© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
Österreich: Die Freiheitlichen nach dem Abgang von Wirtschaftssprecher Prinzhorn
"Du bist ein Psychopath"
Jürgen Hatzenbichler

Jörg Haider reagierte mit der an ihm geschätzten Nettigkeit: "Primadonnen gehören in die Oper, nicht in die Politik", rief der FPÖ-Parteiobmann dem ausgetretenen Wirtschaftssprecher der Partei, Thomas Prinzhorn, nach, allerdings ohne seinen Namen zu nennen. In der Politik bedürfe es der Geschlossenheit, nicht der Allüren, betonte Haider, der so wieder einmal seine Reihen fest geschlossen hat. In der Haider-Bewegung hält sich das Echo auf den Austritt des profilierten Industriellen Prinzhorn stark in Grenzen.

Im Umgang mit Skandalen ist die FPÖ nicht routiniert

Die FPÖ ist in letzter Zeit schon stärkeren Tobak gewöhnt. Sie kann auf ein Katastrophenjahr zurückblicken, das die Partei durchaus verunsichert hat. Noch beim Dreikönigstreffen des Vorjahres hatte Jörg Haider seinen Funktionären eine massive Standpauke gehalten. Er werde zurücktreten, wenn die Kader der Partei nicht spurten, denn er sehe es nicht ein, wenn er sich zerreiße und wenn dann andere da seien, die nur ans Verdienen und an Privilegien dächten. Die Schelte der Kader erfreute die Basis wahrlich nicht, vielfach dachte man sich, äußerte es aber kaum, daß die Funktionärsbeschimpfung eigentlich ja fast nur Leute treffen könne, die Jörg Haider berufen habe. Das brave Fußvolk murrt ja schon seit Jahren vor allem über eine Gruppe von Funktionären, die gerne mit dem Titel "Buberlpartie" bezeichnet wird. Daß diese ganz besonders im Umfeld von FP-Obmann Jörg Haider konzentriert ist, hat seinen Grund: Die Aufsteiger ohne große inhaltliche Prägung sind Funktionäre im eigentlichsten Sinn des Wortes, sie funktionieren so, wie es der "Chef" haben will. Diese von ihm abhängige "Prätorianergarde" besteht aus lauter Personen, die ihm nie gefährlich werden können: profillos nach außen, führen sie ein strenges Regemint nach innen – im Auftrag ihres Herrn und Schöpfers.

Die Probleme der Freiheitlichen setzten sich bald nach dem Jahresbeginn rapid fort: Im Land Salzburg mußte die ganze Landesgruppe der Partei suspendiert werden, weil sie total zerstritten war. Die Landespartei blockierte sich gegenseitig und drohte im Streit zu zerfallen. Nach einer gehörigen Kopfwäsche verkündete Landesobmann Karl Schnell seine Dankbarkeit darüber, daß man seinen Leuten noch einmal die Möglichkeit gegeben haben "sich wie Erwachsene" zu benehmen. Der dirigistische Eingriff der Bundespartei war möglich, weil die FPÖ eine Satzung hat, die dem Bund den Eingriff auf Landesebene ermöglicht. Im Januar vollzog man dann in Tirol einen Säuberung: Zwei Gemeinderäte aus Innsbruck wurden aus der Partei ausgeschlossen. Auch hier wurde ein Streit innerhalb der Landespartei mit einem Schlag wie durch einen Gordischen Knoten "geschlichtet".

Der fetteste Brocken des Jahres 1998 sollte aber noch folgen: Die Affäre Rosenstingl beschädigte das Saubermann-Image der Freiheitlichen massivst. Der FPÖ-Abgeordnete zum Nationalrat setzte sich mit Millionenschulden nach Brasilien ab und hinterließ die FPÖ-Landesgruppe Niederösterreich finanziell vernichtet. Ein Wust an freiheitlichen Sozialbau-Genossenschaften mußte liquidiert werden, wieder rollten Köpfe in der Partei, auch der von FP-Landesobmann Bernhard Gratzer, der seine Unschuld beteuerte. Daß ausgerechnet so ein unauffälliger Abgeordneter wie Peter Rosenstingl der FPÖ dieses Waterloo bescherte, darf wohl als Treppenwitz bezeichnet werden.

Die Partei zeigte sich im Umgang mit diesem Skandal, der in der Geschichte des österreichischen Parlamentarismus einmalig ist, nicht gerade routiniert. Schutzbehauptungen wurden schnellstens von Medien aufgedeckt. Die Sanierung der FP-Niederösterreich wurde zu einer Herausforderung, die zu bewältigen gerade der Ex-Wirtschaftssprecher Prinzhorn mithalf. In Reaktion auf die Katastrophe entschied sich Jörg Haider wiederum für einen populistischen Schritt: Er verkündete die "gläserne Partei". Alle Funktionäre mußten einen Vertrag unterschreiben, der sie rechtlich an die Umsetzung der FP-Ziele bindet, bei Strafmöglichkeiten. Kritiker meinten, daß ein solcher Vertrag von freien Abgeordneten nicht unterzeichnet werden dürfe.

Die Kritik des Wiener Landtagsabgeordneten Rüdiger Stix an diesem "Knebelungsvertrag" nutzte die Wiener FP-Landesgruppe zur Liquidierung des nationalliberalen Bewerbers um die Amtsnachfolge des verstorbenen FP-Landesobmannes Rainer Pawkowicz, der noch einer der wenigen Schwergewichter in der Partei war. Die Liquidierung Stix’ führt zu einer Kleinabspaltung in Wien, die sich den Namen "Freie Demokratische Union" verpaßte und die FPÖ vor allem deswegen kritisierte, weil sie die nationalliberalen Ideale "verraten" habe.

In Kärnten ereilte FPÖ-Obmann Jörg Haider der nächste Schicksalsschlag: Es kam ihm sein politischer Ziehsohn Karl-Heinz Grasser abhanden. Dieser hatte trotz zarter 30 Lebensjahre das Amt des Landeshauptmann-Stellvertreters (Stv. Ministerpräsident) inne und versuchte sich politisch zu profilieren, indem er sich gegenüber den anderen Parteien zusammenarbeitsfähig zeigte. Jörg Haider goutierte das nicht; er betont den Kurs der Totalopposition. Nachdem Haider seinen Schüler mehrmals unschön und öffentlich gerüffelt hatte, entschied sich dieser für einen Karrieresprung in die freie Wirtschaft. Platz wäre für Grasser in Kärnten ohnehin keiner gewesen, denn Jörg Haider will wieder Landeshauptmann in Österreichs südlichstem Bundesland werden. Dieses Amt hatte er schon einmal, er wurde abgewählt nachdem er mit seinem Ausspruch von der "ordentlichen Beschäftigungspolitik im Dritten Reich" gehörig ausgerutscht war.

Die FPÖ schwört auch weiterhin auf Jörg Haider

Haiders Kärnten-Sehnsucht spielte auch beim Prinzhorn-Abgang eine nicht unwesentliche Rolle. Der Ex-Wirtschaftssprecher der Freiheitlichen Partei hatte nämlich festgehalten, daß auch "Jörg Haider ersetzbar" sei und den Vorarlberger Landesobmann Alfons Gorbach als möglichen Nachfolger des Bundesparteiobmannes genannt. In einer Sitzung des Nationalratsklubs der FPÖ war Thomas Prinzhorn dann schnell gestorben. Nachdem ihn alle pflichtschuldigst attackiert hatten, soll er sich von Haider mit dem offenen Wort "Du bist ein Psychopath" verabschiedet haben.

In der FPÖ schwört man freilich auf Jörg Haider. Den aber zieht es nach Kärnten. Ob er da bleibt, ist ungewiß. Manch einer hofft, daß die FPÖ so auf Bundesebene koalitionsfähig wird. Denn in der Totalopposition fühlen sich längst nicht alle Freiheitlichen wohl. Immerhin haben die sonst von der FPÖ bekannten Thematisierungen heuer auch nicht sonderlich gegriffen. Zu sehr war man auch mit sich selbst beschäftigt.


 
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