© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/98 17. Juli 1998

 
 
Politische Theorie: Alain de Benoist, Vordenker der Neuen Rechten in Frankreich, über Rassismus und Antirassismus, Ideologien und Fremdenfeindlichkeit
"Einwanderung bedroht unsere kollektive Identität nicht"
Peter Krause


Herr de Benoist, der Rechten wird oft pauschal Rassismus unterstellt. Ist die Neue Rechte in Frankreich rassistisch? Was überhaupt ist Rassismus?

Benoist: Rassismus ist eine Ideologie, die entweder behauptet, daß es qualitative Ungleichheiten zwischen Rassen gebe, und zwar in der Gestalt, daß man zwischen "höheren" und "minderwertigen" Rassen unterscheiden könne oder daß sich der Wert eines Individuums vollständig aus seiner rassischen Zugehörigkeit ableite oder daß der rassische Faktor die zentrale Erklärung für die Menschheitsgeschichte darstelle. Diese drei Behauptungen sind falsch. Es gibt kein "universelles" Paradigma, das es erlaubt, eine Rangordnung zwischen den Rassen herzustellen; der Wert eines Individuums bemißt sich zunächst nach den ihm eigenen Qualitäten, und es ist klar, daß es ein nutzloses Unterfangen ist, die meisten Geschehnisse der Weltgeschichte auf den Faktor Rasse zurückführen zu wollen. Das ist der Grund, weshalb die Neue Rechte in Frankreich seit einem Vierteljahrhundert die Ideologie des Rassismus als irrig ablehnt.

Führt jedes Beharren auf einer Identität, die sich auch auf Rasse bezieht, notwendig zum Rassismus?

Benoist: Der Rassismus muß unterschieden werden von dem, was die Soziologen "Homofiliation" nennen, also den Wunsch nach Kontinuität der eigenen Identität durch Endogamie, der viele Religionen – wie etwa die jüdische – leitet, die Mischheiraten verbieten. Was die Tatsache betrifft, daß es verschiedene Rassen gibt, so sollte sie nicht böswillig mit diesem Tatbestand verwechselt werden. Und als historisch aus der Mode gekommene Doktrin darf man den Rassismus nicht verwechseln mit Ethnozentrismus oder Fremdenfeindlichkeit, obwohl sie dort anschließen können.

Wie eng ist das Verhältnis von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit?

Benoist: Die Xenophobie, die Fremdenfurcht, funktioniert auf der Grundlage des Mißtrauens oder der Feindschaft dem Anderen gegenüber. Sie kann sich gegen Menschen einer anderen Rasse richten, aber sie kann sich auch bei Abwesenheit jeglicher rassischer Unterschiedlichkeit ausbilden, wie man das in Jugoslawien gesehen hat. In Frankreich rufen die Araber und die Kabylen eine Abwehrreaktion hervor, die stärker ist als die gegen Schwarze oder Asiaten, obwohl die "ethnische Distanz" was jene angeht, viel schwächer ist. Die Xenophobie ist nichts spezifisch "Rechtes" oder "Linkes". Sie kann sich im Zusammenhang jedweder politischer Ideologie ausdrücken. "Das Fremde verdirbt alles!", rief etwa Saint-Just 1793 in dem Moment aus, als die Französische Revolution die Ausweisung genau dieser Fremden beschlossen hatte. Damit die Xenophobie zutage tritt, genügt es, daß diejenigen Gruppen, die zusammen leben, subjektiv als anders empfunden werden und ihr tatsächliches oder vorgebliches Anderssein als eine Gefahr für die eigene Existenz empfunden wird. Eine solche Haltung ist universal und zu allen Zeiten zu beobachten. Vermutlich im Verlauf der Evolution angenommen, konnte sie einen Überlebensfaktor in einer Situation bilden, wo das Unbekannte eine Gefahr zu bergen vermochte. Sie hat heute verheerende Folgen. Sie ruft krampfhaft verzerrte politische Verhaltensweisen hervor.

Sie sehen also einen Zusammenhang von Rassismus und moderner Ideologie?

Benoist:

Die rassistische Ideologie ist ein typisches Produkt der Moderne, die sich im 19. Jahrhundert im Kielwasser der sozialen Entwicklungen und der Fortschrittsideologie herausbildete. Sie entsteht aus der Verbindung des Positivismus, der glaubt, daß man alles "wissenschaftlich" messen kann, auch den Wert der Kulturen oder der Rassen und den sozialen Fortschrittsglauben, der dazu neigt, die Menschheitsgeschichte als Einheitsgeschichte zu sehen. Aus dieser Sicht wird der Westen unveränderlich als die entwickeltste Zivilisation angesehen, der gegenüber alle anderen Kulturen als zurückgeblieben gelten. Das ist das wesentliche Fundament der rassistischen Ideologie, die zeitgleich mit der Legitimationsbasis für die koloniale Expansion entstand. Von daher erscheint der Rassismus unauflösbar mit dem Glauben des modernen Universalismus – es ist nur durch ein universalisierendes Paradigma denkbar, daß die Rassen hierarchisiert werden können – und mit dem westliche Ethnozentrismus verbunden. Indem der seine eigenen Werte mißbräuchlich als universale Werte anbietet, fährt er fort, die gemeinsamen Identitäten im Namen eines einzigen globalen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Modells zu zerstören.

Sie verstehen sich als rechter Antirassist? Dient der Vorwurf "Rassismus" nicht allzuoft, um politische Gegner zu diffamieren?

Benoist: Der Antirassismus ist heute allzuoft lediglich eine Form der Auseinandersetzung, die es erlaubt, einen Gegner zu disqualifizieren oder zu delegitimieren, dem man keine anderen Argumente entgegensetzen kann. Man gibt dem Begriff "Rassismus" außerdem eine möglichst weite Bedeutung, die es erlaubt, ihn bei allen möglichen Situationen mißbräuchlich anzuwenden. "Rassismus" wird so zu einem Gummi-Begriff, der überall "Rassisten" sieht in ähnlicher Weise, wie Antisemiten überall "den Juden" sehen. Es ist dieselbe paranoide Besessenheit, die allerorten Verschwörungen am Werk sieht. Dieser Antirassismus funktioniert heute in mehrfacher Hinsicht als simple Legitimation für eine herrschende Ideologie, die sich anders nicht mehr zu rechtfertigen weiß.

Rassismus wie Antirassimus verstehen Sie also als Formen moderner, universalistischer Ideologie?

Benoist: Man macht Front gegen den Rassismus: Nicht in dem Sinne einer Widerlegung, daß man zeigt, warum es sich um eine falsche Idee handelt, sondern man begnügt sich mit einer rein emotionalen und moralischen Pose. Der Rassismus wird so zu einer einfachen Krankheit des Geistes, ähnlich jenem "Aberglauben", dessen die Ideologie der Aufklärung vor zwei Jahrhunderten jeden beschuldigte, der dem Auftauchen der Moderne als Hindernis erschien. Ich glaube, daß diese Haltung vollkommen irrig ist.

Der formale Vergleich Antirassismus – Fortschrittsglaube ist vermutlich nicht zufällig gewählt. Sie sehen einen inhaltlichen Zusammenhang?

Benoist: Indem man sich damit begnügt, das liberale Ammenmärchen einer stetig fortschreitenden Menschheit wiederaufzuarbeiten, der eine vormoderne Mentalität entgegenstehe, aus der alles soziale Übel erwachse, entzieht sie diesen Kampf jeder rationalen Argumentation und schließlich jeder politischen Handlungsmöglichkeit. Ebenso wie es einen universalistischen Feminismus gibt, der in Frankreich vorherrschend ist und der glaubt, daß die Förderung der Frauen durch eine Verneinung der Unterschiede der Geschlechter zu erreichen ist, und einen identitären Feminismus, wie er in den USA vorherrschend ist, der vor allem die Unterschiede, also die weibliche Seite der menschlichen Natur betont, so gibt es auch einen universalistischen und einen differentialistischen Antirassismus.

Würden Sie bitte den Unterschied erläutern?

Benoist: Der erstere hat meiner Meinung nach genau dasselbe Ergebnis wie der klassische Rassismus. Indem er alle Unterschiede leugnet, nimmt er den Völkern einen Teil ihrer Identität. Der differentialistische Antirassismus, der mir der einzig schlüssige von beiden scheint, erkennt demgegenüber die Existenz und damit die Unterschiede von Rassen an, stellt sich aber gegen deren hierarchische Einordnung. Der universalistische Rassismus kommt aus der Philosophie Immanuel Kants: Er glaubt, daß die menschlichen Individuen vor allem als abstrakte menschliche Wesen zu sehen seien; ihre spezifischen konkreten Zugehörigkeiten seien demgegenüber sekundär. Der differentialistische Antirassismus führt sich auf Herder zurück: Dieser dachte, daß die Individuen unauflösbar mit ihren gemeinschaftlichen Identitäten verbunden seien und daß letztere einen anerkannten Platz im öffentlichen Leben haben sollten. Wie der klassische Rassismus, so reagiert der universalistische Antirassismus allergisch auf alle Differenzierungen; beide wirken somit de facto hin auf eine einheitliche Welt. Währenddessen sieht der differentialistische Antirassismus die Verschiedenheit der Völker und der Kulturen.

Welche Bedeutung hat Identität für ein Gemeinwesen, für ein Volk?

Benoist: Die Entwicklung der Moderne ist eine Entwicklung in Richtung zu mehr Homogenität. Adorno und Horkheimer haben sehr genau gezeigt, daß die Freiheit in der Moderne in der "Freiheit zum Immergleichen" besteht. Der Hauptträger dieser Bewegung zum Homogenen ist eine individualistisch-universalistische Ideologie, die dazu tendiert, jede Form des gemeinschaftlichen Lebens zu beseitigen oder als nachrangig zu betrachten: Gemeinschaften, Völker, Nationen, Kulturen usw. Die Menschen sind aber nicht unmittelbar als solche Teil der Menschheit, sondern sind nur mittelbar ihr Bestandteil, und genau dieser Teil ihres Daseins ist für sie unentbehrlich. Das Aufkommen des Individualismus hatte eine Auflösung der organischen Strukturen der Nähe zur Folge, die vor allem Strukturen der Solidarität waren. Und die Einrichtung des Fürsorge-Staates war notwendig geworden, um nach ihrem Verschwinden diese Solidarität zu ersetzen und um das Abbröckeln des sozialen Zusammenhalts zu vollenden, das wir heute beobachten können.

Woher gewinnt der moderne Mensch eine kollektive Identität?

Benoist: Unter diesen Voraussetzungen ist das Problem der gemeinsamen Identität eines derjenigen Probleme, die sich heute sehr akut stellen. Aber vor allem muß man verstehen, was das ist: die gemeinsame Identität. Die Identität ist nichts von der Geschichte Abgetrenntes, sie ist kein unveränderliches Absolutum, das sich konservieren und weitertragen ließe wie eine geheiligte Substanz, sondern sie ist eine Einheit aus bestimmten Merkmalen, die sich unaufhörlich aus der Muttererde des Erbes heraus erneuert. Die gemeinsame Identität ist eine "erzählende" Struktur, die sich sowohl selbst darstellt wie an andere anpaßt. In der phänomenologischen Perspektive schließt das ein, daß die Selbstdeutung von der Deutung des Anderen niemals zu trennen ist. Die gemeinsame Identität ist nur dynamisch denkbar. Im Gegensatz zu dem, was die Xenophoben glauben, heißt, seine Identität zu verteidigen, nicht das zu verteidigen, was sich nicht ändert, sondern eher die einzigartige Art, wie man es entwickelt.

Aber auch dieser dynamische Identitätsbegriff benötigt "Kriterien".

Benoist: Die Soziologie ist kein Teil der Zoologie. Das menschliche Dasein kann man nicht auf eine einzige biologische Dimension zurückführen. Die kollektiven Identitäten mischen sich in ununterscheidbaren Verhältnissen: das, was ethnischen Ursprungs ist, mit dem, was sozialgeschichtlichen und dem, was aus dem kulturellen Leben herrührt. Die Staats-Nation, die ebenfalls ein Produkt der Modernität ist, ist in eine Krise geraten und mit ihr alle Strukturen, die gestern die lokalen Identitäten ausgemacht hatten: Schulen, Kirchen, Parteien, Armee usw. In den Zeiten der wirtschaftlichen, technologischen und finanziellen Globalisierung sind die nationalen Grenzen porös geworden. Das ist der Grund, warum ich glaube, daß man nach den Fundamenten des Erhalts und der Erneuerung kollektiver Identitäten auf einer bescheideneren Grundlagen suchen muß: auf denen der Regionen, der Städte, der Stadtviertel. Man sollte die Identität von der Basis aus wieder erschaffen, durch Bürgerinitiativen, an denen diejenigen teilnehmen, die im täglichen Leben mit denselben Problemen konfrontiert sind.

Ist diese Forderung eine Besonderheit der Neuen Rechten in Frankreich?

Benoist: Mein Standpunkt ist dem der Theoretiker des nordamerikanischen Kommunitarismus sehr ähnlich, insbesondere Charles Taylor, Michael Sandel, Alasdair MacIntyre oder Christopher Lasch. Diese Autoren stellen radikal das liberale Modell der Gesellschaft in Frage, das lediglich in Begriffen wie "Rechte" eines abstrakten Menschen denken kann. Sie zeigen, daß Gemeinschaft ein konstitutiver Bestandteil einer Person ist und daß das gemeinschaftliche Gut von der Art und Weise des Lebens einer Gemeinschaft abhängt und daß die individuellen Entscheidungen unauflösbar mit ihrem Umfeld verbunden sind.

In Europa allerdings, gerade an der "Basis", wächst die Fremdenfurcht. Steckt in Abwehr des Anderen nicht auch ein legitimer Wunsch, der zu bleiben, der man ist?

Benoist: Es ist völlig legitim, seine Identität zu verteidigen, aber ich glaube nicht, daß die Xenophobie deswegen legitim wird. Die Parteien, die sich auf Anti-Immigranten-Erklärungen spezialisiert haben, sind nichts weiter als kleinbürgerliche demagogische Parteien, die versuchen, aus den Ängsten der heutigen Welt Kapital zu schlagen, indem sie eine Sündenbock-Politik praktizieren.

Sie sehen also in der Integration von Fremden in eine Kultur keine Probleme?

Benoist: Man muß unterscheiden zwischen Einwanderung und Einwanderern. Die Einwanderung ist ein negatives Phänomen, da sie selbst das Produkt der Not und der Notwendigkeit ist. Die Probleme, die sie aufwirft, sind bekannt; es ist notwendig, sie zu lösen, mindestens aber die zu schnelle und zu massive Art und Weise, die die Immigration im Moment kennzeichnet, zu beseitigen. Es ist offensichtlich, daß man die Probleme der Dritten Welt nicht lösen wird, indem man ihre Bevölkerung einlädt, in Massen zu kommen und sich in den westlichen Ländern anzusiedeln! Gleichzeitig ist ein globalerer Blick auf die Probleme notwendig. Zu glauben, daß es die Immigration ist, die die Hauptverantwortung für die Gefährdung der kollektiven Identität des Gastlandes trägt, ist ein schwerer Irrtum.

Und worin liegt die Gefahr für die kollektive Identität? Wie kann eine gewachsene Gemeinschaft ihre Identität bewahren?

Benoist: Die Gefahr liegt vor allem in der Daseinsform, die sich heute in den westlichen Ländern immer mehr durchsetzt und die droht, sich auf die ganze Welt auszubreiten. Es ist nicht die Schuld der Immigranten, wenn die westliche Welt nicht mehr in der Lage ist, ein Beispiel zu geben. Die Einwanderung ist, so betrachtet, eher eine Konsequenz als eine Ursache: sie bildet ein Problem, weil angesichts der Immigranten, die sich oft genug ihre eigenen Traditionen erhalten wollten, die Westler entschieden haben, diese zugunsten ihrer Lebensweise abzulehnen. Die Amerikanisierung der Welt, die Vereinheitlichung der Produktionsweisen und Konsumgewohnheiten, die Herrschaft des Geschäfts, die Ausbreitung des globalen Marktes, die systematische Erosion der Kulturen unter den Folgen der Globalisierung untergraben die Identität der Völker noch weitaus mehr, als es die Einwanderung tut. Die Eröffnung einer Fast-Food-Filiale oder eines Supermarktes stellt für unsere Identität sicher eine größere Bedrohung dar als der Bau einer Moschee!

Die Neue Rechte in Frankreich verteidigt das Partikulare. Und Sie sehen im ökonomischen Universalismus eine größere Gefahr als im kulturell oder religiös Anderen?

Benoist: Die Nouvelle Droite verteidigt das Prinzip des Rechts auf Differenz, auf Unterschiedlichkeit. Aber dieses Prinzip, wie alle Prinzipien, wiegt nur durch seine Allgemeinheit. Das bedeutet, daß ich mich nicht nur stütze auf die Verteidigung meiner Unterschiedlichkeit, sondern, daß ich auch diejenige der anderen verteidige. Was meine Identität am meisten bedroht, ist nicht die Identität der Anderen, sondern dasjenige, das sowohl meine als auch ihre Identität gleichermaßen bedroht.

Wie stellen Sie sich eine Integration von Ausländern konkret vor?

Benoist:: Die Idee einer zwischen souveränen Staaten aufgeteilten Welt, die innerhalb ihrer Grenzen eine perfekte Einheit des Volkes, von einer Sprache, einer Kultur und einem Territorium verwirklicht, ist eine Illusion aus dem Zeitalter der Nationalitäten, das heißt des 19. Jahrhunderts. Kaum zehn Prozent der Staaten, die heute bestehen, haben eine völlig homogene Bevölkerung. Die meisten Gesellschaften sind bereits multikulturell, und es ist äußerst unwahrscheinlich, daß sie aufhören werden, dies zu sein. Selbst wenn man übereinkommen sollte, die Immigration vollkommen zu stoppen, wird die überwiegende Mehrheit der Immigranten in den westlichen Ländern bleiben. Wer das Gegenteil behauptet, wiegt sich in Illusionen. Die Frage stellt sich seitdem, welches die Formen der Integration sein sollten. Die schlechteste Antwort scheint mir das französische Modell zu sein. Dieses vom Jakobinismus inspirierte Modell läßt die Assimilation wieder aufleben, zuungunsten der Integration. Es erkennt nur Individuen an und schließt integrationswillige Gemeinschaften aus dem öffentlichen Leben aus. Das führt dazu, daß Bürger zweiter Klasse geschaffen und Individuen von ihren Wurzeln getrennt werden. Ich ziehe ihm das englische Modell vor, wo die Gemeinschaften fremden Ursprungs die Möglichkeit haben, ihre Gebräuche und ihre Traditionen beizubehalten. Der Multikulturalismus wird in Europa außerdem häufig als eine Variante des amerikanischen melting pot angesehen. Das Gegenteil ist wahr. Die Amerikaner sind sich mehr und mehr darüber klar geworden, daß es eine Illusion war und darüber hinaus eine wenig wünschenswerte, eine Vereinigung aller Gemeinschaften auf ihrem Boden herbeiführen zu wollen.

Sie denken also an eine gegenseitige Bereicherung unter Wahrung eigener Identität?

Benoist: Ich glaube, daß jede Gemeinschaft fremden Ursprungs ihre Persönlichkeit behalten dürfen muß, nicht, um sich von den anderen zu isolieren, sondern um den gegenseitigen Dialog über ihre Unterschiede zu bereichern. Der Dialog mit dem Anderen schließt ja ein, daß man fortfahren darf, als Anderer zu existieren. Deshalb spreche ich mich für einen gemäßigten Multikulturalismus aus, der vom Kommunitarismus inspiriert ist und der zugleich sowohl Assimilation wie Apartheid zurückweist.
 
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