© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
Helmut Holter
Auf der Siegerspur
von Kai Guleikoff

Er ist groß, schlank, blauäugig und wirkt cool – der erste stellvertretende Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes mit PDS-Zugehörigkeit. Als Helmut Holter am 22. Mai 1953 in Ludwigslust in Mecklenburg geboren wurde, hatten in Frankreich gerade die Kommunisten bei den Gemeindewahlen 28,8 Prozent Wählerstimmen bekommen und den Gaullisten starke Verluste zugefügt. Knapp einen Monat später erschütterte der Volksaufstand vom 17. Juni die fast vierjährige DDR.

Die unruhige Weltlage jener Jahre, immer am Rand eines 3. Weltkrieges balancierend, wirkte sich nachhaltig in seiner häuslichen und schulischen Erziehung aus. Die wachsende Zahl von "Republikflüchtigen" nach dem Scheitern des Demokratisierungsversuches vom Juni ließ nach eigenen Worten in ihm die Erkenntnis wachsen, "daß die Grenze (vom 13. August 1961) nötig war, um das Ausbluten der DDR zu verhindern". Junge, leistungsorientierte Bürger wanderten nach Westdeutschland aus. Bis zur Verwandlung der Landesgrenze in eine Frontlinie ab August 1961 hatten fast drei Millionen Menschen die DDR verlassen. Bekenner des Sozialismus bekamen jetzt die besten Aufstiegschancen, die freien Stellen in Wirtschaft und Verwaltung einzunehmen. Zu ihnen gehörte auch Helmut Holter.

Nach Abschluß der 10. Klasse wurde der Sohn eines Tischlers und verdienten Propagandisten der SED zur Arbeiter-und-Bauern-Fakultät (ABF) nach Halle/Saale delegiert. ABF waren Eliteschulen für "Arbeiter- und Bauernkinder", die von 1949 bis 1963 an allen Universitäten und einigen Hochschulen eingerichtet wurden. Nach 1963 bestanden nur noch die ABF Halle/Saale und Freiburg in Sachsen weiter. 1971 legte Holter an der ABF Halle sein Abitur mit sehr gutem Ergebnis ab und wurde zum ersten Hochschulstudium nach Moskau geschickt. Als Diplomingenieur für Betontechnologie wurde der inzwischen 26jährige Technologe und Produktionsleiter im industriellen Versuchswerk des Betonleichtbau-Kombinates Neubrandenburg. In der zu 80 Prozent kriegszerstörten Innenstadt begann der Modellversuch zur Entwicklung einer "sozialistischen Großstadtkultur". Helmut Holter zeigte sich auch als "glühender Patriot" bei der Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse der SED. Das brachte ihm das zweite Studium in Moskau ein, an der Parteihochschule der KPdSU. Mit dem Diplom eines Gesellschaftswissenschaftlers brachte er eine gebürtige Armenierin als Ehefrau nach Neubrandenburg zurück. Zwei Jahre später überstand das SED-Bezirksleitungsmitglied die Wende und die Parteiumbenennung ohne Karriereknick. Im Mai 1991 war er bereits PDS-Landesvorsitzender in Mecklenburg-Vorpommern. O-Ton Holter: "Ich habe die Wiedervereinigung von Anfang an als Chance gesehen – für die deutsche Linke."


 
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