© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/98  16. Oktober 1998

 
 
Helotenstolz
von Peter Lattas

Wenn Rom es befiehlt, eilen die Hilfsvölker zu den Waffen. Erst recht keine Überraschung ist die vielbejubelte "Kontinuität". Das rot-grüne Duo, eben erst vom Einnorden aus Washington zurück, trägt den von den Amerikanern geforderten Einsatz deutscher Kampfflugzeuge nahtlos mit.

Zweimal wurde Belgrad im Zweiten Weltkrieg verheerend bombardiert: Im April ’41 von den Deutschen, drei Jahre später – am orthodoxen Ostersonntag – durch die Angloamerikaner. Aber diesmal dürfen die Deutschen auf der "richtigen" Seite mitbomben. Welch ein Glück für Bonner Seelen. Wer könnte sich da entziehen? Der "alte" Bundestag, der an diesem Freitag den Einsatz absegnen soll, wohl genausowenig wie der neue. Schröder hätte sich gar nicht hinter den alten Mehrheiten verstecken müssen: Die "realpolitischen" Schlaumeier, die sich lieber von früher hochgehaltenen Prinzipien trennen als von der Aussicht, auf bequemen Bonner Regierungssesseln zu agieren, bilden auch bei Rot-Grün eine allzeit sichere Mehrheit.

Pseudo-Widerstand kommt im Kartell der Etablierten nur noch von einigen Grünen. Dort pocht man – im Einklang mit der UN-Charta – auf einen förmlichen UNO-Auftrag an die Nato zur militärischen Durchsetzung der Resolution 1199, die die Einstellung der Kampfhandlungen und den Abzug der serbischen Sondertruppen fordert. Die USA rechtfertigen ihren geplanten Bruch des völkerrechtlichen Gewaltverbots mit der fadenscheinigen Konstruktion, "Gefahr im Verzug" erfordere sofortiges Handeln. Nachdem man die planmäßigen serbischen Säuberungen im Kosovo monatelang tatenlos mitangesehen hat, klingt dies in der Tat kurios. Das störrische "Nicht ohne meinen UN-Sicherheitsrat" ist indes eine Scheindebatte: Mag sein, daß der UNO-Club die Interessen der von den Amerikanern ausgebremsten anderen Siegermacht, Rußland, besser berücksichtigen würde – doch was würde dies für Deutschland ändern? Eine Opposition, die aus nationalem Interesse dem amerikanischen Weltpolizisten die Handlangerdienste verweigert, fehlt im alten wie im neuen Bundestag.

Das Ergebnis ist vorhersehbar: Milosevic wird gestärkt; für das Ausland bleibt er, weil er "eingelenkt" hat, der einzige Garant für "Stabilität" in der Region. Die serbischen Truppen, die mit der Niederschlagung des Albaneraufstands schon so gut wie fertig sind, werden pro forma abgezogen, Serbien behält das Kosovo noch zehn oder zwanzig Jahre länger. Die USA haben mit Hilfe der Nato militärisch den Fuß auf jugoslawisches Territorium bekommen und sind von Westen näher an das Schwarze Meer gerückt. Und die Deutschen haben ihnen wieder mal den Hilfssheriff gespielt. Aber darauf braucht nun wirklich niemand stolz zu sein.


 
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