütter auszuüben vermag. Wann wurde der Gemeinplatz vom "Heimchen hinter dem Herd" je hinterfragt? Die negative Konnotation, die solche Wortwahl beinhaltet, weist die Frau "zwischen Küche und Kind" als gleichsam unmündiges Wesen, als im Wortsinne "nichtssagende" Stütze ihres Mannes ohne eigene Kompetenzen aus. Gemäß dieser Sichtweise gelangt jegliche Berufstätigkeit, sei es die der Kauffrau im Großraumbüro oder der Akkordarbeiterin, zu mehr öffentlichem Ansehen als die Berufung zur Mutter – die gesellschaftliche Relevanz der Mütter als Erzieherinnen der kommenden Generation wird verschwiegen. Diesem enormen Potential, das der Mutter einen weit selbstbestimmteren Wirkungskreis überließe, als es etwa beruflich innerhalb eines Angestelltenverhältnisses möglich ist, kommt die Idee eines Erziehungsgehaltes entgegen. Die Möglichkeit, Kinder nach selbstgewählten Grundsätzen großzuziehen, anstatt diese Aufgabe gerade in den ersten Lebensjahren einem Hort zu überlassen, verbannt die Frau nicht aus dem öffentlichen Leben, im Gegenteil: Die gesellschaftliche Dimension der Erziehungsarbeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Dies, sowie die durch den brüchigen Generationenvertrag entstandene Benachteiligung der Familien, deren Kinder die steigende Last der Altersversorgung tragen, lassen auf eine Realisierung des sächsischen Vorstoßes hoffen.


 
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