© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/98  02. Oktober 1998

 
 
Bundestagswahl: Die PDS festigt im Westen ihr Fundament
Nicht nur Regionalpartei
von Hans B. von Sothen

Gysis Worte wirken triumphal. Er sieht aus wie ein Mensch, der sein Ziel erreicht hat: "Vielmehr konnten wir für Deutschland nicht tun, nämlich eine dauerhafte linke Opposition im Bundestag zu etablieren." Die PDS wird mit 35 Abgeordneten in das Bonner Parlament einziehen. Bundesweit ist sie von 4,4 auf 5,2 Prozent gewachsen. In Mitteldeutschland kann sich der Zuwachs der "Demokatischen Sozialisten", wie sie sich inzwischen selbst nennen, sehen lassen. Dort stieg ihr Stimmenanteil von 19,8 auf 21,6 Prozent. – "Wir haben auch im Westen gewonnen", verkündet stolz Parteichef Lothar Bisky, der das Konzept einer gesamtdeutschen Partei verfolgt. Doch dort ist der Zuwachs trotz allen Jubels bei genauerem Hinsehen eher schmal: Um ganze 0,2 Punkte, von 1,0 auf 1,2 Prozent ist seine Partei dort angewachsen. Eine gehobene Splitterpartei also.

Die West-Ausdehnung der PDS ist zwar nicht endgültig gescheitert, läßt aber sichtlich auf sich warten. So leben mancherorts die alten Diskussionen wieder auf, ob die PDS sich auf die neuen Bundesländer konzentrieren sollte, ob man den wegen seiner bisweilen sektenhaften Anwandlungen mißtrauisch beäugten lunatic fringe der West-PDS nicht lieber sich selbst überlassen sollte, wie dies vor allem der PDS-Kreisverband Dresden um Christine Ostrowski fordert.

Die West-Grünen werden dem diffus-linken Lebensgefühl, das im Westen vorherrscht, eher gerecht als die PDS. Die West-PDS hingegen pflegt immer noch das alte K-Gruppen-Flair der späten 70er Jahre. Ob Kommunistischer Bund (KB), Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK), diejenigen, die sich ihre Wunschvorstellung nach einer romantischen Diktatur des Proletariats beibehalten haben, sind im Westen bei der PDS zu finden. Ihre Stimmenzahl wächst bescheiden aber stetig. In manchen Universitätsstädten besteht gar die Aussicht, daß die Partei sich zu einer etablierten Kraft entwickelt.

Ein Beispiel dafür ist der nunmehr zum zweitenmal über die baden-württembergische Landesliste in den Bundestag eingezogene Winfried Wolf. Er sagte sich Ende der 70er Jahre nach einem "Studium der Theologie der Befreiung" folgerichtig von aller Religion los. Seit 1972 bis 1986 war er Mitglied der trotzkistischen Gruppe Internationaler Marxisten (GIM), die sich seit 1986 Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) nennt und sich nach wie vor für die "Schaffung einer revolutionären sozialistischen Massenpartei" einsetzt, die nach einer "revolutionären Umwälzung" die alleinige politische Macht im Staate ausüben soll. Dort ist Wolf, Chef des VSP-Organs Sozialistische Zeitung (SoZ), bis heute Mitglied (die VSP nennt sich heute "Vereinigung für sozialistische Politik"). Für West-PDSler wohl eher eine typische als eine außergewöhnliche Karriere. Ob Kommunistischer Bund, Bund Westdeutscher Kommunisten oder andere K-Gruppen, der Weg zur politischen Macht scheint jetzt auch für diejenigen, die damals den Sprung aufs grüne Schiff verpaßt haben, wieder in greifbare Nähe gerückt.

Natürlich arbeitet man mit den "Autonomen" zusammen, behindert Castor-Transporte, sympathisiert mit den "Kämpfern" von der kurdischen PKK, hängt sich an den Hanf-Zeitgeist an oder holt schon mal auf Kosten des Steuerzahlers (55.000 Mark) einen pakistanischen Asylbewerber nach Deutschland, wie die vormalige niedersächsische Grünen-Landtagsabgeordnete und frischgebackene PDS-Bundestagsabgeordnete Heidi Lippmann-Kasten. Oder man hängt ganz unkonventionell ein kopulierendes Männerpaar als Wahlkampfplakat in ostniedersächsischen Dörfern auf wie der Helmstedter PDS-Kandidat Dietrich Küssner. Für mitteldeutsche PDSler ein Greuel. Aber über das revisionistische Getue eines Lothar Bisky rümpft man bei den PDS-Wessis ohnehin nur die Nase.

Dabei hatte sich der Spiegel schon in trauter Eintracht mit dem antinationalen Zentralorgan Konkret einen Schlachtplan zurechtgelegt, wie nach der Wahl mit der PDS zu verfahren sei, die via Neues Deutschland (ND) eine Diskussion darüber angezettelt hatte, "wie national die Linke" denn sein müsse. Wäre das Wahlergebnis für die PDS auch nur etwas schlechter ausgefallen, hätten Bisky und Ostrowski sich wohl auf eine weitere "antinationale Kampagne" seitens einiger West-Medien einstellen dürfen. Freilich wird auch vermutet, daß die PDS lediglich deshalb ein paar nationale Töne zum Wahlkampf angeschlagen hat, um eine befürchtete Jungwähler-Abwanderung zu den rechten Parteien zu verhindern. Sollte dies der eigentliche Grund für die ND-Diskussion gewesen sein, dann muß das ganze Unternehmen allerdings als durchaus geglückt angesehen werden.

Eine nationale Politik wird denn von dieser PDS auch kaum zu erwarten sein. Dafür spricht schon die weitgehende Übereinstimmung mit dem linken Flügel von Rot-grün in Fragen der Liberalisierung des Asylrechts, der Frage des Ausländerwahlrechts und der doppelten Staatsangehörigkeit.


 
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