© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/98  16. Oktober 1998

 
 
Zitate

"Das Gespenst des Verfalls geht um in Deutschland: Spekulationismus, hohe Börsenkurse, Steuerbetrug, egoistische Bereicherung, Korruption, Insuffizienz von Politik, Unternehmen, Schulen und Universitäten, Siegeszug des Fernsehens und seiner Verführung zu Oberflächlichkeit und Gewalt, zunehmende Jugendkriminalität – das sind nur einige der Schlagworte, die den Werteverfall illustrieren. Die Kirchen verlieren Gläubige und Mitglieder, die Zahl der intakten Familien geht zurück, desgleichen die Zahl der Geburten, der Generationenvertrag wird brüchig – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen."

Helmut Schmidt, SPD-Bundeskanzler von 1974 bis 1982, in der "Welt am Sonntag" vom 11. Oktober 1998

 

"Die Zeichen stehen in Bonn ganz auf Kontinuität. Die Ära Kohl hat eine Wirkungsmächtigkeit, die jeden Neuanfang in Begründungsnot stürzt. Im illusionslosen, rot-grünen Aufbruchsjubel wird der Wandel bisher mit Kontinuitätsversprechen abgefedert. Als Anknüpfungspunkt für die Traditionslinien dient ein Set an Machtpraktiken aus dem Lehrbuch der Kanzlerschaft Kohls. Die inszenatorischen Angleichungen gehen weit über das hinaus, was durch das Diktat der Medien moderne Staatskunst überall zur Show macht. Schröders Wahlkampftaktik, sein Führungsstil, die politische Symbolik der ersten Tage und seine Machtpraktiken erinnern an den Machterwerb von Altbundeskanzler Helmut Kohl."

Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler, im "Focus" vom 12. Oktober 1998

 

"Als politische Perspektive schon abgeschrieben, glanzlos, ja scheinbar anachronistisch kommt nun jene Konstellation an die Macht, die weithin das gesellschaftliche Erbe von 1968 repräsentiert. Der rot-grüne Untergang Deutschlands (Tankwart Hintze) tritt an zum graumelierten Staatsakt: ’Berliner Republik, wir kommen.‘ (…) Zur Ironie der Geschichte gehört, daß durch die Regierungsübernahme der Generation Schröder/Fischer die Revolte von ’68 endgültig historisiert und vom Fluch ihres immerwährenden Geltungs-, ja Wahrheitsanspruchs erlöst wird. Sie hat ihr Werk getan und darf in Frieden ruhen – ein paar Zombies und Irrläufer wie Klaus Staeck und Jutta Ditfurth ausgenommen."

Reinhard Mohr im "Spiegel" vom 12. Oktober 1998

 

"Sozialpopulismus, bei dem sich PDS-linke, DVU- und NPD-rechte Positionen mittlerweile hervorragend ergänzen und wechselseitig aufschaukeln, das ist der künftige politische Sprengstoff in den neuen Bundesländern. Gegenüber den linken und rechten Rändern des politischen Spektrums zurückzuweichen, sie durch ‘Einbinden’ zähmen und normalisieren zu wollen, ist ein verhängnisvolles Rezept. Wenn innerhalb der CDU jetzt reflexartig erneut Stimmen laut werden, auf die alten Eliten der DDR zuzugehen und sich für die SED-Kader zu öffnen, wird auch dort der falsche Weg sekundiert."

Wolfgang Templin, Mitbegründer von Bündnis 90, in der Tageszeitung "Die Welt" vom 13. Oktober 1998

 

"Die CDU hat heute alles im Angebot, aber nichts mehr, was sie einzigartig macht. Diese Malaise hat einen Grund. Sie leuchtet mit den theoretischen Scheinwerfern der Vergangenheit in eine veränderte Welt. Wie Rilkes Panther bewegt sich die CDU im Kreise ihrer immer gleichen Formeln, Sprachbilder und Begriffsgatter. Dabei ist ihr ‘Blick so müd geworden, daß er nichts mehr hält‘: nicht die alten Werte der sozialen Integration; nicht die neuen Ideen amerikanischer Kommunitaristen oder deutscher Zukunftskommissionen; nicht die veränderten Wirklichkeiten jenseits schrumpfender Milieus. Diese Selbstbeschränkung erst des Denkens, dann der Optionen und schließlich auch der Mehrheiten hat mit Werten und Prinzipien wenig, mit Bequemlichkeit und geistig-politischer Trägheit hingegen viel zu tun."

Warnfried Dettling, in den 70er Jahren Mitarbeiter der CDU-Bundesgeschäftsstelle, in der "tageszeitung" vom 10. Oktober 1998


 
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