© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/98 10. Juli 1998

 
 
Parteien: Der Bestsellerautor und Euro-Kritiker Frederick Forsyth beim Bund Freier Bürger
Ein Fall für den Verfassungsschutz
Frank Philip

Mit seiner Politik für den Euro hat Helmut Kohl Deutschland auf den Roulette-Tisch gestellt. Niemand hat ihm das Recht dazu gegeben." Diese Auffassung vertrat der britische Bestsellerautor Frederick Forsyth vor knapp 1.000 Zuhörern einer Podiumsdiskussion des Bund Freier Bürger (BFB) am vergangenen Sonntag im Münchner Löwenbräukeller.

"Wohin geht die Reise?" fragte Forsyth gleich zu Beginn der von dem ehemaligen Bundeswehrgeneral Gerd Schultze-Rhonhof geleiteten Veranstaltung. Der Kriminalschriftsteller ("Die Akte Odessa", "Der Schakal") meinte, daß von den Regierenden keine ehrliche Antwort zu erwarten sei. Betrachte man jedoch alle bisherigen Stationen, werde klar, daß ein europäischer "Mega-Staat" geplant sei. "Das Endziel ist ein einziger Staat", betonte Forsyth, der in zwei spektakulären offenen Briefen an Helmut Kohl und seinen Herausforderer Schröder, beide veröffentlicht im Spiegel, eine Verschiebung des Euro-Abenteuers gefordert hatte.

Brüssel kopiert die alten Strukturen der Sowjetunion

Der dänische Europaabgeordnete Jens-Peter Bonde, Vorsitzender der Gruppe "Unabhängiges Europa der Nationen" im Europäischen Parlament, warnte vor dem Amsterdamer Vertrag, der Elemente einer diffusen europäischen "Überverfassung" enthalte. "Trotz aller Versprechen von mehr Subsidiarität weisen alle Zeichen in die entgegengesetzte Richtung." Bonde forderte, daß die europäischen Institutionen sich einzig mit solchen Fragen beschäftigen sollten, die nur durch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit gelöst werden können, wie etwa die Bekämpfung der Kriminalität oder der Umweltschutz. Ansonsten seien es gerade die Vielfalt und Verschiedenartigkeit der Völker, attestierte Schultze-Rhonhof, die kulturelle Leistungen auf dem Kontinent hervorgebracht haben.

Der Präsident des Brüsseler Zentrums für ein neues Europa, Rechtsanwalt Fernand Keuleneer, bezeichnete den Amsterdamer Vertrag als Blankoscheck zur Übertragung weiterer Souveränitätsrechte. Neben der "unersättlichen" Kommission sieht er mit großer Sorge, daß der Europäische Gerichtshof (EuGH) sich immer größere Befugnisse anmaße und sich teilweise schon über die nationalen Verfassungsgerichte erheben wolle. Es sei bedenklich, daß der EuGH keine unparteische und unabhängige Judikative darstelle, sondern als Integrationsmotor wirken wolle.

Immer wieder von heftigem Applaus unterbrochen äußerte sich der Vorsitzende des Bund Freier Bürger, Manfred Brunner. In Brüssel versuche man, die Strukturen der gescheiterten Sowjetunion zu kopieren; letztlich laufe alles auf einen überbürokratisierten Einheitsstaat hinaus. Die sozialistischen Bestrebungen zur Überregulierung und zentralen Planung würden systematisch zur Zerstörung des Mittelstandes beitragen. Die von einigen Ländern geforderten Mehrheitsentscheidungen stellen, so Brunner, eine "Gefahr für die Freiheit der Völker" dar, da diese selbst bei wichtigen Entscheidungen einfach von der Mehrheit überstimmt würden. Die Verträge von Maastricht und Amsterdam könnten guten Gewissens "Ermächtigungsgesetze" genannt werden.

Auch Forsyth zeigte sich "schockiert", daß dieser laut Kohl unwiderrufliche Schritt ohne eine Volksabstimmung getan werden soll. Etwa 80 Prozent der Gesetze und Verordnungen kämen schon jetzt aus Brüssel. Der Bundeskanzler und die Volksvertreter ignorierten das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1993, welches feststellte, daß substantielle Rechte bei den Mitgliedsstaaten der Union verbleiben müßten, empörte sich Brunner. Rhetorisch gewandt und auch für Nichtjuristen gut verständlich legte der BFB-Chef dar, daß elementare Grundsätze des Grundgesetzes mit Ewigkeitscharakter wiederholt von der Bonner Koalition mißachtet worden seien. "Eigentlich wäre das ein Fall für den Verfassungsschutz!" rief er unter dem Gelächter der Zuhörer aus. Da es kein europäisches Staatsvolk gebe, könne auch keine wirkliche Demokratie auf europäischer Ebene etabliert werden. Die Demokratie sei nur in einem überschaubaren nationalen Rahmen zu verwirklichen, meinte Brunner.

Forsyth wunderte sich, daß es in Deutschland keine parlamentarische Opposition gegen Kohls Euro-Pläne gegeben hat. Die Opposition schweige in vorauseilenden Gehorsam. Einen Zwischenruf aus dem Publikum nach der Rolle der Presse kommentierte er knapp und sarkastisch: "Autozensur".

EU-Regelungen nicht ohne Widerstand hinnehmen

Ob es dennoch Möglichkeiten gebe, die alarmierende Entwicklung zu stoppen, fragte Schultze-Rhonhof und erhielt höchst unterschiedliche Antworten. Während Forsyth eine Kurskorrektur durch parlamentarischen Druck für möglich hielt, gab sich der Däne Bonde eher pessimistisch: Die Clique der EU-Kommissare habe sich schon ein solches Machtmonopol geschaffen, daß er kaum noch Chancen sehe. Der Brüsseler Machtapparat sei durch demokratische Prozesse kaum noch zu reformieren. Den Völkern bleibe wohl nur noch eine Revolution gegen die Institutionen der EU, witzelte der EU-Parlamentarier.

Auch Keuleneer beklagte das Fehlen eines Gegengewichts zum Brüsseler Machthunger und fürchtete, daß viele deutsche Parlamentarier die Tragweite der Entscheidung zum Euro und den Ernst der Lage nicht begriffen hätten. Brunner schließlich munterte das Auditorium mit seinem Schlußwort auf und forderte von den Deutschen mehr Mut und Zivilcourage. Sie sollten die teilweise grotesken Regelungen der EU-Kommission nicht länger ohne Widerstand hinnehmen. So hätte zum Beispiel erst kürzlich die Kommission verordnet, daß Marmelade nur aus Obst hergestellt werden dürfe. Kurz darauf gab sich allerdings ein Problem mit der Gelbe-Rüben-Marmelade aus Portugal, worauf die Kommission in einer weiteren Verordnung gelbe Rüben kurzerhand zu Obst erklärte. Brunner meinte, solche lachhaften Gesetzgeber könnten sich auf Dauer unmöglich halten. Damit bliebe die Hoffnung, daß sich die ganze Brüsseler Bürokratie eines Tages von selbst erledigt.


 
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