© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/98 12. Juni 1998

 
 
Okkultismus: In Hannovers Schulen ist der Teufel los
Esoterik als Pflichtfach
von Mathias von Gersdorff

In den Pausen huschen Jungen und Mädchen auf die Toiletten und hocken sich gespannt um ein Klo, auf dessen Deckel sie mit Hilfe eines Pendels Geister beschwören." So beschrieb die Frankfurter Rundschau bereits am 25. März 1989 den ständig wachsenden Okkultismus- und Esoterik-Boom unter Jugendlichen. Sogar der Bundestag befaßte sich mit dem Thema. Den Schreckensmeldungen folgten die Warnungen der Sektenexperten, die schlimme Folgen für Kinder und Jugendliche befürchteten.

Doch niemand hat damals geahnt, daß die Okkultismus- und Esoterikwelle Eingang in die Lehrpläne der Schulen finden könnte. Mit dem Segen der Obrigkeit werden heute in Hannover abstruse Praktiken in den Klassenzimmern durchgeführt. Pendeln, Qi Gong, Gläserrücken; all dies können Schüler heute im Unterricht erlernen und praktizieren, warnt Reinhard Frantzke, Dozent an der erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Hannover. Unter der Tarnung von Stilleübungen und "Fantasiereisen" würden okkulte Praktiken unter den Schülern verbreitet.

Stilleübungen etwa werden von den Kindern unter Anleitung einer Lehrerin durchgeführt. Hierdurch sollen die Beteiligten in einen Trance-Zustand gelangen, in dem sich das Kind vorstellen soll, daß es ein Tier, eine Blume oder eine Wolke sei, oder träumen, daß es sich an einem anderen Ort befindet. Bei Fantasiereisen sollen sich die Kinder vorstellen, daß sie durch ein Loch, eine Höhle oder einen Spalt in eine andere Welt eindringen, in der sie in zauberhafter Form reisen sollen, beispielsweise auf einem fliegenden Teppich. Schließlich soll man während dieser Praktiken mit imaginären Begleitern oder Helfern kommunizieren.

Stilleübungen und Fantasiereisen sind an sich nichts Neues. Die Magier und Hexen der Völker Nord- und Südamerikas, Afrikas und Australiens, manchmal auch Schamanen genannt, benutzten solche Techniken bei ihren magischen Geheimlehren, um Kontakt mit unsichtbaren Welten und Mächten zu haben. Auch die fernöstlichen Religionen benutzten diese religiösen Praktiken, um sich aus dem Kreislauf der Wiedergeburten zu befreien. In Europa werden sie insbesondere in esoterischen und magischen Zirkeln, wie zum Beispiel der "Hannoverschen Hexenschule", verwendet.

Christliche Eltern, nicht nur in Niedersachsen, sehen sich in ihren Erziehungsrechten zunehmend in die Defensive gedrängt. Einige Erziehungsberechtigte haben ihre Kinder von diesem Unterricht ferngehalten und sich dabei auf religiöse Gründe berufen. Glaubensgründe aber will die Kreisverwaltung Hannover nicht gelten lassen. Sollte ein Kind auch nur eine einzige Stunde versäumen, müßten die Eltern 1.000 Mark Strafe zahlen. Seitdem versuchen Christen in Hannover und Umgebung ihr Recht auf Religionsfreiheit zu erkämpfen. Durch Informationsveranstaltungen möchten sie über die Zustände in den Schulen aufklären: "Nur weil diese Entwicklung in den Schulen kaum an die Öffentlichkeit kommt, können sich Lehrer und Schulleitung diesen Skandal leisten", so die Elterninitiative. Durch die Petition eines christlichen Vereins an den Niedersächsischen Landtag soll nun erwirkt werden, daß "fernöstliche und esoterische Entspannungsübungen und Meditationshilfen wie Mandala-malen und -ausmalen, Traum- und Fantasiereisen" aus dem Unterricht verschwinden oder daß zumindest die Kinder nicht gezwungen werden dürfen, an den Praktiken teilzunehmen. Horst Kirschner, Leiter der Initiative an den niedersächsischen Landtag, ist empört: "Warum wird nicht eine Grundlage des Christentums, das Gebet, an den Schulen praktiziert" und statt dessen Okkultismus oder fernöstliche Religionen eingeführt? Lehrer und Schulleitungen weisen indes jede Kritik zurück. Die Übungen seien moderne Unterrichtsmethoden: "Stilleübungen ermöglichen Sammlung, das Kennenlernen der Innenwelten, Basiserfahrungen mit sich und anderen, mit Raum und Zeit", berichtet die Lehrerzeitung Schulintern.

Wichtigster Ausbilder für Lehrer ist das "Niedersächsische Landesinstitut für Fortbildung und Weiterbildung im Schulwesen und Medienpädagogik" (NLI). Durch Seminare in Sinnes- und Körperübungen, Fantasiereisen und meditative Tänze sollen die Lehrer den Schulkindern zeigen, wie man zu sich findet und Selbstbewußtsein erlangt, so die Einladungen zu den mehrtägigen Kursen. Während aber selbst die Schamanen auf die ungeheuren Gefahren wie psychische Störungen oder Horrorvisionen bei diesen Übungen verweisen, werden sie von den hiesigen Pädagogen verharmlost: Kinder sollen
"transzendentale" oder "geistlich-religiöse" Erfahrungen machen und tiefe Bewußtseinsebenen erreichen.

Immer öfter beklagen sich Kinder, die an solchen Schulsitzungen teilnahmen, über traumatische Erlebnisse. Weitere Folgen dieser Séancen sind Alpträume, Verwirrtheit, Unruhe, Tinnitus bis hin zu Selbstmordgedanken. Doch nicht stiller Protest, sondern nur die Alarmierung der Öffentlichkeit kann hier etwas bewirken. Denn die niedersächsische Schulverwaltung ist entschlossen, die Lehrinhalte unter allen Umständen durchzupauken. So hat sie eine Mitteilung an sämtliche Schulen des Landkreises und der Stadt Hannover herausgegeben, in der die namentliche Anzeige jeder Person angeordnet wird, die gegen diese Übungen protestiert, und natürlich aller Eltern, die ihre Kinder nicht daran teilnehmen lassen.

Unter diesen Bedingungen ist es nicht erstaunlich, daß nur eine Minderheit unter den Eltern gegen die Schulobrigkeit ankämpft, ohne dabei allerdings auf viel Verständnis seitens anderer Eltern rechnen zu können. Sich öffentlich zum Christentum zu bekennen, gilt in einer säkularisierten Gesellschaft mehr und mehr als "fundamentalistisch" und führt zur Isolierung. Mit dem Strom zu schwimmen, scheint die bequemere Alternative. Gerade im Lande von Ministerpräsident Gerhard Schröder, der als Bundesvorsitzender der Jusos gegenüber den Lutherischen Monatsheften meinte: "Unsere Aufgabe ist es nicht, Kirchen zu bekämpfen, sondern gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, in denen Kirche vielleicht überflüssig wird", zeigt sich die Notwendigkeit, daß Eltern in Niedersachsen öffentlich Wirbel machen und der Schulbehörde den schleichenden Abschied von christlichen Grundwerten in der Schule nicht einfach durchgehen lassen.


 
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