© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/98  30. Oktober 1998

 
 
JF-Interview: Die Black-Metal-Gruppe "Cryogenic" über ihre Musik und die Schöpfung
"Ohne Asche kein Phönix"
Manuel Ochsenreiter

Seit 1993 existiert die Black-Metal-Formation Cryogenic. Ihre musikalischen Sporen verdienten sich die sechs jungen Berliner auf zahlreichen Konzerten als Vorgruppe zu in der Szene bekannten Gruppen wie Gehenna, Enthroned und Eminenz.

Mittlerweile werden Cryogenic als feste Größe im Black Metal "Untergrund" gehandelt. Jetzt haben sie nach einigen Demo-Veröffentlichungen ihr erstes Album "Celephais" herausgebracht. Zwischen den Promotion-Veranstaltungen fanden die Musiker Zeit für ein Gespräch mit der Letzten Seite.

Black Metal ist eine Musikrichtung, die in den CD-Läden wenn überhaupt nur am Rande zu finden ist. Liegt es am geringen Bekanntheitsgrad? Worin liegt überhaupt die Eigenart des Black Metal gegenüber anderen Musikrichtungen?

Cryogenic: Das halten wir für ein Gerücht. Gerade der Black Metal ist in den letzten zwei Jahren immer mehr kommerzialisiert worden. So gibt es schon in fast allen Musikläden eigene Black-Metal-Abteilungen, selbst auf VIVA ist er zwischen Blümchen und Grönemeyer zu sehen. Das hat mit unserem Ursprung rein gar nichts mehr zu tun. Black Metal ist nicht nur Musik, er ist eine Lebensart. Und die will mit einer Gesellschaft von Kultur-Zombies und Seelentoten nichts zu tun haben. Rein musikalisch unterscheidet sich Black Metal durch die Intensität des Klanges und der Symbiose aus symphonischen Elementen und brachialer Geschwindigkeit.

Wo liegen denn die Ursprünge des Black Metal und inwiefern wurden seine Ursprünge verraten?

Cryogenic: Wir könnten jetzt natürlich die Historie zahlreicher Metal-Bands wie zum Beispiel Venom oder Destruction nachzeichnen, was aber zum Verständnis nichts beitragen würde. Für uns liegen die Wurzeln im alten, vom Nebel der Sagen und Mythen überzogenen Nordland. Unser Appell richtet sich deshalb auch an die vom Bewußtsein überlagerte, innere Urgewalt jedes Menschen, an das Göttliche in ihm. Wir rechnen ab! Wir rechnen ab mit dem rein funktionalisierten Denken. Wir rechnen ab mit dem Verrat an den ureigenen Wurzeln. Wir rechnen ab mit der Vereinnahmung unserer Existenz durch eine Welt, die nichts anderes kennt außer Gewinnmaxierung und einem aufgesetzten Individualismus. Wir führen einen heiligen Krieg.

In der Black-Metal-Symbolik tauchen sowohl Runen als auch explizit antichristliche Bilder wie zum Beispiel das umgekehrte Kreuze auf. Auf Eurer CD ist auch ein Runenkreis zu sehen. Ist das für Euch ein reines Lay-Out-Element, oder verbindet Ihr mehr damit?

Cryogenic: Nein! Für uns ist es nicht nur Symbolik, sondern mit der Zeit zu einer unumstößlichen Wahrheit geworden. Die Runen stellen ursprüngliche Bewegungen dar, welche in der Natur immer wieder zu finden sind. Auch der Mensch ist ein Teil der Natur! Deshalb haben die Runen auch bei ihm immerwährende Geltung. Unser Runenkreis zeigt die von der inneren Sonne ausstrahlende Schöpfung. Die Schöpfung erneuert sich jeden Tag, jeden Monat, jedes Jahr im ewigen Prozeß. Es ist der Prozeß des Vergehens und der Entstehung, des Sterbens und des Lebens. Um dieses zu erkennen, muß man das eigene innere Licht erkennen, sehen und nach seinem göttlichen Auftrag handeln! Auch unsere heutige Gesellschaft ist aus dieser Natur entstanden, doch sie hat nur den Aspekt des Zersetzens und des Verfalls übernommen, es finden sich keine schöpferischen Impulse mehr...

… aber Ihr predigt in Euren Stücken doch auch die Zerstörung und den Haß. So heißt es in Euren Texten: "Das Hämmern der Hufe reißt tiefer die Gräben, die Steine brechen knicken und krachen wie Knochen, bricht Blut das quellende aus Furchen..."

Cryogenic: Ohne Asche kein Phönix! Wir predigen keine Zerstörung, sie ist nur ein Teil der Schöpfung einer neuen Welt, die nach höheren Gesetzen geordnet ist. Es sind die Gesetze, die den Menschen nach seiner Spiritualität in eine Ordnung bringen. Herrschaft und Macht müssen auf spiritueller Stärke aufgebaut sein und nicht auf Spekulantentum! Gelten muß, was man ist und nicht was man hat. Die heutigen "modernen" Maßstäbe allerdings messen den Menschen nach Besitz, und nicht nach seinem eigentlichen Wesen. Deshalb gilt: Moderne ist Verfall!

Das sind große Worte, und mit Eurer Zeitgeistkritik steht Ihr nicht allein. Glaubt Ihr, daß Ihr ausschließlich als Musiker etwas ändern könnt?

Cryogenic: Du hast natürlich recht. Wir waren Musiker, sind Musiker und werden es auch bleiben! Politik ist nicht unsere Sache. Für uns ist die Liebe zur Musik ausschlaggebend und keine politisch-kulturellen Punkte-Programme.

Im Gegensatz zur Politik sind wir authentisch. Wir verstellen uns nicht, wir tun, wonach uns ist, ohne jede Rücksicht! Wir machen das, was wir können, nicht mehr und nicht weniger. Wem es gefällt, dem soll es gefallen, und wem nicht, der soll sterben…

... sterben?

Cryogenic: Unsere Musik machen wir für die Leute, die sie hören wollen, die anderen interessieren uns nicht!

Was sind Eure Pläne für die Zukunft? Wie ich aus dem Umfeld gehört habe, arbeitet Ihr schon an einem neuen Projekt. Stimmt das?

Cryogenic: Richtig! Doch nun geht es erst mal darum, unseren Leuten die erste Platte vorzustellen. Also viele Konzerte, Shows, Feten... Metal is the Law!

"Celephais" ist demnächst zu bestellen bei Solistitium Records.


 
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