© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
Politik: Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) unter neuer Führung
Eine Frau übernimmt das Ruder
Gerhard Quast

Angelika Zahrnt gilt als Pragmatikerin. Sie pflegt gute Kontakte zu rot-grünen Regierungskreisen, möchte aber trotzdem nicht die Begleitmusik für die neue Bundesregierung spielen. Der 54jährigen liegt vielmehr die konstruktive Kritik, eine Kritik, die in der Sache aber durchaus hart sein kann. Seit vergangenem Samstag sitzt die bisherige stellvertretende Vorsitzende auf dem Chefsessel des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). In einer Kampfabstimmung setzte sie sich auf der Bundesdelegiertenkonferenz des BUND im hessischen Bad Hersfeld mit 72 zu 69 Stimmen äußerst knapp gegen Hubert Weiger durch, dem Landesbeauftragten des Bund Naturschutz in Bayern (BN) und agrarpolitischen Sprecher des BUND. Weiger gilt als ein Vertreter des eher ökofundamentalistischen Flügels innerhalb des BUND. In den neunköpfigen Vorstand wurden außerdem Sebastian Schönauer und Ralf-Uwe Beck als stellvertretende Vorsitzende, Rudolf Haas als Schatzmeister und Angelika Zscheischler und Heidrun Heidecke als Beisitzer gewählt. Renate Backhaus als Verteterin des BUND-Verbandsrates, Gerhard Kneitz vom wissenschaftlichen Beirat sowie Michael Schäfer von der BUNDjugend gehören dem Vorstand weiterhin an. Zahrnts Vorgänger, Hubert Weinzierl, war nach 15 Jahren als Bundesvorsitzender für dieses Amt nicht mehr angetreten. Den 62jährigen ernannten die Delegierten einstimmig zum BUND-Ehrenvorsitzenden.

Mit Angelika Zahrnt steht erstmals eine Frau an der Spitze des großen deutschen Umweltverbandes. Dieser ging 1975 aus dem bereits 1913 gegründeten Bund Naturschutz in Bayern hervor – erster BUND-Vorsitzender war Herbert Gruhl – und hat derzeit rund 244.000 Mitglieder, allein 134.000 im Freistaat Bayern. Zahrnt gilt als Expertin für die Ökosteuerreform. Maßgeblich mitgearbeitet hat die promovierte Volkswirtin an der 1997 erschienenen BUND/Misereor-Studie "Zukunftsfähiges Deutschland". Ihr Credo für die Arbeit im BUND beschreibt sie folgendermaßen: "Ich glaube an das Vermögen des BUND, die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen und auch die richtigen Antworten zu haben." Für Zahrnt heißt das – wenn nötig –, auf Konfrontation zu setzen, beispielsweise beim Thema Atomenergie. Mit der Rolle als "kompetenter Mahner" möchte sie sich nicht zufrieden geben. Der BUND müsse als Korrektiv zum "Pakt der Halbherzigen" auftreten, seine Durchsetzungsfähigkeit erhöhen und mitwirken an einer "lösungsorientierten" Arbeit.


 
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