© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/98 04. September 1998

 
Comics: Das neue Buch von Walter Moers zeigt die Nachkriegsgeschichte Hitlers
Lachen über den Führer
von Jürgen Hatzenbichler/Sven Fuchs

Du liebe Güte! Das hat Deutschland gerade noch gefehlt: Adolf Hitler als Comic. "Äch bin wieder da!" grüßt ein hageres Männlein mit dem obligatorischen Menjou-Bärtchen die Jugend der Reichspostmoderne. Darf man das? Walter Moers, der Zeichner von "Adolf, die Nazi-Sau" meint, ja. Und Tucholsky wußte darauf schließlich die heute jedem Comedy-Klippschüler von RTL bekannte Antwort: "Satire darf alles!" Tucholskys Nachfolger sind da im Durchschnitt etwas vorsichtiger. Denn die Geschichte – und wie man weiß, gerade die deutsche – ist bekanntlich ein Tretminenfeld. Schon so mancher Historiker ist darin umgekommen. Nur die Zeichner von Comics scheinen aus dem Gefahrenbereich lebend herauszukommen. Moers aber scheint Explosivstoffe geradezu zu suchen. Guter Geschmack? Bitte nicht!

Die Zeiten, als Moers noch für die Kinderstunde und "Die Sendung mit der Maus" mit herzigen Harmlosigkeiten wie Käpt’n Blaubär und Hein Blöd den Sonnenschein ins Haus brachte, sind vorbei. Inzwischen landen seine Elaborate eher auf der Liste der jugendgefährdeten Schriften. Zu Recht, wie viele meinen. Den Verkaufszahlen tut das freilich keinen Abbruch.

"Adolf" wurde zunächst in einer Auflage von 10.000 Stück gedruckt und erlebte binnen kürzester Zeit die dritte Auflage. Das Presseecho ist groß: Die Frankfurter Allgemeine schrieb ebenso über die Hitler-Bildgeschichte wie das amerikanische Time-Magazine.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland, vertreten durch Michael Friedmann, bekannte sich dazu, daß er das Holocaust-Comic "Maus" des Amerikaners Art Spiegelman bevorzugt. Denn Moers sei irgendwie doch zu harmlos, wie Friedmann glaubt: "Die Verflachung bei Moers wirkt gegen seinen eigenen Anspruch. Wo einem das Lächeln im Hals gefrieren sollte, gefriert es nicht genug. Es müßte den Leser schaudern, daß er gelächelt hat." Darf man über Hitler lachen? Das ist wohl die gefährliche Frage. Der Eichborn-Verlag gibt sich da weniger pädagogisch. Er muß das Zeug schließlich verkaufen. Nicht umsonst lautet daher die Werbelinie: "Darf man sich über Nazis lustig machen? Nein. Man muß." Vor einigen Jahren jedenfalls wäre so ein Comic noch nicht möglich gewesen.

Angefangen hatte alles in der linken Satirezeitschrift Titanic, die in letzter Zeit überhaupt gerne die Nazis bearbeitet, so auch in der ständigen Rubrik "Der Führer privat". Dort erschien die Kurzgeschichte "Ein Abend mit mehreren Symbolen", in der sich Hitler und die Sänger Prince und Michael Jackson treffen. Dann folgten noch ein paar Strips. Und jetzt das "Adolf"-Buch. Das ist wirklich nichts für zartbesaitete Zeitgenossen.

Die Geschichte ist einfach, kompliziert und skurril zugleich. Eine Geschichte, die das zweite Leben schrieb: Der Führer hat sich in der Kanalisation versteckt, den Zweiten Weltkrieg überlebt und taucht wieder auf. Ein Tama-gotchi bringt er um, auf der Flucht findet er Hermine Göring, den geschlechtsumgewandelten Reichsmarschall, hat eine Affäre mit ihr und wird Crack-süchtig ("Äch brauche mehr Kräg…"). Er ist der Fahrer, erfahren wir von Moers, der Prinzessin Diana und Dodi auf dem Gewissen hat. Dann wird er von Außerirdischen entführt, die den idealen Menschen züchten wollen. Nachdem Hitler als Godzilla-Ersatz Hiroshima geplättet hat, will Lady Di, die entgegen allen Pressemeldungen überlebt hat, gemeinsam mit ihm die Welt vernichten.

Den "Führer" begeistert das nicht: "Einerseits… ein neuer Weltkräg wäre eine neue Chance… Andererseits… Weltkräg hab’ ich schon gemacht, das äst also keine echte Herausforderung." So weit, so schlecht.

Die wirklichen Adolf-Fans finden’s freilich ebensowenig komisch wie der stramme Antifaschist. Autor und Verlag werden mit Drohbriefen eingedeckt. Die werden das angesichts des finanziellen Erfolgs wohl verkraften. Auch den "Führer" stört das nicht: "Äch hätte Rossland besser öber die Flanke angreifen sollen…" Allein das garantiert noch Fortsetzungen über einige Jahre.


 
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