© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/98  16. Oktober 1998

 
 
Ökologische Steuerreform: Verhandlungen über eine Energiesteuer gestalten sich schwierig
Sechs Pfennig sollen genug sein
von Gerhard Quast

Arbeit soll billiger und Energie teurer werden, so das Grundprinzip einer ökologischen Steuerreform. "Wir wollen umweltfreundliches Verhalten belohnen und Beschäftigung fördern", heißt es dazu im Vierjahresprogramm von Bündnis 90/Die Grünen. Und auch die SPD will im Rahmen einer ökologischen Steuerreform eine "Entlastung der Arbeit durch Verringerung der gesetzlichen Lohnnebenkosten". Im Gegenzug soll "eine maßvolle und berechenbare Belastung des umweltschädlichen Energieverbrauchs" erfolgen. Die Mehreinnahmen durch Ökosteuern will die SPD "ausschließlich zur Entlastung der Arbeit verwendet" wissen. Das Finanzaufkommen soll "keine Haushaltslöcher stopfen", fordern dementsprechend die Bündnisgrünen. "Neue Belastungen ohne entsprechende Entlastungen wird es mit uns nicht geben."

Es verwundert deshalb nicht, daß der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) bei den umweltpolitischen Zielen beider Parteien überwiegend Übereinstimmung ausgemacht hatte und die Ansicht vertrat, daß 80 Prozent der Umweltvorhaben – insbesondere der Ausstieg aus der Atomtechnologie und die Einführung einer Öko-Steuer – in den Koalitionsverhandlungen unstrittig sein würden. "Somit dürfte das Kapitel ‘Umwelt’ keine Probleme machen", erklärte noch vor einer Woche BUND-Präsident Hubert Weinzierl.

Doch weit gefehlt. An den Details scheiden sich die Geister: Während für die Grünen das Konzept der ökologischen Steuerreform "zunächst auf zehn Jahr angelegt" ist, will die SPD eine "maßvolle und berechenbare Belastung" und betont: "Für die Lenkungswirkung einer ökologischen Steuerreform kommt es nicht auf die absolute Höhe der einzelnen Belastungsschritte an. Entscheidend für den ökologischen Erfolg sind vielmehr die Berechenbarkeit des Preistrends sowie ausreichende Anpassungszeiträume für die Wirtschaft und für die Bürgerinnen und Bürger. Überzogene und untragbare Belastungen wird es mit der SPD nicht geben."

Entsprechend schwierig gestalten sich die Koalitionsverhandlungen, schließlich hat Kanzlerkandidat Schröder schon im Wahlkampf klargestellt, daß mit sechs Pfennigen mehr für den Liter Benzin das Ende der Fahnenstange erreicht sei. An diesem "Wahlversprechen" will die SPD nun festhalten, so daß der Verhandlungsspielraum in der Frage der Benzinpreiserhöhung äußerst gering ist.

Nach den Vorstellungen des Bundessprechers der Grünen und künftigen Umweltministers Jürgen Trittin sollen die Lohnnebenkosten von derzeit 42,3 Prozent bis zum Jahr 2002 unter die 40-Prozent-Marke gedrückt werden. In diesem Falle müßten rund 40 Milliarden Mark über Ökosteuern aufgebracht werden. Für die Senkung um ein Prozent sind immerhin 15 bis 17 Milliarden Mark notwendig. Mit der Beschränkung auf sechs Pfennig pro Liter kommen aber lediglich 4,3 Milliarden Mark mehr in die Staatskasse. Um wenigstens einen Einstieg in eine ökologische Steuerreform, die diesen Namen verdient, zustandezubringen, müßte die Differenz über die Besteuerung anderer Energieträger (Kohle, Gas) aufgebracht werden.

Angesichts der festgefahrenen Verhandlungen warnte der Naturschutzbund Deutschland die künftigen Koalitionäre bereits davor, "Etikettenschwindel" zu betreiben. Energiesteuern müßten, so der NABU, für den Verbraucher spürbar sein, um eine ökologische Lenkungswirkung erzielen zu können.


 
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