© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/98  20. November 1998

 
 
Ungarn: Die Rettung der mißhandelten "Filmbären von Gödöllö"
Von der Hölle in die Höhle
Ulrich Karlowski / Ulrike Kirsch

Die Nase hochgestreckt, um den Fahrtwind zu schnuppern, ist Braunbärin "Zsuzsi" ein letztes Mal in einem engen Käfig eingezwängt. Ab jetzt wird ein etwa drei Hektar großes umzäuntes Refugium ihr neues Zuhause sein. Als das klapprige Lastauto endlich auf dem Gelände angelangt ist, öffnen Helfer die Käfigtür. Vorsichtig lugt "Zsuzsi" heraus, zögert noch eine Weile, dann springt sie. Der Transporter und die Helfer verschwinden. Es dautert nicht lange, da sieht man sie schon mit einem neuen Freund, dem pechschwarzen Männchen "Döme", herumtollen.

Ende Oktober wurde in Veresegyhaz, etwa 35 Kilometer von Budapest entfernt, das erste Bärenrefugium Ungarns eröffnet. Es ist die neue Heimat für 22 europäische Braunbären, die Jósef Kósa, ein ehemaliger Tiertrainer, im nahegelegenen Gödöllö über Jahr in enge, verdreckte Käfige gesperrt und schwer mißhandelt hatte (JF 26/98). Früher waren sie die Stars in zahlreichen Tiersendungen des staatlichen Fernsehens, nach dem Fall des "Eisernen Vorhangs" gerieten sie in Vergessenheit.

Bis zum Tag der offiziellen Einweihungsfeier hatten bereits neun Bären den Weg ins Refugium geschafft. Die Jungtiere und Weibchen, die zuerst umgesiedelt wurden, konnten sich kleine Territorien sichern, die sie dann, wenn die älteren, stärkeren Bären kommen, gegen diese verteidigen können. Auf ihren Lieblingsplätzen bleiben sie meistens in denselben Gruppen zusammen, wie sie vorher in den kleinen Käfigen bei Jósef Kósa eingepfercht waren, zusammen, um zu schmusen, spielen oder sich auszuruhen. Zwischendurch erkundschaften sie die neue Umgebung, knabbern an Bäumen oder spielen in den beiden Wasserbecken. Zusätzlich wurden mehrere Höhlen als Rückzugs- und Überwinterungsmöglichkeit angelegt.

Die mächtigen Petze in ihrer neuen Heimat zu beobachten, ist ein wundervoller Anblick, doch die über 50.000 US-Dollar teure Bärenrettung droht in einem Fiasko zu enden: Jósef Kósa darf in der von der Welttierschutzgesellschaft (WSPA) errichteten Anlage als "Tierpfleger" arbeiten. "Die Unterbringung der Bären ist jetzt zwar fast optimal, aber es ist ein unglaublicher Skandal, daß hier mit Spendengeldern einem Tierquäler ermöglicht wird, weiter auf Tiere einzuprügeln und sie für seine fragwürdigen Shows zu mißbrauchen", so Rita Dubois, Geschäftsführerin der Schweizerischen Gesellschaft für Tierschutz/Pro Tier. "Eine Dreistigkeit sondergleichen, das ganze der Öffentlichkeit als großartige Rettungsaktion zu verkaufen. Die Bären können auch in Zukunft nicht in Ruhe und Frieden leben", meint sie enttäuscht. Die Schweizer Tierschutzorganisation hatte bei der WSPA wiederholt vehement darauf gedrängt, daß Jósef Kósa der direkte Umgang mit den Bären verboten wird.

Doch er hat ungehinderten Zugang und kann die Tiere weiter quälen und mit Eisenstangen malträtieren. Bereits am Tag der Eröffnung der Anlage vollführte er vor laufenden Kameras seine makabren Kunststücke mit den völlig verängstigten Bären. Deren Erinnerung an das schreckliche Leben in der "Bärenhölle von Gödöllö" dürfte damit wohl kaum verblassen.


 
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