© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/98  09. Oktober 1998

 
 
Zitate

"Bayern ist zuallererst meine Heimat, Deutschland ist mein Vaterland. (…) Und es ist meine feste Überzeugung, daß die Politik beitragen muß, die deutsche Identität zu formulieren. Wir werden die Wiedervereinigung nicht allein mit der materiellen Angleichung der Lebensverhältnisse schaffen, wir brauchen einen natürlichen Patriotismus. Vielleicht definierten wir uns in letzter Zeit zu stark über Europa. Sicher, Europa ist wichtig für unsere Zukunft, aber es kann das Vaterland nicht ersetzen. Die Ostdeutschen haben nach dieser Nation gerufen, sind aber damit im Westen auf eine eher entpatriotisierte Gesellschaft gestoßen. Leider ist auch in den Unionsparteien eine gewisse Scheu zu spüren, sich dazu bekennen. Das Bekenntnis zu Europa ist oft leidenschaftlicher als das Bekenntnis zu Deutschland."

Edmund Stoiber, bayerischer Ministerpräsident, in einem Interview mit der "Welt" vom 5. Oktober 1998

 

"Bedenkt man nur einmal die Tatsache, daß kaum ein bedeutender Schriftsteller der Bundesrepublik sich Berlin als Schreibort gewählt hat, so wird der Mangel an lebendiger Kulturpräsenz überdeutlich: Heinrich Böll lebte bei Köln, Ernst Jünger am Rand der Schwäbischen Alb, Martin Walser schreibt am Bodensee, Siegfried Lenz in Hamburg, Hans Magnus Enzensberger in München. Auch Botho Strauß oder Günter de Bruyn haben sich längst ins Umland zurückgezogen. Abwegig also die Angst, Berlin könnte durch die Verlagerung von Parlament und Regierung gleichsam über Nacht aus dem Schatten seiner Randexistenz treten, um Eliten und Kapital an sich zu ziehen. (…) Was also verbindet sich für diejenigen, die den Begriff eher optimistisch im Munde führen, mit der ‘Berliner Republik’? Warum verknüpfen so viele mit dieser Stadt die Vorstellung von Aufbruch und Zukunft? Vielleicht ist es einfach nur die erhoffte Normalisierung, die Rückkehr der Nation nach innen und außen in ihre angestammte Form, die sich ins Europäische gewendet als neue geographische Mitte darstellt."

Heimo Schwilk in der Zeitschrift "Gegengift" vom 1. Oktober 1998

 

"Als sich in den Anfängen des modernen Projekts die Völker erhoben und zu Subjekten der Geschichte zu machen suchten, da hieß es: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Mit der Freiheit – darunter der Freiheit des Produzierens und des Markts – und der Gleichheit – darunter der Wohlfahrtsstaatlichkeit – haben wir es seitdem ganz schön weit gebracht, auch wenn wir inzwischen die Unkosten deutlicher sehen. Aber das dritte ist die vergessene Dimension: Brüderlichkeit, Schwesterlichkeit, Gemeinschaftlichkeit oder – um es rot auszudrücken – Solidarität. Du zueinander sagen zu können. Insofern hätten wir das moderne Projekt noch einmal von vorn zu beginnen. Das bisherige hat uns Völkermord und ethnische Säuberungen gebracht. Genozid und Ethnozid – das Gegenteil von Brüderlichkeit. Auch deswegen halte ich mich an meine schlesische Identität – damit das nie vergessen werde. Schlesien stirbt nicht mit der alten Generation. Das indianische Amerika ist auch nicht in Wounded Knee gestorben."

Henning Eichberg in einem Interview mit der Zeitschrift "Ökologie", 3/1998

 

"Die Union verprellte zahlreiche Stammwähler: Wehrmachtssoldaten vermißten klare Worte der Union aus Bonn gegen die eine ganze Generation diskriminierende Wehrmachtsausstellung. Die Enteigneten 1945 bis 1949 warteten vergeblich selbst auf das geringste Signal versöhnlicher Gerechtigkeit. Konservative und demokratisch-nationale Wähler suchten ohne Erfolg nach neuen Identifikationsfiguren vom Format eines Alfred Dregger. Die Vertriebenen fühlten sich in ihren elementarsten Interessen im Rahmen der Ost-Erweiterung Europas an die Wand gedrückt. Und letztlich gab es da noch die Gruppe der Zyniker im Mittelstand (…) Vier Jahre Zeit für eine personelle und geistige Erneuerung – wird die CDU diese Frist nutzen?"

Uwe Greve in der Zeitschrift "Gegengift" vom 1. Oktober 1998.


 
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