© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/98  02. Oktober 1998

 
 
Franz Josef Strauß: Ein Gespräch mit Franz Handlos, der 1983 enttäuscht die CSU verließ
Er machte Kohl das Leben schwer
von Dieter Stein

Herr Handlos, vor zehn Jahren starb Franz Josef Strauß bei einem Jagdunfall. Was sind die bleibenden Leistungen des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden?

Handlos: Die Leistungen von Franz Josef Strauß mögen zum Teil vorhanden sein, zum Teil sind sie aber nur Theorie. Insbesondere, wenn man bedenkt, daß Strauß in der Regierungszeit von Kohl ständig Querschüsse aus München gestartet hat, obwohl er seine Minister von der CSU in der Bonner Regierung hatte. Er hat damit Kohl als Bundeskanzler das Leben sehr schwer gemacht.

Sehen Sie keine Leistungen für die CSU und den Freistaat Bayern?

Handlos: Die Leistung bestand darin, daß Strauß ein klug durchdachtes System für die CSU auf Parteiebene aufgebaut hat. Dieses System der innerparteilichen Kontrolle sorgte dafür, daß es am Schluß niemand mehr in der Partei wagte, seine Meinung zu sagen, weil er von vorneherein vom "Großen Vorsitzenden" runtergebügelt worden wäre.

Gehörte dieses autoritäre Regiment nicht schon vor Strauß zur Tradition in der CSU? War das wirklich vorher anders?

Handlos: Ich glaube, daß das vorher anders war, und ich hoffe, daß das unter einem neuen Parteivorsitzenden Stoiber jetzt so bleibt, daß nicht nur einer das Sagen hat, sondern daß es wirklich demokratische Strukturen gibt.

Franz Josef Strauß hat noch 1976 Helmut Kohl in seiner berühmten "Wienerwald-Rede" als "total unfähig" bezeichnet. Wie kam es denn zu dieser Intimfeindschaft von Kohl und Strauß?

Handlos: Zu dieser Intimfeindschaft kam es deshalb, weil Strauß immer dachte, er sei der Klügere, der Gescheitere, er sei der Staatsmann von Welt und nicht Helmut Kohl. Dies war der Hauptgrund, weshalb er ständig versucht hat, Querschüsse gegen Bonn zu starten.

War diese Feindschaft mehr persönlich begründet?

Handlos: Inhaltlich gab es auf keinen Fall ernsthafte Gegensätze. Es ging lediglich um eine persönliche politische Rivalität. Weil Strauß meinte, er sei der große Staatsmann und nicht Helmut Kohl.

Was waren die politischen Leitsterne im Leben von Strauß?

Handlos: Die Ablehnung des kommunistischen Systems in der DDR, der Aufbau der Bundesrepublik Deutschland in militärischer und politischer Hinsicht, eine enge Verbundenheit zu den USA und ein engeres Zusammenrücken der europäischen Staaten. Strauß hat den einen Punkt total verraten – Widerstand gegen das kommunistische System, als er 1983 den Milliardenkredit an den Kommunisten Honecker eingefädelt hat.

Hat Sie Strauß in die CSU geholt?

Handlos: Nein. Ich bin der Jungen Union beigetreten und habe meinen Weg in der Partei vom Landtagsabgeordneten zum Bundestagsabgeordneten gemacht.

Wie kam es dazu, daß Franz Josef Strauß 1983 plötzlich mit Ost-Berlin so gut konnte und vor 15 Jahren mit dem DDR-Devisenhändler Schalck-Golodkowski einen Milliardenkredit an die DDR einfädelte?

Handlos: Strauß betrachtete sich als großen Staatsmann und wollte Genscher als Außenminister eins auswischen, indem er von sich aus diesen Milliardenkredit eingefädelt hat, der hinterher verbrämt wurde mit allen möglichen Dingen, zum Beispiel, daß als Gegenleistung angeblich die Selbstschußanlagen an der innerdeutschen Grenze abgebaut wurden. Im Gegenteil: Sie wurden abgebaut, dafür aber durch moderne Systeme ersetzt. Strauß hatte sich als großer Staatsmann verkannt gefühlt – das war der Hintergrund.

Kam Franz Josef Strauß nicht überhaupt glänzend mit Vertretern autoritärer Regime und Diktaturen klar – ob im Ostblock oder in Südamerika?

Handlos: Jaja, von seinen Erlebnissen zum Beispiel mit seinem großen Freund, Herrn Ceausescu aus Rumänien, oder anderen Diktatoren hat Strauß in den Sitzungen der CSU-Landesgruppe wiederholt erzählt.

Hätte es ihm gefallen, wenn ihm in Bayern die demokratische Verfassung weniger Hürden in den Weg gestellt hätte?

Handlos: Sicher. Er war in Bayern ja mehr oder weniger der unumschränkte Herrscher und wollte das ja auch durch den Trennungsbeschluß von Kreuth dokumentieren, bevor er den politischen Rückzug wieder antrat.

War diese kurzfristige Trennung von CDU und CSU 1978 eine gute Idee?

Handlos: Prinzipiell war das nicht schlecht. Denn wären die CSU und die CDU damals in ganz Deutschland getrennt angetreten – also getrennt marschieren und vereint schlagen –, würde die Bundespolitik politisch heute anders aussehen.

Wie ist es zu erklären, daß die CSU unter Strauß seit 1974 bei jeder Wahl Stimmen verloren hat?

Handlos: Der Vorgänger von Strauß, Ministerpräsident Goppel, war ein echter Landesvater. Goppel war von Strauß ja verdrängt worden. Strauß hatte in Bonn keine politische Zukunft mehr gesehen und wollte sich auf seinen Erbhof in Bayern zurückziehen, um von dort Opposition gegen Kohl zu machen.

Welche Bedeutung hat Strauß heute noch in der CSU?

Handlos: Keine mehr, außer daß alle Jahre seiner gedacht wird.

Sie haben 1983 die CSU als Bundestagsabgeordneter verlassen und haben zusammen mit Ihrem ebenfalls ausgetretenen Fraktionskollegen Ekkehard Voigt am 26. November 1983 die Partei "Die Republikaner" gegründet. Der später dazugestoßene Franz Schönhuber, damals Ihr Stellvertreter, verdrängte Sie 1985. Wie konnte es dazu kommen?

Handlos: Schönhuber hat mich nicht verdrängt. Mein größter politischer Fehler war, Schönhuber ins gemeinsame Boot zu nehmen. Dadurch haben die Republikaner einen Rechtsdrall bekommen, den ich nicht mittragen konnte. Ich wollte nicht das bürgerliche Aushängeschild eines Rechtsaußenvereins sein.

Wie nahe standen sich mentalitätsmäßig Strauß und Schönhuber?

Handlos: Beide waren Egozentriker und ließen nur die eigene Meinung gelten.

Wollte sich Schönhuber letztlich nicht nur für den Rauswurf durch die CSU als stellvertretender Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens bei Strauß revanchieren, in dem er parteipolitisch aktiv wurde?

Handlos: Das mag schon eine Rolle gespielt haben. Er hat dies aber nie nach außen in irgendeiner Form dokumentiert. Auch beim Bayerischen Rundfunk hat er sich offensichtlich als der Größte gefühlt, was aber nicht anerkannt wurde.

Hätten die Republikaner unter Ihrer Führung nach 1985 eine andere Entwicklung genommen?

Handlos: Garantiert. Ich wollte mit meinen Austritt und der Gründung der Republikaner ja erreichen, daß die Bevölkerung eine echte politische Alternative bei uns in Bayern und später in ganz Deutschland erhält. Das war der Hauptgrund für die Gründung der Republikaner. Die Republikaner könnten heute längst im Bayerischen Landtag sein, so wie dies in Baden-Württemberg der Fall ist, wenn sie als liberal-konservative Kraft weitergeführt worden wären.

Wie bewerten Sie den Kurs von Rolf Schlierer, dem Schönhuber-Nachfolger?

Handlos: Ich halte Schlierer für einen recht vernünftigen Parteivorsitzenden, allerdings hat man politisch nur Erfolg, wenn man überall organisatorisch – über Orts- und Kreisverbände – präsent ist. Dies ist natürlich eine Riesenaufgabe.

Mit Helmut Kohl tritt nun der große Weggefährte und Gegenspieler von Strauß von der politischen Bühne ab. Welche Zukunft liegt vor den Unionsparteien?

Handlos: Ich glaube, daß die Unionsparteien mehrere Legislaturperioden lang die Oppositionsbänke drücken werden, bevor es zu einem Stimmungsumschwung in der Bevölkerung kommt. Das Problem unter Kohl ist eben gewesen, daß die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer wurden. Das kann man schon an der Zahl der Millionäre sehen, die in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen ist.

Wird es der Union überhaupt noch gelingen, Stimmenanteile über 40 Prozent zu organisieren?

Handlos: Das ist garantiert wieder möglich. Dafür bedarf es aber eines in jeder Hinsicht voll einsatzfähigen neuen CDU-Parteivorsitzenden. In Bayern wird man sehen müssen, ob Stoiber die Doppelbelastung als Ministerpräsident und CSU-Chef bewältigen wird.

Hat sich die CSU unter Edmund Stoiber nach Strauß verändert?

Handlos: Unter dem Ministerpräsidenten Stoiber hat die CSU auf jeden Fall die starren Strukturen verloren, die sie unter Strauß hatte. Das finde ich gut.

 

Franz Handlos (60) war 1966–170 Pressesprecher der CSU im Bayerischen Landtag, 1970–72 Landtagsabgeordneter, 1972–1987 Bundestagsabgeordneter – zuletzt gewählt mit dem höchsten Direktwahlergebnis der CSU von 73,6 Prozent. 1983 verließ er aus Protest gegen den von Strauß eingefädelten Milliardenkredit an die DDR die CSU und gründete am 26. November 1983 die "Republikaner", deren Vorsitzender er bis 1985 war. Mit einer neugegründeten "Freiheitlichen Volkspartei" (FVP) scheiterte er 1986 bei der bayerischen Landtagswahl mit 0,4 Prozent der Stimmen. Ein politisches Comeback über die FDP schlug ebenfalls fehl. Heute lebt er als Autor von Reiseliteratur halbjährig in Spanien und dem bayerischen Wald.


 
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