© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/98 04. September 1998

 
Eiskalte Abfuhr
von Albrecht Eichsfelder

"Es gibt ja noch das Preußische Kammergericht", pflegte man zur Zeit Friedrichs des Großen zu sagen, wenn eine gerechte Sache vor den örtlichen Gerichten scheinbar hoffnungslos unterlegen war. Das Berliner Verwaltungsgericht hat nun in seiner jüngsten Entscheidung über die Beobachtung der Republikaner durch den Berliner Verfassungsschutz klargestellt, daß es noch eine Justiz gibt, die in der Lage ist, sich von den Hysterien des politischen Tagesgeschäftes fernzuhalten, und nur dem nüchternen Geist des Gesetzes folgt. "Eine Rechtsgrundlage für eine weitere Beobachtung liegt nicht vor", stellt das Gericht lapidar fest – und Argumente seien nicht präsentiert worden. Eine eisigere Abfuhr für die Willkür staatlichen Handelns hat es selten gegeben. Das Urteil war überfällig und wird lediglich von der linken und linksliberalen Presse als Sensation gewertet.

Man mußte den Republikanern nicht nahestehen, um zu bemerken, daß die gelieferten Hinweise und Anhaltspunkte auf die Verfassungsfeindlichkeit der Partei immer schwammiger wurden. Wie vorgefaßt diese Meinungen oft waren und von wie wenig empirischen Erkenntnissen getrübt, offenbarte auch die Tatsache, daß die Vertreterin des Landesamtes sogar zugeben mußte, das aktuelle Parteiprogramm nicht gelesen zu haben. Deutlicher kann man den Unwillen, die Realität zur Kenntnis zu nehmen wohl kaum äußern. Nur schwer scheinen sich manche Landesämter für Verfassungsschutz mit der Tatsache abzufinden, daß Verdachtsmomente und Verdächtigungen auf Dauer nicht ausreichen, um um eine Partei als extremistisch zu brandmarken. Zu deutlich ist auch, daß bestimmte Landesämter in einigen Fällen ihr politisches Süppchen gekocht haben, um den ihnen nahestehenden Parteien lästige Gegner vom Leibe zu halten. Ein solches Ansinnen wird selbstverständlich vom Grundgesetz nicht gedeckt und muß als das angeprangert werden, was es ist: als verfassungsfeindlich. Zukünftig wird eine genauere personelle Kontrolle der Landesämter vonnöten sein. Es muß sichergestellt werden, daß der Verfassungsschutz zum Schutz der Verfassung gebraucht wird – und nicht zur politischen und moralischen Diskreditierung des politischen Gegners.

Der Gerichtsentscheid könnte dazu ein Anfang sein. In Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein wird es wohl demnächst ähnliche Vorstöße geben wie den in Berlin. "Ein Urteil zum ungünstigsten Zeitpunkt", nannte die Süddeutsche Zeitung den Gerichtsentscheid – und stellt damit selbst ein durchaus problematisches Verhältnis zur Dritten Gewalt unter Beweis. Wann hätten sie’s denn günstigerweise gern mit der Gerechtigkeit?


 
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