© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/98 17. Juli 1998

 
 
Zwerge und Derwische
Manuel Ochsenreiter


Konstantin Wecker hat es nicht leicht. Er wurde verurteilt – zwei Jahre Knast, sagt das Münchner Landgericht. Weckers Vergehen: Besitz von knapp 1,8 Kilo Kokain, zum "Eigenkonsum", wie immer wieder betont wird.

Wecker sieht sich als Opfer politischer Justiz. Der Busenfreund von Rudolf "Fahrradhelm" Scharping, der bei Wecker-Konzerten ganz vorne sitzen darf, fühlt sich verfolgt. Vor dem Hintergrund der Kandidatur der DVU für den Bundestag wolle man sich abgrenzen und "deshalb harte Hand zeigen". Wecker fühlt sich als Dissident, als Querdenker, er führt sich auf wie ein Gejagter, wieso nur? Ja, seine Lieder waren schon immer ziemlich mutig und ganz schön tough. So bewältigt er teilweise die deutsche Vergangenheit oder breitet seine Beziehungsprobleme im weinerlichen Vibrato über seine Zuhörer aus. Egal, ob "Sturmbannführer Meier" mit seinen Kameraden wieder alte Lieder singt oder Wecker über das Heraufdämmern von neuen, fiesen Nazi-Machenschaften trällert, der Bayer sieht überall Gegner. Aus Frust zieht man da schon mal ’ne Linie. Und Wecker hatte 15 Jahre lang die Nase voll. Später hat er den Stoff auch als "Crack" geraucht, um die Wirkung zu verstärken. Sein bildungsbürgerliches Publikum bleibt zwar lieber bei Rotwein und Käse, hat aber Verständnis für Weckers Exzesse. So sagten gute Freunde und Fans vor Gericht für ihn aus. Senta Berger und Dieter Hildebrandt schilderten vor Gericht den geistigen und körperlichen Zerfall des Hausbarden des linksliberalen Establishments. Sie versuchten zu beweisen, daß Wecker durch seine Drogenexzesse an einer "chronischen Drogenpsychose" litt und deshalb schuldunfähig gewesen sei.

Dies würde seine zweijährige Haftstrafe in eine Bewährungsstrafe umwandeln. Fehlanzeige, das Gericht blieb bei der Haftstrafe. Gegen das "haarsträubende Urteil" (Wecker) werde er wohl Revision einlegen, aber er überlegt auch mit der Sache "abzuschließen und in den Knast zu gehen." Wecker lebte nach Zeugenaussagen in einer Wahnwelt, in der "Zwerge" und "Derwische" ihm sein kostbares Kokain stehlen wollten. Ob auch Sturmbannführer Meier und seine Kameraden bei der Räuberbande waren, bleibt wohl für immer im Dunkeln.


 
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