© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
Extremismus und Demokratie (II): Welche Verfassung ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes schützt
Ein sanfter Totalitarismus
Josef Schüsslburner

Auch eine positive Betrachtung des historischenSparta und eune Relativierung der auf Athen bezogenen historischen Perspektive durch den früheren Stammautor der Zeitschrift Mut, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, wird in einem Kurzschluß, den man nur beherrscht, wenn man sich zu intensiv mit Verschwörungstheorien beschäftigt hat, eine gegen die westlliche Demokratie gerichtete Einstellung gemacht. Dem VS-Bediensteten scheint dabei nicht bekannt zu sein, daß neben den französischen Revolutionären den US-Verfassungsvätern, welche doch für das Konzept der "westlichen Demokratie" nicht unwichtig zu sein scheinen, gerade Sparta und nicht Athen Vorbild der von ihnen notwendig erachteten republikanischen Tugendenwar. Der konservativen Zeitschrift mit "Brückenfunktion" wird schließlich eine "Huldigung" des sicherlich bedeutsamen deutschen Juristen Carl Schmitt zum Vorwurf gemacht, wobei dem Bediensteten nicht bekannt zu sein scheint, daß etwa Artikl 79 Abs. 3 GG, und damit letztlich auch der doch sehr sonderwegliche deutsche Verfassungsschutz ideengeschichtlich auf diesen "rechtsextremitischen" Staatsrechtslehrer zurückgeht.

Um die "Brückenfunktion" von konservativen Zeitschriften begründen zu können, wird die "Neue Rechte" in dezisionistischer, von Pfahl-Traughber als "normativ" verstandener Apodiktik als "rechtsextrem" eingeordnet. Dabei muß auch hier der VS-Bedienstete widerwillig einräumen, daß diese "Neue Rechte" über keine geschlossene Ideologie verfüge, was ja den einzelnen Unterstellungen und Kollektivzurechnungen den Boden entzieht. Der "Rechtsextremismus" einzelner Autoren wird dabei ebenfalls durch Insinuationen begründet. So wird der Neuen Rechten – vielleicht zu recht – vorgeworfen, nur bei der Kritik "formal zu beeindrucken", aber keine eigenständigen politischen Zielvorstellungen zu haben, jedoch "weiß" der VS-Bedienstete, wohl aufgrund seiner geheimdienstlichen Ausbildung, ganz genau, daß sich aus der Art der Kritik "als eine Art Schatten und Spiegelbild" eine "rechtsextremistische" Zielsetzung ergeben muß. Deshalb wird ein Plädoyer für ein Präsidialregime durch einen Vertreter dieser Strömung nicht so genommen, wie es tatsächlich zum Ausdruck gebracht wird, sondern es wird vom VS-Bediensteten unterstellt, daß damit nicht die Art dieser Regierungsform wie sie (unterschiedlich) in den USA und Frankreich verwirklicht ist gemeint sein könne. Das Eintreten für das Plebiszit, welches der politischen Linken üblicherweise als "besonders demokratisch" angerechnet wird, interpretiert der Bedienstete gegenüber "rechts" unter Anwendung seiner rechtsstaatsfremden Verdachtsstrategie gegenüber freien Bürgern als gewollte Vorstufe eines plebiszitären Autoritarismus.

Es kommt dem die Presse "beobachtenden" Geheimdienstmitarbeiter in dem Eifer, seinen politischen Gegnern in quasi-amtlicher Funktion apodiktisch unterstellten "Rechtsextremismus" zu "beweisen", trotz des festgestellten Mangels an grundlegenden politischen Alternativkonzepten nicht in den Sinn, daß es denjenigen, welche der Neuen Rechten zugerechnet werden oder sich ihr zurechnen, vielleicht gar nicht um diese weitreichenden Alternativen geht, sondern nur um die Verwirklichung des politischen Pluralismus, welcher in der Bundesrepublik aus bestimmten Gründen, deren Erklärung allerdings beim VS-Bediensteten ebenfalls den Verdacht auf "Rechtsextremismus" hervorruft, nur eingeschränkt besteht.

Könnte es nicht sein, so müßte sich der Geheimdienst fragen, daß es dieser Strömung nur darum geht, die festzustellende Divergenz zwischen Volksmeinung und Parlamentsmehrheit in wesentlichen Politikbereichen demokratie konform entweder durch Schaffung einer weiteren politischen Alternative oder durch legitimes Einwirken auf bestehende politische Strömungen zu beseitigen? Besteht an der vollen Verwirklichung des politischen Pluralismus nicht ein besonders verfassungsrechtliches oder verfassungspolitisches Bedürfnis, weil nur bei vollem Pluralismus Parlamentswahlen so etwas wie den "Volkswillen" verwirklichen und nicht lediglich eine politische Klasse installieren, welche sich gegenüber der Volksmeinung durch obrigkeitsstaatliche Instrumente wie Verfassungsschutzbeobachtungen und der Veröffentlichung unsachlicher "Feststellungen" immunisiert?

VS-Mitarbeiter als Brücke zur Salamitaktik

Man müßte umgekehrt fragen, ob sich der VS-Bedienstete mit seinen Auffassungen nicht zum Erfüllungsgehilfen linksextremistischer Kräfte macht, welche bekanntlich den verfassungsrechtlich, gesetzlich oder höchstrichterlich nirgends definierten Begriff des "Rechtsextremismus" so ausgedehnt wissen wollen, daß er mit dem Begriff des "Faschismus" identisch wird, welchen der totalitäre Antifaschismus verwendet (hat). Dieser totalitäre Antifaschismus, wie er etwa von der SED-Diktatur praktiziert worden ist, zielt im Rahmen eines vefassungsfeindlichen Wilkürregimes auf die Unterdrückung jeglicher Opposition mit menschenrechtsfeindlichen Mitteln ab. Die entsprechende Strategie ist dabei einst von den ungarischen Kommunisten als "Salamitaktik" bezeichnet worden. Nach dieser Strategie verbündet sich der Linksextremimus zuerst mit der politischen Mitte um mit ihr die politische Rechte auszuschalten, um anschließend die bereits durch ihre Kooperation mit dem Linksextremismus diskredierte politische Mitte zu erledigen.

Im DDR-Regime ist letzteres durch Verwandlung der Christdemokratie in eine Blockpartei der kommunistischen Diktatur umgesetzt worden. Bei Analyse der Veröffentlichungen von Mitarbeitern des Bundesamtes für Verfassungsschutz drängt sich der Verdacht auf, daß das eigentliche Ziel des Vorwurfes des "Rechtsextremismus" die CDU darstellt, deren konservativer Teil politisch ausgeschaltet werden soll, damit man den dann verbleibenden CDU-Linkskräften und den in die CDU integrierten "Blockflöten" der DDR-Diktatur leichteres Spiel bei der Wiederbelebung sozialistischer Utopien hat, welche nunmehr als "Multikultularimus" oder in einer extremistisch übersteigerten Europaideologie ihren Ausdruck finden.

Was der VS-Bedienstete Pfahl-Traughber unter "Pluralismus" versteht, wird in dem genannten Mut-Beitrag deutlich, in welchem er dieser wahrhaft mutigen Zeitschrift bescheinigt, "ein pluralistisch zusammengesetztes Forum zu entwickeln", was dadurch erreicht wurde, daß selbst diejenigen "demokratischen Konservativen, die keine Hemmungen hatten und haben, in Sammelbänden mit Rechtsextremisten zu veröffentlichen ""zwischenzeitlich in Mut kein Forum mehr finden". Ist dies der Preis, den der Bedienstete für seinen (quasi- amtlichen) Persilschein verlangt hat? Nun soll das Recht eines Herausgebers nicht bestritten werden, zu entscheiden, wer bei ihm veröffentlichen kann. Jedoch ist es absurd, die Ausgrenzung bestimmter auch noch als "demokratisch" bezeichneter Personen, welche nur dort veröffentlichten, wo auch vom Bediensteten ungeliebte Personen veröffentlichten, nach der protototalitären Ansicht des Beobachtungsbeamten zu Recht ausgegrenzt werden, als Entwicklung zum Pluralismus zu kennzeichnen. "Pluralismus" kann bei diesem Verständnis nur ein im Sinne des VS-Bediensteten "normatives" und kein freiheitliches Konzept sein, weil es einen empirischen Teil (vom VS-Bediensteten als legitim angesehenen Auffassung) als das Ganze hinstellt. Genau diese Gleichsetzung eines einer Werteordnung entsprechenden "wertvollen" Teils mit dem Ganzen kennzeichnet doch den modernen Totalitarismus (pars pro toto)! In dieses protototalitäre Weltbild des Bediensteten paßt der Konservativismus als politische Strömung eigentlich nicht, sondern wird aus opportunistischen Gründen nur geduldet. Diese widerwillige "Toleranz" wird an der Formulierung des Bediensteten in dem Mut-Beitrag deutlich, indem er "Publizisten aus dem politischen Lager rechts der Union" wie folgt kennzeichnet:"sowohl noch im demokratischen Sinne als auch im extremistischen Sinne".

Aus der Einschränkung "noch" wird deutlich, daß es für den Demokratiebeamten nur eine Frage der Zeit ist, daß der Konservatismus als solcher als "rechtsextrem" einzustufen ist. Anders als vielleicht Innenminister Kanther meint wird sich dabei aufgrund der linksextremistischen Salami-Taktik zugrunde liegenden Dynamik keine Beschränkung des "Rechtsextremismus" auf "rechts" von der CDU durchhalten lassen, sondern die CDU direkt treffe. An der vom VS- Bediensteten gelobten Wende der Zeitschrift Mut wird deutlich, wie dieses Übergreifen auf die CDU als Beobachtungsobjekt geschehen soll: Als "noch" demokratisch eingestufte Konservative sind dann auch amtkich auszuschalten, weil sie hemmungslos auch dort ver öffentkicht haben, wo "Extremisten" vom Recht der freien Meinungsäußerung gemacht haben.

Das Übergreifen des Vorwurfs des "Rechtsextremismus" auf die CDU zeichnet sich ja bereits durch dir generelle Schieflage an, bei der es links von de SPD alle möglichen Abstufungen vuón "links" gibt, während rechts von derCDU eigentlich nur Rechtsextremismus besteht, wie auch der VS-Bedienstete die von Dienstherren – zumindest verbal – noch praktizierte Abstufung von"rechts", "rechtsradikal" und "rechtsextrem" nicht kennt. Damit ist aber die politische Mitte (Selbsteinschätzung) entsprechend der linksextremistischen Salami - Taktik vor die Wahl gestellt, sich entweder der plitischen Linken zuzuordnen, oder als rechtsextremistisch entwertet zu werden, womit sich das DDR - Blocksystem in einem liberalen Umfeld wiederholen würde (genauer: sich bereits jetzt zu woederholen beginnt).

Die der linksextremistischen Taktik kongeniale Strategie von Pfahl-Taughber kann an seiner umfassenden völlig Widersprüchliches einschließenden Definition des "Rechtsextremismus" abgelesen werden, wie sie in mehreren seiner Veröffentlichungen zum Ausdruck kommt. Wenn dabei zum "Rechtsextremismus" das "Strukturelement" Freund-Feind-Stereotypie gehört, ist dies geeignet, die Legitimation seiner dienstlichen Tätigkeit zu unterminimieren. Bekanntlich richtet sich die Aktivität des Verfassungsschutzes gegen den Vefassungsfeind, womit der Tätigkeit dieser Behörde die vom VS-Bediensteten als (rechts-)extremistisch eingestufte "Freund-Feind-Stereotype" zugrunde liegt. Damit wird deutlich, daß für den VS-Bediensteten die Verrichtung des Verfassungsschutzes nur instrumentalen Übergangscharakter zum Zwecke des Vorgehens "gegen rechts" haben kann. Ist dieser Zweck einmal erreicht, wird sich der Bedienstete im Sinne seines linksgerichteten Ansatzes folgerichtig darauf besinnen, daß die Freund - Feind - Stereotype wie auch der entsprechend verstandene Artikel 79 Abs. 3 GG, welcher nach der Behördenpraxis die Vefassungsschützerische Freund - Feind - Stereotype abdecken soll, letztlich auf den rechtsextremetischen Verfassungsrechtler Carl Schmitt zurückgeht, womit der Bedienstete dann gegenüber seinem Dienstherrn im Sinne von Hebert marcuse (welcher bekanntlich für Intoleranz gegenüber Bewegungen von rechts... Duldung gegebüber Bewegungen vonlinks eingetreten war) für "Toleranz gegen links" plädieren muß.

Begibt man sich auf das Argumentationsniveau von Verfassungschutzberichten, bereite es wirklich keine Schwierigkeiten, dem Geheimdienstmitarbeiter aufgrund seiner Thesen als eine Art Schatten und Spiegelbild seiner Ausführungen eine verfassungsfeindliche Einstellung oder zumindest bedenkliche Auffassungen zu unterstellen, welche eine Sympathie mit dem Linksextremismus nahelege und daran zweifeln lassen, daß der VS-Bedienstete jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt:

Indem der Bedienstete in seinem Mut-Aufsatz die Nation als staatsrechtlich-politisches Konzept durch historische Relativierung in Frage stellt, zielt er auf eine Delegetimierung der nationalstaatlichen Demokratie ab, welche sich ab von ihm genannten Zeitraum historisch entwickelt und nunmehr im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Deutschland ihre Fomale Konkretisierung erfahren hat Diese Delegitmitationsstrategie des VS-Bediensteten richtet sich unmittelbar gegen das grundlegende Verfassungsprinzip der Volkssouveränität, welche den Begriff des Volkes als handelndes Subjekt, das entsprechend Artikel 116 GG grundsätzlich als Abstammungsgemeinschaft definiert ist.

Bei dieser historischen Relativierung und Delegitimierung der grundsätzlichen Ordnung nationalstaatlicher Demokratie kann nicht davon ausgegangen werden, daß der VS-Bedienstete bereit ist, seine Dienstpflichten gemäß Artikel 56 GG im Wohle und Nutzen des Deutschen Volkes liegend zu verstehen.

Indem der Bedienstete die Homogenitätsvorstellung bezüglich eines Volkes als Strukturelement des Rechtsextemismus hält, gibt er zu erkennen, daß er nicht bereit ist, sich der Erkenntnis des Bundes verfassungsgerichts in der Teso- Entscheidung verpflichtet zu sehen, welches den politischen Kräften als verfassungsrechtliche Pflicht aufgegeben hat, die Identität des deutschen Staatsvolkes zu erhalten.

Der Verdacht auf eine verfassungsfeindliche Einstellung wird in diesem Zusammenhang dadurch abgestützt, daß der Bedienstete in der Betonung der Selbstbestimmung der Völker ein Anzeichen für eine rechtsextremistische Einstellung oder zumindest ein "Brücken" hierzu erkennt. Abgesehen davon , daß dieses Prinzip durch die gesetzgeberische Umsetzung der UN-Menschenrechtspakte in der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere für einen Mitarbeiter einer Behörde dem Gesetzmäßigkeitsprinzip entsprechend bindendes Recht ist gilt dieses auch über Artikel 25 GG mit Übergesetzesrang kraft Grundgesetz. Es stellt das völkerrechtliche Prinzip dar, welches das grundlegende Strukturelement der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Bundesverfassungsgerichts, nämlich der Volkssouveränität, außenpolitisch abstützt.

Inhalte der Vefassungsideologie

Analysiert man die Verfassungsschutzberichte, soweit sie sich ideologisch unter dem Vorwand des "Rechtsextremismus" "gegen rechts" richten, dann muß man feststellen, daß schwerpunktmäßig etwa folgende Elemente als "Verfassung" geschützt werden: Multikulturalismus, Überwindung des (demokratischen) Nationalstaates, Ersetzung des Prinzips der Volkssouveränität durch eine "Verfassungssouveränität", Irreversibilität der Europa-Entwicklung (= außenpolitische "Einbindung"), Entgültige rechtsnihilistische Festschreibung der auf den großen Humanisten Stalin zurückgehenden Grenzregelung, Idolisierung des "Westens", "Liberalismus" als Staatsdoktrin, Integrität einer staatlichen Bewältigungsdoktrin mit zahlreichen Glaubensinhalten, wie amtliche Festlegung Kriegsursachen, des friedliebenden Charakters der damaligen Sowjetunion, der moralischen Bußbedürftigkeit der Deutschen etc.

Man muß dabei in der Tat feststellen: Diese als "Verfassung" geschützte Ideologie-Gehalte haben mit den Grundsätzen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung wenig, mit der Ideologie des VS-Bediensteten Armin Pfahl-Traughber aber sehr viel zu tun. Es ist daher davon auszugehen, daß seine Kritik an konservativen Zeitschriften den Segen seines Dienstherrn hat.


 
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