© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/98  30. Oktober 1998

 
 
Naher Osten: Mit Yilmaz und Netanjahu stabilisiert Washington seinen Einfluß in der Region
Die USA suchen Festlandsdegen
Karl Galster

Die neue israelisch-türkische Allianz hat in den vergangenen Wochen beträchtliches Aufsehen hervorgerufen. Die neue Achse Ankara–Jerusalem ist die Folge einer Neuorientierung der türkischen Außenpolitik. Seit dem Sturz des im Westen als islamistisch verschrieenen eher germanophilen Necmettin Erbakan durch den jetzt regierenden deutschfeindlichen Premier Yilmaz ist in der Türkei eine gründliche Revision der Außenpolitik erfolgt.

Die außenpolitische Richtung unter Erbakan konnte den USA nicht gleichgültig bleiben. Folgerichtig verminderte sich auf dubiose Weise die Zahl der Parlamentsabgeordneten, die Erbakan unterstützten, durch Parteiübertritt, bis die erforderliche Mehrheit für Yilmaz zusammengekommen war. Hintergrund: der nationale Verfassungs- und Sicherheitsrat des türkischen Militärs diktierte die Abdankung Erbakans. Auch Yilmaz muß gegenüber diesem Rat Wohlverhalten üben, da permanent ein Militärputsch droht.

Das neue Regime kann sich seltsamerweise jetzt auf eine zuverlässige Parlamentsmehrheit stützen. Yilmaz setzt voll und ganz auf die US-amerikanische Karte und ist bereit, dem Wunsche Washingtons nachzukommen, eine militärische Allianz mit Israel einzugehen. Dies wiederum entlastet zukünftige US-Administrationen von der aufwendigen und unpopulären Direktunterstützung Israels. Seither wird die türkische Armee auch mit tatkräftiger Unterstützung israelischer Rüstungsunternehmen aufgerüstet und modernisiert. Gemeinsame türkisch-israelische Flottenmanöver beginnen Normalität zu werden. Die Beherrschung des östlichen Mittelmeeres durch die sich bildende Allianz ist längst kein Traum mehr, denn beide Mächte vermehren und modernisieren die Seestreitkräfte planmäßig. Auf der türkischen Seite befinden sich zwei neue Fregatten, vier U-Boote und drei Raketenboote im Bau, während die US-Navy der türkischen Marine elf Fregatten zur Verfügung gestellt hat. Weiterhin ist die Anschaffung von sechs Fregatten und 18 Minensuchern geplant. Das ist aber noch längst nicht alles.

Die Fachzeitschrift Marineforum meldet in ihrer neuesten Ausgabe (9/98), daß die Türkei sogar die Beschaffung eines Flugzeugträgers plant. Angeblichen Äußerungen aus dem Stab des türkischen Marinebefehlshabers zufolge seien "neue Verpflichtungen nach dem Kalten Krieg" wie die Idee eines "im östlichen Mittelmeer, Schwarzen Meer und Roten Meer kreuzenden türkischen Flugzeugträgers keine Phantasie, sondern reale Notwendigkeit".

Das Entstehen einer neuen regionalen Allianz im östlichen Mittelmeer verursacht nicht überall Freude. Insbesondere den dortigen europäischen Seemächten Frankreich und Italien, aber auch den in ständiger latenter Gegnerschaft zur Türkei lebenden Griechen, kann die sich anbahnende Entwicklung nicht gleichgültig sein. Frankreich hat denn auch bereits den Schwerpunkt seiner Seestreitkräfte ins Mittelmeer verlegt. Der französische Vizeadmiral Philippe Durteste gibt sich besorgt: "Es geht also um die Erhaltung des Friedens an allen Küsten des Mittelmeeres und jenseits von ihnen. Dieser Friede ist von unzähligen Spannungs- und Konfliktherden bedroht; hervorzuheben sind Israel und der nahe Osten, Zypern, das schwierige Verhältnis zwischen Griechen und Türken(…). Frankreich hat also im Mittelmeerraum einen ebenso wichtigen wie kostspieligen Auftrag zur Verteidigung der vitalen Interessen Europas übernommen". Ob die für die Realisierung dieser türkischen Flottenpläne notwendigen 3,5 Millionen Mark unter Beteiligung des deutschen Steuerzahlers aufgebracht werden müssen, wie bei den jüngst beschafften israelischen U-Booten (JF berichtete), ist noch offen, aber nicht unwahrscheinlich.

In Israel zeigen sich unterdessen erste Wirkungen der neuen außenpolitischen Allianz. War unter Rabin der mühsam erreichte Kompromiß mit Palästinenserführer Arafat der Primat der israelischen Außenpolitik, um dem Land einen langfristigen Frieden zu sichern, so zeigt Netanjahu wenig Bereitschaft zum Ausgleich, weil er glaubt, mit dem türkischen Millionenheer im Rücken dauerhaften Streit mit den arabischen Nachbarn in Kauf nehmen zu können. Auch die Türkei schöpft aus der neuen Allianz frisches Selbstbewußtsein. Premier Yilmaz, in Deutschland ob seiner agressiven Äußerungen bestens bekannt: Es sei ihm "egal", ob sich Syrien über die militärische Zusammenarbeit mit Israel "aufrege". Aber auch Ägypten und Saudi-Arabien sind entsetzt über Yilmaz’ neuen Kurs. Unterdessen betreibt die Türkei immer ungenierter enthnische Säuberungen in Kurdistan, weil hier das US-amerikanische Gewissen gerade Sendepause hat.


 
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