© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/98  20. November 1998

 
 
Zeitschriftenkritik: "Spektrum der Wissenschaft"
Die Welt besser verstehen
Werner Olles

Vor 25 Millionen Jahren tobte ein Hurrikan an einer Küste Mittelamerikas und verwüstete einen hohen Wald. Aus den Aststümpfen und zerborstenen Stämmen der Laubbäume quoll gelbes Harz. Viele Organismen blieben daran kleben, manche wurden ganz eingeschlossen. Auch eine Termite, die im morschen Holz Brutgänge bohrte, fiel dem zähen Saft zum Opfer. Als vor wenigen Jahren ein Bernsteinjäger in der Dominikanischen Republik nach neuen Fundstellen suchte, stieß er auf den Klumpen einer Kohleader und erblickte nach dessen Reinigung im gelbgläsernen Schimmer des Bernsteins die große Termite mit ausgestreckten Beinen und leicht abgespreizten Flügeln. Tatsächlich enthält die vor allem durch den Spielberg-Film "Jurassic Park" verbreitete Mär, im Bernstein seien stechende Insekten konserviert, aus deren komplettem Erbmaterial im Blut man die Dinosaurier wiedererstehen lassen könne, ein Quentchen Wahrheit. Fragmente von DNA-Molekülen aus der Kreidezeit sind erhalten, und Erbgutanalysen der Inklusen aus dem mittleren Tertiär durchaus möglich. Das fossile Harz des Bernsteins wirkt als Biokonserve und gibt so Zeugnis von entscheidenden Epochen der biologischen Evolution.

Spektrum der Wissenschaft ist aber auch auf der "Suche nach Leben auf fernen Planeten", analysiert die sozialen und kulturellen Risiken der Multimedia-Gesellschaft und untersucht den "Ferntourismus und seine Auswirkungen auf Entwicklungsländer". Andere Themen sind die Vereinigung von Relativitätstheorie und Quantenphysik, die immer noch nicht abzusehen ist, ein Vermächtnis von Albert Einsteins Mißtrauen gegenüber dem Wesen von Raum und Zeit. Unvoreingenommen geht die Zeitschrift auch der Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Entropie der sogenannten Schwarzen Löcher und der Richtung des Zeitpfeils nach. So liefert die Zeitschrift Denkanstöße für ein realistisches und zukunftsoffenes Weltbild, informiert objektiv und sachlich über den aktuellen Stand der Naturwissenschaften, der Forschung und Technologie, ohne dabei in Fachchinesisch und graue Theorie zu verfallen. Spektrum der Wissenschaft gehört zu den wenigen wissenschaftlichen Periodika, die nicht auf dem Ticket einer angeblichen Fortschrittstheorie Diagnosen stellen und Therapien verabreichen, die dem Patienten dann unbekömmlich sind. Vielmehr versucht man hier mittels streng seriöser Untersuchung, Analyse und Forschung den letzten Dingen auf die Spur zu kommen. Das bedeutet aber nicht, daß nicht auch kontroversen Theorien exakt nachgegangen wird. So ist die Zeitschrift nicht nur für den Naturwissenschaftler eine wahre Fundgrube, sondern auch für den interessierten Laien von unschätzbarem Wert. Als regelmäßiger Leser wird er vieles besser verstehen, was anderen verschlossen erscheint. Zumindest eine Kostprobe davon lohnt sich auf jeden Fall. Danach legt man die Zeitschrift so schnell nicht wieder aus der Hand.

"Spektrum der Wissenschaft" erscheint monatlich im gleichnamigen Verlag. Vangerowstr. 20. 69115 Heidelberg. Einzelheft 11,50 DM, Jahresabo 125,40 DM.


 
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