© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/98  06. November 1998

 
 
Dokumentation: Erklärung der "Frankfurter Initiative" zur doppelten Staatsbürgerschaft
Das deutsche Volk soll entscheiden
(JF)

Die neue Bundesregierung aus SPD und Grünen hat in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, das hierzulande bislang geltende Staatsbürgerschaftsrecht radikal zu verändern. Demnach werden künftig über vier Millionen der offiziell gezählten 7,37 Millionen Ausländer in Deutschland Anspruch auf die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben, darunter ca. 900.000 Türken und 1,95 Millionen aus Ländern des Balkans und anderen Staaten.

Die Unterzeichner dieser "Frankfurter Initiative" erkennen selbstverständlich das Ergebnis demokratischer Wahlen an. Wir sind aber sicher, daß eine große Mehrheit unseres Volkes, also auch eine Mehrheit der SPD-Wähler, nie und nimmer die geschilderte Änderung des Staatsbürgerschaftsrechtes und insbesondere die daraus resultierenden Folgen befürwortet.

Den Plänen der neuen Bundesregierung zufolge brauchen die betroffenen Ausländer ihre alte Staatsbürgerschaft beim Erwerb der deutschen nicht abzulegen. Vielmehr soll die doppelte Staatsbürgerschaft pauschal toleriert werden. Ist das alles erst gesetzlich verankert, sind Tatsachen geschaffen, die kaum noch rückgängig zu machen wären. Denn Artikel 16 (1) des Grundgesetzes lautet:"Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden."

Doppelte Staatsbürgerschaften lösen keines der grundlegenden sozialen Probleme der betroffenen Menschen. Im Gegenteil: Sie schaffen eine Unzahl neuer Probleme und auch Enttäuschungen. Die Folgen von Masseneinbürgerungen samt Hinnahme millionenfacher doppelter Staatsbürgerschaften können dramatisch sein und werden den inneren Frieden in unserem Land zutiefst stören. Sie können ihn sogar zerstören. Denn:

l Es entstehen zwei Klassen in der deutschen Bürgerschaft – mit und ohne doppelte Staatsangehörigkeit.

l Deutsche mit doppelter Staatsbürgerschaft haben Wahlrecht in Deutschland und im Herkunftland. Damit können sie über das Wohlergehen und Schicksal einer Nation mitentscheiden, ohne unbedingt auch die Folgen dieser Entscheidung tragen zu müssen.

l Der Integrationswille vieler ausländischer Bewohner kann erlahmen und auch ganz schwinden, weil er gar nicht mehr gefordert und honoriert wird.

l Es wächst die Gefahr, daß integrationsunwillige Bevölkerungsgruppen mit formal deutscher Staatsangehörigkeit entstehen. Solche Gruppen können als nationale Minderheiten mit eigener Sprache und Wertvorstellungen offiziell Anerkennung verlangen. Diese Grupen könnten international garantierte Minderheitenrechte einfordern: Türkisch als Amtssprache, Mindestquoten in den Parlamenten ohne Sperrklausel usw.

Das sind nur einige der schwerwiegenden Probleme und Folgen, die aus der Realisierung der Pläne der Bundesregierung erwachsen können. Es ist völlig unverständlich und eine eklatante Mißachtung des gegenwärtigen deutschen Staatsvolks, daß nur Selbstverständlichkeiten wie "Unterhaltungsfähigkeit und Straflosigkeit", jedoch weder gute deutsche Sprachkenntnisse noch die Respektierung des Grundgesetzes, weder das Bekenntnis zur speziellen geschichtlichen Verantwortung noch der Integrationswille in unseren Kulturkreis Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft von ausländischen Jugendlichen und Erwachsenen sein sollen.

Was die neue Regierung plant, stellt einen tiefen und, wie wir meinen, verhängnisvollen Eingriff in das zukünftige Leben der deutschen Nation dar. Der Weg Deutschlands in einen Vielvölkerstaat mit höchst unterschliedlichen, vielleicht auch unvereinbaren Kulturen und Wertsystemen wäre vorgezeichnet. Wer will und kann das verantworten?

Es soll kein Zweifel herrschen: Wir halten die Tolerierung von Doppelstaatsbürgerschaften in begründeten Einzelfällen für unproblematisch. Auch befürworten wir die aktive Integration all jener, die legal ihre zweite Heimat in Deutschland gefunden haben, hier arbeiten und sich in unseren Kulturkreis einfinden. Wir respektieren die Rechte, Identität und Würde der ausländischen Mitbewohner.

Die "Frankfurter Initiative" ist strikt überparteilich und unabhängig. Anschließen kann sich, wer ihre Inhalte und Aktivitäten akzeptiert und öffentlich für sie eintritt. Wer sie jedoch für parteipolitische, ideologische oder extremistische Zwecke zu mißbrauchen sucht, schließt sich aus. Die Grundaussage der "Frankfurter Initiative" ist einfach, klar und alle verbindend: Wir akzeptieren nicht, daß eine Minderheit die große Mehrheit der Deutschen zum Spielball eines der riskantesten gesellschaftspolitischen Experimente aller Zeiten machen will. Dehalb fordern wir, daß über eine so folgenschwere Veränderung des Staatsbürgerschaftsrechts keine Mehrheit im Bundestag, sondern nurdas gesamte deutsche Volk entscheiden kann.

Die Durchführung eines Volksentscheids kann auch deshalb kein Problem darstellen, weil die neue Regierung – wir begrüßen das ausdrücklich – in ihren Koalitionsvereinbarungen angekündigt hat, sich für die Einführung von Volksentscheiden einzusetzen. Die bayerische CSU-Landesregierung von Ministerpräsident Edmund Stoiber will das unterstützen.

Wir warnen die verantwortlichen Parteien und Politiker davor, unseren Willen und unsere Befürchtungen zu mißachten: Die geplante Veränderung des Staatsbürgerschaftsrechtes greift tief in das Leben und die Zukunft aller Deutschen, in unsere Zukunft wie die unserer Kinder und Enkel ein. Wir müssen deshalb selbst über eine solche Schicksalsfrage unseres Volkes bestimmen: Denn wir wollen keine bosnischen Zustände in Deutschland riskieren!

Frankfurt a. M., 28. Oktober 1998

Erstunterzeichner (in alphabetischer Reihenfolge): Hans Diether Behle, Wolfgang Hübner, Bernd Irrgang, Jörg Kluth, Olaf Köhler, Ingrid Meister, Annemarie Paulitsch, Heinz Reimer, Maria Elisabeth Wolf und Jutta Zindel

Kontakt: Frankfurter Initiative, Postfach 17 02 19, 60076 Frankfurt am Main


 
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