© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/98 03. Juli 1998

 
 
Erlanger Medientage: Die "Rechte" und die "Linke" in den Medien
Kommunizierende Röhren
von Andre Freudenberg

Der ehemaliger Chefredakteur der Welt, Herbert Kremp, ist am vergangenen Wochenende während der 13. Erlanger Medientage für seine besonderen journalistischen Leistungen mit der "Goldenen Rosine" des Vereins "Bürger fragen Journalisten" ausgezeichnet worden. In seiner Laudatio würdigte Lothar Bossle, emeritierter Soziologie-Professor aus Würzburg und Mitglied im Kuratorium der Bürgerinitiative, Kremp als "leidenschaftlichen deutschen Patrioten", der "Dschungelfelder unserer Gesellschaft aufzuhellen versucht."

Die Erlanger Medientage des Vereins "Bürger fragen Journalisten" warteten auch in diesem Jahr wieder mit einem interessanten Generalthema und anregenden Vorträgen auf. Die knapp 100 Gäste, überwiegend aus akademischen Berufen, diskutierten an zwei Tagen in einem Erlanger Hotel das Thema "Die Linke und die Rechte in deutschen Medien".

Lothar Bossle rechnete gleich zu Beginn scharf mit linksemanzipatorischen Strömungen ab. Die Ideologie der Linken sei für Leute erfunden, die von ihrem Charakter her untauglich seien, Verantwortung zu tragen. Deshalb müßten sowohl die radikale als auch die rationale Linke von der Regierungsverantwortung ferngehalten werden. Die politische Instrumentalisierung von Jugendkriminalität durch die Medien bezeichnete er als "geistiges Verbrechen". Im Gegensatz zu einigen seiner Kollegen glaubt Bossle nicht mehr an die Medien als "vierte Gewalt". Für ihn ist sie die erste von insgesamt sieben Gewalten, und zwar jene, die "das Deutungsmonopol des Zeitgeistes" übernommen habe.

Der Ex-konkret-Herausgeber und Buchautor Klaus-Rainer Röhl zog in seinem mit Ironie gewürzten Vortrag zu der Frage, ob die deutschen Medien auf einem Auge blind seien, eine Entwicklunglinie von den Achtundsechzigern bis heute. Als Beispiel für den Erfolg der Achtundsechziger beim "Marsch durch die Institutionen"nannte er den Westdeutschen Rundfunk (WDR). Unter den 4.000 Mitarbeitern der Rundfunkanstalt gebe es noch eine Mitarbeiterin, die redaktionsintern als "rechts" gilt. Die Unterwanderung, die einem "System kommunizierender Röhren" gleiche, so Röhl, sei keine Verschwörung, sondern maßgeblich auf die "Dussligkeit der politischen Klasse" zurückzuführen. Diese habe damals Positionen in der Regel "kampflos" preisgegeben.

Erich Weede, ein neoliberaler Soziologe von der Universität Bonn, setzte sich mit dem "Ungeist der Kapitalismuskritik" auseinander. Ausgehend von einer fundamentalen Marxismus-Kritik stellte er den Kapitalismus als das moralisch überlegene System dar; ein freier Markt zwinge Egoisten dazu, sich menschlich zu verhalten. "Der Kapitalismus gleicht moralische Schwächen teilweise aus", meinte Weede.

Der Publizist Kepplinger registrierte bei seinen Untersuchungen eine zunehmende Orientierung der "Entscheider" in Politik und Verwaltung an den Medien. Dies führe zu einer symbolischen Politik und ebenso symbolischen Handlungen. Der Intendant der Deutschen Welle, Dieter Weirich, ging schließlich auf den Zusammenhang zwischen Zeitgeist und Schweigespirale ein. Journalisten bildeten sich ihre Meinung vorwiegend untereinander, was zu gleichen Erkenntnissen führe. Das Phänomen sei schon aus den USA bekannt. Dort bezeichnet man dies als "pack journalism" (Rudeljournalismus).

Die Podiumsdiskussion am Sonntagvormittag wies eine verblüffende Ähnlichkeit zum ARD-Presseclub auf, nur daß die Zusammensetzung etwas homogener war. Zu den Teilnehmern gehörten neben den Referenten des Vortages auch der scheidende Chefredakteur der Welt, Thomas Löffelholz, der Fernsehdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Henning Röhl, sowie Rosemarie Kelter, Vorsitzende des Deutschen Frauenrings.

Ausgehend von seinen Erfahrungen in den neuen Bundesländern, wies Röhl darauf hin, daß die Begriffe "rechts" und "links" dort nicht verstanden würden. Es gebe weniger Lagerdenken als im Westen. Thomas Löffelholz vertrat die Ansicht, daß es zwar die Tendenz zu einer linken Dominanz in den Medien gebe, diese aber überschätzt werde. Fritz Schenk, ein ehemaliger ZDF-Redakteur, bemängelte, daß alte SED-Kader heute die beliebtesten Gäste in Talk- shows seien; beispielhaft nannte er die vielen Fernsehauftritte Gregor Gysis. Diese Kritik mochte Henning Röhl wiederum nicht teilen. "Wir müssen auch Andersdenkende anhören", sagte er und zog sich damit deutliche Unmutsäußerungen aus dem Publikum zu.

Der gemeinnützige Verein "Bürger fragen Journalisten" wurde 1984 gegründet und kämpft seither gegen tendenziöse Berichterstattung, Meinungsmanipulation und Machtmißbrauch in den Medien. Die Bürgerinitiative strebt eine Rückkehr zu sachgemäßer und wahrheitsgetreuer Information und ansprechender Unterhaltung an. Dazu gehört auch, jene einflußreiche Minderheit von Journalisten, die unter Mißachtung des Pressekodex Meinungen manipulieren, an den Pranger der Öffentlichkeit zu stellen sowie den Opfern von Pressekampagnen und Verleumdungen zu helfen. Der Verein bedient sich dazu seines Informationsorgans Transparenz der Medien, das monatlich bundesweit erscheint und vor allem in Medienkreisen Beachtung findet.


 
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