© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/98  16. Oktober 1998

 
 
Medien: Hans Dichand, Herausgeber der "Kronen-Zeitung", über die Macht der Presse
"Unabhängig nach allen Seiten"
Andreas Mölzer

Herr Dichand, die "Kronen-Zeitung" ist im europaweiten Vergleich der Printmedien ein Phänomen, was die Dichte der Leserschaft betrifft, aber auch was die Akzeptanz betrifft. In Spitzenzeiten erreichen Sie nahezu jeden zweiten Österreicher. Wie ist dieses Phänomen zu erklären?

Dichand: Darüber rätseln viele, und selbst wir sind erstaunt darüber, daß wir, obwohl wir glauben, den Plafond längst erreicht zu haben, immer wieder weiter steigen. Ich glaube, es sind einige Punkte, die das Geheimnis unseres Erfolges bilden: An erster Stelle ist sicherlich die Unabhängigkeit zu nennen. Eine Unabhängigkeit nach allen Seiten. Wir grenzen nicht aus, damit haben wir uns schon unterschieden von eigentlich allen anderen Zeitungen in Österreich. Damit waren wir anders, und dieses Prinzip, anders zu sein, gehört zu unseren Grundsätzen. Wir leben die direkte Demokratie, an der es bei uns so fehlt. Ich habe ja viel erlebt, was die Parteien, die Politiker immer in einer geradezu törichten Weise falsch gemacht haben und wo sie vom Volk korrigiert worden sind. Denken wir nur daran, daß es einen Unterrichtsminister gegeben hat, Dr. Hurdes, der die deutsche Sprache abschaffen wollte und einfach befohlen hat, daß in den Zeugnissen der Unterrichtsgegenstand Deutsch "Unterrichtsprache" genannt werden sollte. Es hat einen Sturm der Entrüstung gegeben, und er ist weggefegt worden. Ich könnte jetzt über andere Politiker alle möglichen Dinge anführen. Aber was Ihre Frage betrifft, das Geheimnis des Erfolges der Kronen Zeitung ist wohl, daß wir die direkte Demokratie pflegen, daß wir meinen, die Politiker haben sich vom Volk, von ihren Wählern entfernt und entfernen sich immer wieder, und da greifen wir korrigierend ein. Dort üben wir schon Macht aus für unsere Leser, aber nicht für uns. Deshalb meine ich, als Journalisten halten wir uns im Vorhof der Macht auf.

Ihre Biographie heißt "Im Vorhof der Macht". Nun sagen viele Kenner der österreichischen Szene, es gibt keinen einflußreicheren Zeitungsmacher als Hans Dichand. Ist das wirklich nur der Vorhof der Macht?

Dichand: Ich kann einfach mit Macht nichts anfangen. Wissen Sie, an Macht, da bin ich nicht interessiert, da streichle ich lieber unseren Hund daheim. Aber Macht auszuüben für die Leser, für die wir dasein wollen, das ist eine ganz andere Sache. Da wirft man uns manchmal vor, daß wir den Menschen, den Lesern nach dem Mund reden. Das ist aber nicht der Fall. Wir wollen ihnen voraus sein, ihnen andere Seiten aufzeigen, die sie sich vielleicht nicht überlegt haben. Wir reden ihnen nicht nach dem Mund. Wir wollen ihnen aber auch nicht so weit voraus sein, daß sie da nicht mitkommen, wie das verschiedene Zeitungen tun, die zum Beispiel für Nitsch eingetreten sind oder für den Cornelius Kolig, für seine Fäkalkunst. Das lehnen wir vollkommen ab. Das sind Entgleisungen, Zeichen einer Zwischenzeit, einer orientierungslosen Zeit, in der wir leben und die wir überwinden müssen. Darin sehen wir unsere Aufgabe.

Demnach verstehen Sie die "Kronen Zeitung" also als Volkszeitung und auch als Hüterin von Werten?

Dichand: Sicherlich als einen Hüter von Werten wohl auch. Es ist notwendig, gewisse Werte zu hüten, die aus unserem Christentum kommen, aus einem Humanismus, der sich bei uns entwickelt hat. Jedenfalls sind es Werte und Grundsätze, von denen wir glauben, daß wir sie im Sinne des Denkens und Fühlens einer breiten Masse von Menschen vertreten.

Die Printmedien wurden in den letzten Jahrzehnten mehrfach für tot erklärt. Das Fernsehen, die elektronischen Medien, jetzt das Internet sollten sie ablösen. Wie sehen Sie die Zukunft der Zeitung und des gedruckten Wortes?

Dichand: Da habe ich eine Meinung, die auch sehr abweicht von der üblichen. Ich glaube nämlich, es gibt für Zeitungen eine Zukunft. Aber sie wird nicht bei den Boulevardblättern liegen. Nicht die Boulevardblätter werden sich weiterentwickeln können, weil die geschlagen werden vom Fernsehen. Boulevardblätter bieten in erster Linie wenig Text und viele Bilder. Damit kann man aber die Beweglichkeit, die Dynamik, die größere Aktualität der elektronischen Medien nicht schlagen. Aber wo es um Information geht, wo es um ein gewisses Niveau geht, dort werden Zeitungen einfach notwendig sein. Ich meine Zeitungen vom Typ der Frankfurter Allgemeinen und der Süddeutschen, vom Typ der Presse, wenn ich an ihre Tradition denke, die eine liberale Tradition war, und nicht eine Zeitung, die Wirtschaftsverbänden oder einem katholischen Presseverein gehört: In diese Hände gehört diese Zeitung nicht, und so ist sie auch nie aus der Krise herausgekommen. Die Zeitungen haben Zukunft, aber ein bestimmter Typ von Zeitungen. Nicht die Boulevardblätter, und dabei möchte ich sagen, wir von der Kronen Zeitung sind kein Boulevardblatt, wir sind ein Typ, der sich in Österreich entwickelt hat. Wir werden im Jahr 2000 hundert Jahre alt. Wir sind eine Volkszeitung, die danach strebt, auch ein gewisses Niveau zu haben. Unsere Redakteure schreiben mehr Bücher neben ihrer Arbeit als in irgendeiner anderen Redaktion. Leute von uns wie etwa Ernst Trost, aber auch andere, könnten leicht bei der Frankfurter Allgemeinen Redakteur sein.

Man kolportiert ja immer, eine Ihrer Lebensträume wäre es gewesen, die "Presse" zu führen. Gibt es diesen Traum noch immer?

Dichand: Es hat diesen Traum gegeben, und träumen kann man ja immer weiter. Aber es ist allmählich spät geworden, und es ist nicht mehr konkret, eben eher eine Vision. Neben der Kronen Zeitung, die ja Geld verdient, eine große gute Zeitung einmal in Österreich zu machen, eine Zeitung von besonderem Niveau, wäre reizvoll. Ich glaube, daß die Krone ein gutes Niveau hat, ich glaube, daß in der Krone auch Dinge stehen, die auch wirklich in einer der ganz großen Zeitungen, international gesehen, stehen könnten, aber eine Zeitung für eine Elite, von der ich glaube, daß sie sich allmählich herausbildet durch die bessere Schulbildung, das höhere geistige Niveau, so eine Zeitung wird notwendig sein in Zukunft. Wie die Presse. Nicht, wie sie ist, sondern wie ich sie mir vorstelle. Da wären diese zwei Zeitungen Krone und Presse, sie könnten sich wunderbar entwickeln. Davon habe ich immer geträumt, habe es auch manchmal laut gesagt. Und man hat mir immer gesagt: ja freilich, Sie können sie uns abkaufen, aber hergegeben hat man sie nie, weil man an Zeitungen, ob sie was bringen oder nicht, hängt, wenn man Politiker ist.

Zu den elektronischen Medien: Wie sehen Sie die Zukunft des Privatfernsehens in Österreich?

Dichand: Das ist ein sehr eigenartiges Problem, wo wir auch wieder anders denken als die anderen. Wie die Situation heute ist, sind die Politiker gegen ein privates Fernsehen, schieben die Lösungen immer wieder hinaus. Aber auch die Zeitungen sind dagegen, weil sie fürchten, daß sie Schaden erleiden könnten. Der Werbekuchen hat eine bestimmte Größe, und wenn da wer dazukommt und von dieser Werbung etwas haben will, und das sind eben die privaten Fernsehsender, dann geht das den Tageszeitungen unter Umständen ab. Deshalb sind nur wir dafür. Ich sehe das durchaus, daß die Tageszeitungen Schaden erleiden könnten durch privates Fernsehen. Aber dennoch glaube ich, daß privates Fernsehen notwendig ist in einem Land, das Wert legt auf Meinungsfreiheit, auf Pressefreiheit.

Die "Kronen Zeitung" prägt wie kein anderes Medium auch die Identität des Landes. Was wünschen Sie sich für das neue Jahrhundert für dieses Land und für seine Entwicklung?

Dichand: Ich, der ich die 30er Jahre mitgemacht habe und gesehen habe, welchen Schaden ein Land erleidet, wenn es extreme Entwicklungen gibt, wünsche mir friedliche Entwicklungen, Konsens zwischen den Parteien, nicht das Ausgrenzen starker Gruppen, und eher ein Miteinander als ein Gegeneinander. So, glaube ich, müssen wir in das neue Jahrtausend gehen.


Hans Dichand
ist Herausgeber und Mehrheitseigentümer der in Österreich erscheinenden "Kronen-Zeitung", die nach jüngsten Media-Analysen mehr als 42 Prozent aller Österreicher erreicht. Der gebürtige Grazer und Kriegsteilnehmer war zuerst bei einer obersteierischen Lokalzeitung tätig, dann bei der "Kleinen Zeitung" in Graz, bevor er schließlich die "Kronen-Zeitung" kaufte und zu einer medial-politischen Erfolgsgeschichte machte. Hans Dichand ist einer der bedeutendsten Kunstsammler des Landes und Autor einer Reihe von Büchern.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen