Propagandist von Sozialismus und Befreiungstheologie

© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/98 28. August 1998


50 Jahre Weltkirchenrat: Propagandist von Sozialismus und Befreiungstheologie
Totalitäre Systeme verharmlost
von Klaus Motschmann 

Am 23. August 1948 beschlossen Vertreter von 147 protestantischen, anglikanischen und orthodoxen Kirchen in Amsterdam, sich zu einem "Ökumenischen Rat der Kirchen" zusammenzuschließen. Auch die deutschen Kirchen waren bei dieser Gründungsversammlung vertreten, nachdem sie durch das sogenannte Stuttgarter Schuldbekenntnis von 1945 den Weg für eine Teilnahme geebnet hatten. Heute gehören dem Weltkirchenrat mit Sitz in Genf 330 Kirchen an.

Gründung und Zielsetzung des Weltkirchenrates entsprachen einem damals in Europa und den USA vorherrschenden Zeitempfinden, wie es unter anderem in der Gründung der UNO im Jahre 1945 zum Ausdruck kam: daß nach den Erfahrungen zweier Weltkriege nun die Sicherung des Weltfriedens die vornehmste Aufgabe aller verantwortlichen politischen und gesellschaftlichen Kräfte sein müsse, vor allem auch der Kirchen.

Es wäre allerdings unzureichend, die Gründung des Weltkirchenrates lediglich aus einem theologisch motivierten Reflex auf die weltweite Umbruchsituation nach dem Zweiten Weltkrieg zu erklären, gewissermaßen als das metaphysische Unterfutter der UNO. Tatsächlich reichen die Bemühungen um eine wie immer geartete organisatorische Einheit der getrennten Kirchen weit zurück und fanden in großen ökumenischen Konferenzen ihren Ausdruck: so in Edinburgh 1910, Stockholm 1925, Lausanne 1927 und Utrecht 1938. Sie wurden, wenn auch in unterschiedlichen Akzentsetzungen, bestimmt von der Sehnsucht nach Einheit im Sinne des Wortes Jesu "ut unum sint", "daß alle eins seien" (Joh. 17, 21), weil nur so das Zeugnis des christlichen Glaubens in der Welt und vor der Welt glaubhaft vertreten werden kann. Zur Vermeidung von Mißverständnissen muß freilich hinzugefügt werden, daß es nicht um eine allgemeine Einheit aller Menschen im Sinne einer aufklärerischen Verbrüderung geht ("Alle Menschen werden Brüder"), sondern um die Einheit derer, die an Christus glauben bzw. noch an ihn glauben werden. Es geht also um eine Einheit in Christo, aus der sich dann selbstverständlich sehr konkrete Konsequenzen für die Ordnungen dieser Welt ergeben.

Es sollte nicht bezweifelt werden, daß der Weltkirchenrat in diesem Sinne seine Arbeit begann und weltweit kräftige Impulse zur Neubesinnung und Neuordnung in Theologie und Kirche und damit auch in Politik und Gesellschaft vermittelte. Allerdings bestehen heute bei jedem nur halbwegs Kundigen keine Zweifel, daß die hoffnungsvollen Ansätze der fünfziger Jahre sich nicht zu entfalten vermochten und der Weltkirchenrat im Laufe der vergangenen fünfzig Jahre alles getan hat, um sein ursprüngliches, genuin christliches Anliegen im Interesse einer Welteinheitsreligion freiwillig preiszugeben.

Dafür gibt es verschiedene Gründe: Zunächst war – und ist es teilweise noch immer – ein erhebliches Problem die in Jahrhunderten gewachsenen Traditionen und Institutionen der verschiedenen Kirchen in aller Welt im Sinne der angestrebten Einheit in Übereinstimmung mit dem Aufbau neuer politischer, gesellschaftlicher und kirchlicher Ordnungen in der Dritten Welt in Übereinstimmung zu bringen. Viele europäische Kirchen sind nach dem Zweiten Weltkrieg in eine bis heute andauernde Identitätskrise wegen ihrer "engen Bindungen" an das bürgerlich-imperialistische "System" geraten, insbesondere im Blick auf die mit der Kolonialpolitik verbundene Missionsgeschichte.

Niemand wird berechtigte Ansatzpunkte der Kritik am Verhalten der europäischen Kirchen im 19. und 20. Jahrhundert bestreiten wollen. Zu bemängeln war und ist nur, daß der Weltkirchenrat aus der Kritik an mangelnder Distanz der Kirchen zu den politischen Mächten der Kolonialisierung nun, gewissermaßen als Akt tätiger Reue, in ständig wachsendem Maße die Unterstützung der politischen Mächte der Entkolonialisierung rechtfertigte; einerseits theologisch durch die sogenannte Befreiungstheologie, andererseits politisch-wirtschaftlich durch das sogenannte Antirassismusprogramm, aus dessen Sonderfond Gelder an die "nationalen Befreiungsarmeen" bzw. Guerilla-Organisationen flossen. Dabei ließ sich der Weltkirchenrat auch nicht durch die Tatsache irritieren, daß manche der unterstützten Bewegungen eindeutig kommunistisch organisiert und orientiert waren, nach der "Befreiung" grausame Menschenrechtsverletzungen verübten und einigermaßen funktionsfähige Wirtschafts- und Sozialsysteme innerhalb kurzer Zeit nach kommunistischer Manier ruinierten.

Musterbeispiel war die fast drei Jahrzehnte andauernde Boykottkampagne gegen Südafrika, die im wesentlichen vom Weltkirchenrat betrieben wurde. Menschenrechtsverletzungen in den "befreiten" Ländern der Dritten Welt oder gar im Ostblock waren für den Weltkirchenrat keine Veranlassung, den in den sechziger Jahren eingeschlagenen Kurs kritisch zu überdenken, was zumindest als passive Unterstützung der kommunistischen Weltbewegung während des Kalten Krieges verstanden werden mußte. Selbstverständlich ist diese Haltung immer aus "humanitären Gründen" gerechtfertigt worden, was nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß damit menschenverachtende Systeme verharmlost und letztlich stabilisiert wurden.

Gleichzeitig hat der Weltkirchenrat auf diese Weise aber maßgeblich dazu beigetragen, die westlichen Normen- und Formengefüge zu destabilisieren und damit den Prozeß der Entchristlichung des Abendlandes zu begünstigen. Die christliche Heilsbotschaft ist kaum noch vernehmbar; dafür um so stärker die utopisch-ideologischen Visionen einer synkretistischen Welteinheitsreligion, für die es keine biblische Verheißung gibt.

Nicht in Deutschland, aber in anderen Ländern regt sich in den Kirchen deutlicher Widerstand gegen die Fortsetzung der ökumenischen Bewegung auf diesem Irrweg. Es kennzeichnet die innere Verfassung der Genfer Ökumene, daß die orthodoxen Kirchen Osteuropas nur mit sehr deutlichen Vorbehalten zur Jubiläums-Vollversammlung des Weltkirchenrates im Dezember dieses Jahres nach Harare kommen und nicht bereit sind, an allen gemeinsamen Gottesdiensten und Gebetsversammlungen teilzunehmen. Das Verständnis für diese auf Abgrenzung zielende Haltung wächst in anderen Kirchen – und damit die Hoffnung, daß das Schiff der Ökumene, um an das bekannte Symbol anzuknüpfen, allmählich aus den Strudeln und Untiefen, in die es hineingeraten ist, wieder herausmanövriert werden kann und zum alten Kurs zurückfindet.


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