© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/98 11. September 1998

 
Wahlkampf: Der Vorsitzende der Republikaner lehnt ein Bündnis der Rechtsparteien ab
"Wir stehen nicht rechtsaußen"
von Dieter Stein

Herr Schlierer, warum treten bei der Bundestagswahl so viele rechte Listen an?

SCHLIERER: Weil es bei den ernstzunehmenden Rechtsparteien offenbar einige gibt, die sich die Zersplitterung des rechten Lagers zur Aufgabe gemacht haben. Hierzu zähle ich insbesondere die DVU. Der Beweis ist mittlerweile schwarz auf weiß nachzulesen: Die DVU spricht sich für die Altparteien aus und versucht, das Stimmenpotential in Bayern unter den Kleinstparteien aufzusplittern. Hier muß man fragen, ob nicht Leute unterwegs sind, die im Auftrage der Altparteien handeln.

Was sind die größten Unterschiede zwischen Republikanern einerseits und DVU oder Bund Freier Bürger andererseits?

SCHLIERER: Weder der BFB noch die DVU sind inhaltlich profiliert. Unterschiede sind nur anhand der Vorsitzenden festzustellen, da der BFB insbesondere in Bayern in das Fahrwasser der DVU gekommen ist. Er versucht so, Stimmen zu sammeln. Das wird aber nicht gelingen, da die Glaubwürdigkeit unter so einer Aktion leidet. Als Konsequenz findet beim BFB jetzt ein Aderlaß statt.

Umgekehrt wird aber auch gesagt, daß nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt Leute die Republikaner in Richtung DVU verlassen haben.

SCHLIERER: In Thüringen haben uns eine Handvoll Leute in Richtung DVU verlassen. Aber die Rechnung der DVU, besonders mit ihrem Spitzenkandidaten in Bayern, Mitglieder rüberzuziehen, ist nicht aufgegangen. Es hat eher dazu geführt, den Leuten die Augen zu öffnen. Außerdem gibt es das Sprichwort, "Frankreich liebt den Verrat, aber nicht den Verräter" – und deshalb ist der Versuch, uns auszuzehren, ein Schlag ins Wasser gewesen.

Warum soll man in Bayern eigentlich Republikaner statt CSU wählen?

SCHLIERER: Der zentrale Unterschied ist der, daß die CSU entgegen allen Bekundungen eine Bonner Regierungspartrei ist. Sie hat den Euro-Kurs von Kohl mitgetragen, sie hat ihre eigenen Bauern an die EU verraten. Entgegen allen markigen Sprüchen von Herrn Beckstein hat sich die CSU in der inneren Sicherheit von der SPD vorführen lassen. Also wenn man eine Partei wählen will, die noch nationale Interessen vertritt, die in Bayern noch bayerische Interessen vertritt, und die sich vor allem gegen den Ausverkauf des Landes an die EU wehrt, dann muß man Republikaner wählen.

Was ist, wenn es den Republikanern nicht gelingt, in den Bayerischen Landtag einzuziehen?

SCHLIERER: Darüber mache ich mir erst nach dem 13. September Gedanken.

Meinen Sie, daß Sie bei der bundesweiten Materialschlacht mit Frey mithalten können?

SCHLIERER: Ich glaube nicht, daß der Wahlerfolg ausschließlich vom Geld abhängt, sondern auch davon, daß sich die Leute die Aussagen der Parteien ansehen. Die Republikaner haben den Vorteil, daß sie im Gegensatz zur DVU in fast allen Wahlkreisen zur Bundestagswahl mit Direktkandidaten antreten, also eine Partei mit Gesicht sind. Ich bin mir sicher, daß es nach den Entwicklungen der letzten Wochen für die Leute auch wichtig ist, zu sehen, wen sie wählen, und nicht, welches Protestlogo irgendwo auf Plakaten steht.

Wie bewerten Sie die Konfrontation mit Ihrem ehemaligen Vorsitzenden Schönhuber als DVU-Spitzenkandidat in Bayern?

SCHLIERER: Herr Schönhuber soll sich demontieren, soviel er will. Eine Rolle wird er in der Politik nicht mehr spielen, und sein Wunsch, noch einmal in ein Parlament zu kommen, wird mit Hilfe der DVU auch nicht Wirklichkeit werden.

Wie erklären Sie sich, daß die Integrationskraft auf der Rechten so schwach ist?

SCHLIERER: Das entscheidende Problem ist, daß der deutschen Rechten ein solides ideologisches Fundament fehlt. Es besteht keine Klarheit darüber, was man will. Es gibt allenfalls Gemeinsamkeiten in der Ablehnung gewisser Mißstände – und das reicht nicht aus. Es muß eine gemeinsame Zielvorstellung entwickelt werden, damit man auch über einen möglichen gemeinsamen Weg sprechen kann.

Können Sie sich vorstellen, daß alle an einem Tisch sitzen, die sich national nennen?

SCHLIERER: Nein, denn die Vorstellungen bei jenen, die sich Patrioten nennen, gehen sehr weit auseinander. Das läßt sich an der Positionierung gegenüber der Demokratie deutlich machen. Wenn eine Partei zur außerparlamentarischen Opposition und zur Systemüberwindung aufruft, ist klar, daß von jenen, die auf dem Boden unserer Verfassung stehen, mit solchen Leuten keine gemeinsame Linie gefunden werden kann.

Wie reagieren Sie auf das Phänomen der erstarkenden rechten Jugendkultur?

SCHLIERER: Zunächst haben wir natürlich auch registriert, daß sich Jugendliche immer weniger von dem Gutmenschentum und der falschen Moral der politischen Korrektheit beeindrucken lassen. Andererseits ist das Verhalten vieler Jugendlicher, gerade in Mitteldeutschland, Ausdruck einer tiefen Orientierungslosigkeit, die auch mit dem Angebot von Kameradschaft, mit Anwendung von Gewalt, mit Saufexzessen nicht gestillt werden kann. Wir bieten da eine Antwort, wir haben uns in den letzten Monaten bemüht, unsere Arbeitskreise der Republikanischen Jugend zu stärken und damit jungen Leuten anzubieten, durch konkrete politische Mitwirkung auch an den Verhältnissen direkt etwas zu ändern und nicht mit blindem Aktionismus zu reagieren. Wir wollen eine Mischung anbieten, zwischen konkreter Politik und einem Freizeitangebot, die junge Leute anspricht, die nach etwas suchen, das Ihnen in dieser problematischen Zeit fehlt.

Wie kommt es beispielsweise dazu, daß sich Jugendliche begeistern für schwarz-weiß-rote und nicht für schwarz-rot-goldene Fahnen?

SCHLIERER: Das ist für Jugendkulturen typisch: die Provokation. Man weiß genau, daß man mit der Reichskriegsflagge oder einschlägigen Symbolen die Leute ärgern kann. Eine Identifikation mit konkreten Inhalten ist damit nicht verbunden. Das kann man schnell feststellen,wenn man nämlich diese Jugendlichen über die Geschichte dieser Trikolore befragt, dann wissen sie so gut wie nie, um was für eine Fahne es sich dabei handelt, woher die Farben kommen. Genauso verhält es sich bei vielen Symbolen, die benutzt werden, um Erwachsene zu provozieren.

Sie haben jetzt Prozesse um die Überwachung durch den Verfassungsschutz gewonnen, zuletzt vor dem Verwaltungsgericht in Berlin. War das eine besondere Situation?

SCHLIERER: Wir haben die gleiche Ausgangslage auch in anderen Bundesländern, weil die Verfassungsschutz-Landesämter voneinander abschreiben. Wir haben dafür in den Akten des Berliner Verfahrens einen Beweis gefunden. Es ist zwar legal, aber es ist nicht legitim, nur auf Nachrichten aus anderen Bundesländern hin die Überwachung der Republikaner aufzubauen. Schon deshalb wird diese Überwachung vor den Gerichten nicht standhalten.

Wirkt sich die Erwähnung in den Berichten des Verfassungsschutzes in der Parteiarbeit aus?

SCHLIERER: Es gibt Geschäftsleute, aber auch Beamte bis hin zu Soldaten in der Bundeswehr, die sich dadurch unter Druck gesetzt fühlen. Indem wir nun im Rahmen von Prozessen die rechtswidrigen Methoden des Verfassungsschutzes aufdecken, entlasten wir die Mitglieder. Wir geben aber auch ein Signal nach außen, daß man bei den Republikanern Mitglied werden kann.

Wie grenzen Sie Ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen von denen anderer Rechtsparteien ab?

SCHLIERER: Der BFB hat eine wirtschaftsliberale Vorstellung, die NPD verfolgt den dritten Weg – und die DVU hat überhaupt kein Wirtschaftsprogramm. Wir bekennen uns dagegen klar zur sozialen Marktwirtschaft, wir sagen aber auch, daß wir in der bevorstehenden Herausforderung Globalisierung die soziale Marktwirtschaft nicht zugunsten eines Manchester-Kapitalismus preisgeben dürfen. Wir müssen darauf achten, daß die sozialen Errungenschaften gesichert werden. Das liegt im nationalen Interesse. Die Solidargemeinschaft Nation muß der Maßstab sein.

Wie positionieren Sie sich im politischen Rechts-links-Schema?

SCHLIERER: Die Gesäßgeographie aus der französischen Nationalversammlung reicht schon lange nicht mehr. Die Republikaner waren schon in der Vergangenheit eine Partei, die nicht als Abspaltung der Unionsparteien zu verstehen war, sondern eine Partei, die stets ihre Stimmen, ihre Wähler eher aus dem Kreis der Sozialdemokratie gezogen hat. Wir haben sogar mit unserem ökologischen Engagement, das praktizierten Konservatismus darstellt, bisweilen die Grünen attackieren könne. Die Position der Republikaner ist mit "rechts" allein ungenügend beschrieben.

Sie sind also nicht der potentielle Koalitionspartner der Union?

SCHLIERER: Es gibt Positionen, etwa im Bereich der Ordnungs- und Sicherheitspolitik, bei denen wir am ehesten mit den Unionsparteien Gemeinsamkeiten haben. Wir haben aber in der Sozialpolitik weit mehr Gemeinsamkeiten mit der SPD, und es gibt auch "grüne" Politikfelder. Die Übereinstimmung muß man an der Sache selbst festmachen, nicht als generelle Koalitionsaussage.

Persönlich gelten Sie bisweilen als kühl, sogar arrogant. Gehen Sie ungern auf Menschen zu?

SCHLIERER: Im Gegenteil, mir macht auch der Wahlkampf viel Freude, gerade weil ich mit sehr vielen Menschen in Kontakt komme. Ich habe auch den Vorwurf in den letzten beiden Jahren nicht mehr gehört. Ich habe sogar den Eindruck gewonnen, daß die Sympathie, die mir bei den Wahlveranstaltungen begegnet, das Gegenteil beweist.

Wenn Ihre Partei den Einzug ins Berliner Parlament verpaßt, ziehen Sie sich dann zurück?

SCHLIERER: Darüber werde ich mit meinen Freunden erst nach der Wahl nachdenken. Sicher ist, daß die Wahlen sowohl in Bayern wie im Bund für die Republikaner eine Weichenstellung bedeuten.

Dr. Rolf Schlierer wurde 1955 in Stuttgart geboren. Er studierte nach dem Abitur Humanmedizin in Gießen und erhielt 1979 die Approbation als Arzt. Nach dem Grundwehrdienst als Sanitätsoffizier finanzierte er durch seine Tätigkeit als Arzt ein Studium der Rechtswissenschaft und Philosophie in Tübingen. Seit seiner zweiten juristischen Staatsprüfung 1991 arbeitet er als Rechtsanwalt in einer Sozietät in Stuttgart. Schlierer, der von 1976 - 1979 Mitglied im RCDS war, trat 1987 den Republikanern bei , 1992 wurde er zum Abgeordneten des Landtages von Baden-Württemberg gewählt. Im Dezember 1994 übernahm er als Nachfolger von Franz Schönhuber den Parteisitz der Republikaner. 1996 gelang der Partei mit 9,1 Prozent der Wiedereinzug ins Parlament


 
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