© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/98  16. Oktober 1998

 
 
Medien: In den öffentlich-rechtlich Sendern zählt die Parteizugehörigkeit
Abweichler stehen auf der Straße
Kai Guleikoff

Das Getöse der Medienschlacht um die "Jahrhunderwahl" ist verklungen. Geblieben ist die Frage: "Wie steht es um die Pressefreiheit in Deutschland?" Wer die Gesprächsrunden, Werbeeinblendungen der Parteien und Stellungnahmen der gesellschaftlichen Prominenz in diesem "Schicksalsjahr" aufmerksam verfolgt hat, wird deutlich die Unausgewogenheit zwischen den Etablierten und den Neulingen in der Politik bemerkt haben.

Vertreter der sogenannten Rechtsparteien wie Republikaner, DVU und NPD wurden erst gar nicht zum Gespräch eingeladen. Werbung wurde mit dem Zusatz versehen, daß der Sender "durch Gerichtsbeschluß verpflichtet wurde", diese auszustrahlen (Regionalsender "Ostseewelle" am 24. September). Dabei ist die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film Bestandteil der Meinungsfreiheit. Nachzulesen im Artikel 5, Absatz 1, des Grundgesetzes. Dort steht auch: "Eine Zensur findet nicht statt."

Die Wirklichkeit in deutschen Landen ist eine ganz andere. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind vor allem nach (partei-)politischem Proporz besetzt. Denn der Rundfunk liegt in der Hoheit der Bundesländer. Der langjährige ARD-Intendant Manfred Buchwald äußerte sich dazu recht deutlich: "Der Intendant hat grundsätzlich die Couleur des Ministerpräsidenten. Bis hinunter zur Ebene der Hauptabteilungsleiter spielt das Parteibuch die entscheidende Rolle!" Abgesichert wird dieser "heilige Grundsatz" durch die Personalpolitik der Rundfunkräte. Diese setzen sich aus Vertretern der Landesregierung, der Parteien, der Verbände, aus Kirchen und Kultur zusammen. Beim ZDF sitzen die Ministerpräsidenten selbst im Verwaltungsrat und betreiben Personalpolitik. Derartige mediale "Strippenzieher" sind beispielsweise Kurt Beck, SPD-Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, und sein Amtskollege aus Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, der beim WDR die Fäden fest in der Hand hält. Aber auch die "Schwarzen" stehen fest im Geschäft. Edmund Stoiber gilt als "Hardliner" im Bayerischen Rundfunk. CSU-Abweichler finden sich auf der Straße wieder. Klaus-Rüdiger Landowsky, Berliner CDU-Fraktionschef, zeichnet dafür verantwortlich, daß die bisherige Chefin des Privatsenders "Phoenix", Barbara Groth, als SFB-Fernsehdirektorin plaziert wurde. Der Widerspruch des Intendanten Horst Schättle blieb wirkungslos, weil Frau Groth "aus dem Bundeskanzleramt und von höchster Stelle" befürwortet würde. Der starke Mann an Helmut Kohls Seite war Andreas Fritzenkötter, Medienberater im Kanzleramt.

Es ist üblich geworden, fachlich wenig begnadete Parteisoldaten in "Offiziersstellen" zu delegieren und durch so begründete Abhängigkeiten "Strukturen" zu schaffen. Die SPD steht diesem Gebaren keineswegs fern. ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser, dessen Vertrag 1998 endet, stand immer in der Gnade Oskar Lafontaines. WDR-Intendant Fritz Pleitgen sorgt dafür, alle Schaltstellen der SPD zu erhalten. Selbst die strategische Position "ARD-Studio Bonn" wurde trotz heftigen Widerstandes mit dem journalistisch farblosen Martin Schulze in Nachfolge von Ernst Dieter Lueg besetzt. Durch Kohls Abwahl als Kanzler fällt die bereits mit Spannung erwartete Konfrontation mit dem "schwarzen" Kanzleramt aus. Für Schulze nur ein kleines Trostpflaster. Er wollte gern Studiochef in Berlin werden. Der ebenfalls SPD-konforme Ulrich Deppendorf erhielt hier den Zuschlag. Mit dem Einzug der Bündnis-Grünen und der PDS in die deutschen Landesparlamente wird sich die Linkspolarität im "Medienfilz" noch steigern lassen.


 
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