© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/98 10. Juli 1998

 
 
Kundennähe
Albrecht Eichsfelder

Post. Die tun was. Seit 1996 können an einigen ausgewählten Orten die Postkunden ein ganz neues Einkaufsgefühl auskosten. "PostPlus"-Filialen bieten zum Teil rund um die Uhr "Convenience"-Artikel an, wie die Post neudeutsch und etwas verblasen den Verkauf von Tabak- und Schreibwaren, verpackten Lebensmitteln, Getränken, Zeitungen und anderen nützlichen Sachen nennt, bei denen man bis dato nach Ladenschluß auf Tankstellen angewiesen war. Die Betreibergesellschaft von "PostPlus", die Deutsche Post Service- und Vertriebsgesellschaft (DPSV), eine 100prozentige Tochter der Deutschen Post AG, zeigt sich ermutigt von den ersten Betriebsversuchen. Im Mai dieses Jahres konnte die DPSV in Leipzig ihre hundertste Filiale einweihen, und der Siegeszug der neuen Verkaufsform hält an. Die Kunden sind begeistert, so will es eine Umfrage der Post.

Kunden waren es denn auch, die sich angeblich "mehrfach" an die Post gewandt haben, um "die Auslage von Zeitungen und Zeitschriften mit rechtsradikalen Inhalten und Gedankengut" zu kritisieren. In einem internen Rundschreiben an alle DPSV Filialleiter und -stellvertreter hat nun der Leiter Marketing/Vertrieb der DPSV, Stephan Paul, reagiert. Er will deshalb "als Handelsunternehmen, das gleichzeitig Geschäfte für die Deutsche Post betreibt und damit besonders kritisch wahrgenommen wird", an der Verbreitung solcher rechtsradikalen "Schriften", zu denen er ausdrücklich auch die junge freiheit zählt, nicht länger mitwirken. Paul: "Im Interesse unseres Unternehmens haben wir deshalb unsere Grossisten jetzt zeitgleich mit diesem Schreiben ausdrücklich gebeten, unsere Filialen zukünftig nicht mehr mit Presseerzeugnissen wie oben erwähnt zu beliefern. Demzufolge bitten wir auch Sie und Ihre Mitarbeiter, ab sofort keine derartigen Zeitungen mehr zu bestellen bzw. Kundenbestellungen entgegenzunehmen. – Von Ihrem Grossisten unbestellt gelieferte Zeitungen/Zeitschriften mit rechtsradikalen Inhalten sind nicht mehr im Verkauf auszulegen, sondern umgehend mit der nächsten Möglichkeit zu remittieren. Sollte Ihr Grossist sich weigern, unserer Aufforderung Folge zu leisten, bitten wir Sie um sofortige Information…"

Daß von einem entsprechenden Presseboykott gegen ausliegende "linksradikale Schriften" nichts zu hören ist, verwundert kaum. Nicht recht einsehbar ist im übrigen, warum die Post AG nicht auch gegen die Zustellung "rechter" Zeitungen energische Schritte ergreift. Ein Beispiel für die selektive Kundennähe der Zukunft? Vor wenigen Tagen erst hat die Post einen "Heißen Draht für Lob und Tadel" (Tel. 018 02/ 33 33) eröffnet – volksnah "Call-Center" genannt. Einen Service der Post AG, den man nutzen sollte.


 
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