© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/98  23. Oktober 1998

 
 
Wirtschaft: Papierhersteller setzen auf umweltschonende Produktion
Intelligente Waldnutzung
Ulrich Karlowski

So machen wir hier einen Kahlschlag", sagt Per Hjärp, Förster und Produktionsleiter des schwedischen Papierherstellers MoDo. Doch man muß schon zweimal hinschauen, ehe man die Spuren der Baumfällmaschinen im außerhalb von Stockholm gelegenen firmeneigenen Forstdistrikt Länna erkennt. Zahlreiche große Bäume stehen noch, abgesägte Baumstämme und Äste liegen kreuz und quer auf dem Waldboden. Gegen die großflächigen Tabula-Rasa-Flächen, die in Kanada oder Brasilien üblicherweise zurückbleiben und an die man beim Reizwort "Kahlschlag" denkt, ist dies ein geradezu paradiesisch anmutender Zustand. Während dort riesige zerstörte Gebiete wie offene Wunden ganze Landstriche überziehen, in denen außer neuangepflanzten Monokulturwäldern kaum neues Leben entstehen kann, setzt man in Schweden auf die nachhaltige Waldbewirtschaftung nach den Rahmenkriterien des Weltforstwirtschaftsrates FSC.

In den vom unabhängigen FSC überprüften und mit Gütesiegel versehenen Wäldern gibt es eigentlich keinen Kahlschlag mehr. Neben einem hohen Anteil an Totholz und dem vollständigen Verzicht des Einsatzes von Chemikalien werden mindestens fünf Prozent des Waldes ganz von der Nutzung ausgenommen. Hier kann sich Kulturwald ungestört zum Urwald entwickeln. Zusätzlich werden fünf Prozent der jährlich vorgesehenen Rodungsfläche verbrannt, um die natürlich auftretenden Waldbrandereignisse zu simulieren. Dadurch können sich seltene Arten wie der violett blühende Böhmische Storchschnabel, der mangels Waldbränden in Schweden bereits stark zurückgegangen ist, wieder ausbreiten. Um ein ausreichendes natürliches Nachwachsen standortheimischer Baumarten zu sichern, ist eine ökologisch vertretbare Bejagung von Wild vorgesehen, und bei der Wiederaufforstung sollen verstärkt Laubbäume angepflanzt werden. Per Hjärp hat in seinen FSC-Wäldern bereits einen bemerkenswerten Biodiversitätszuwachs festgestellt: "Nach den Radikalkahlschlägen von früher siedelten sich auf den offenen Flächen etwa elf neue Arten an. Bei der jetzt von uns angewandten Methode sind es über 110 zum Teil sehr seltene Tier- und Pflanzenarten, die im Wald nicht vorkommen und jetzt einen neuen Lebensraum finden." Kein Wunder, seltene Arten wie Espenmoos oder Löcherpilz sind auf Laubbäume und Totholz angewiesen und haben in intensiv bewirtschafteten Nadelwäldern keine Chance.

Schweden ist ein Waldland. Rund 23 der 40 Millionen Hektar Landesfläche sind mit Bäumen bedeckt. Die ökonomische Verwertung des nachwachsenden Rohstoffes Holz ist der wichtigste Motor für die Wirtschaft des Landes. Holz oder Produkte wie Zellstoff oder Papier machen etwa 60 Prozent der Gesamtexporte aus. Da gerät der schonende Umgang mit dem Naturprodukt auch zur wirtschaftlichen Überlebensfrage, und seit der Einführung neuer, ökologischer Bewirtschaftungsmethoden nimmt der Holzvorrat in Schweden wieder zu. Im vergangenen Jahr wurden landesweit 65 Millionen Festmeter Holz eingeschlagen, während im gleichen Zeitraum etwa 100 Millionen Festmeter wuchsen.

Doch nicht nur im Bereich der Waldnutzung wird in Schweden verstärkt auf Ökologie gesetzt. Die Papierfabriken wie die von MoDo Paper, Europas drittgrößtem Produzenten von Büropapieren, gehören zu den modernsten weltweit. Die Dreckschleudern früherer Tage, die mit Chlor-, Stickstoff- und Phosphoremissionen die Umwelt verpesteten, sind heute Fabriken mit weitgehend geschlossenen Systemen, die fast emissionsfrei, wassersparend und energieautark arbeiten. Am MoDo Zellstoffwerk bei Domsjö im Osten Schwedens schwimmen wieder Lachse vorbei und wandern den Fluß Mo zum Laichen hinauf. Zusätzlich hat MoDo als erster Papierkonzern Schwedens die eigenen Umweltbemühungen durch eine Zertifizierung nach der ISO-Norm 14001 verschärft. Dabei überprüft ein unabhängiges Institut regelmäßig sowohl die Waldbewirtschaftung als auch den gesamten Ablauf der Papierherstellung mit einer Umweltrevision, bei der die Einhaltung konkreter Umweltschutzauflagen überprüft und neue Ziele und Richtlinien festgelegt werden. Etwa zehn Prozent der Gesamtinvestitionen des Konzerns wurden im vergangenen Jahr in Umweltmaßnahmen investiert, obwohl diese zusätzlichen Kosten am Markt nicht umsetzbar sind: Trotz weltweit wachsendem Bedarf nach weißen Büropapieren, der durch den Informations- und Downloadzuwachs der Internettechnologie angefacht wird, fallen die Papierpreise um etwa zwei Prozent jährlich. Dennoch setzt man bei MoDo weiter auf die Umweltverträglichkeit der Produktion: "Es ist eine Investition in die Zukunft der Natur und des Konzerns. Steigende Umweltanforderungen werden immer stärker zum entscheidenden Marktfaktor. In Ländern wie Deutschland sind sie schon längst zum Standard geworden", sagt Achim Weers, Vorstand von MoDo Deutschland.

Für den Verbraucher dürfte es allerdings schwierig sein, das Ökopapier der Schweden und anderer umweltfreundlicher Hersteller aufzustöbern. Obwohl MoDo Paper in Europa einen Marktanteil von 25 Prozent hat, taucht außer der hauseigenen Marke ein großer Teil der Produktion im Großhandel unter und mit den unterschiedlichsten Namen versehen im Handel wieder auf. Beim Kauf von Büropapier lohnt sich jedenfalls ein genauer Blick auf die Verpackung und die Suche nach dem FSC-Gütesiegel, der ISO-Norm 14001 oder dem Nordic Environmental Label.


 
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