© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/98  11. Dezember 1998

 
 
"Bündnis für Arbeit": Beim Kanzler trafen sich Industrie und Gewerkschaften
Warten auf ein Signal
Michael Oelmann

Dafür, daß das Treffen von fünfzehn Männern aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften zu Wahlzeiten geradezu zur Tafelrunde der Wundermänner stilisiert wurde, wirkte das erste Treffen für das "Bündnis für Arbeit" eher nüchtern. Am Montag in Bonn im Kanzleramt, da war nichts von feierlichem Tatendrang, und erst recht nichts vom Fluidum etwa eines nationalen Paktes zu spüren.

Schröder hatte seine liebe Not, das vielbeschworene Treffen von Wirtschaftsvertetern, Regierung und Gewerkschaften kleinzureden. Dies sei eigentlich nicht das "Bündnis" selbst, sondern nur das Vorgespräch dazu. Man wolle "im Gespräch bleiben". Im Vergleich zu der Art und Weise, wie das "Bündnis für Arbeit" im Wahlkampf gleichsam als Wirtschaftswundermittel beschworen wurde, war das ein echter Rückzieher. Wo man bei Schröder und Lafontaine, bei Riester oder Müntefering in Wahlzeiten auch bohrte, statt Konkretem flüchtete man in das Allheilmittel "Bündnis für Arbeit". Taktisch war diese Konzentration auf die künftige Gesprächsrunde von den Imagestrategen der SPD clever gewählt. Sollte das Bündnis scheitern, hätte man schon jetzt eine Entschuldigung zur nächsten Wahl parat.

Doch gescheitert ist es nicht. Angesichts des Gegenwindes, den die neue Regierung mit ihren ersten Amtstaten in wirtschafts- und steuerpolitischen Fragen geerntet hatte, kann Schröder die Ergebnisse gar als Erfolg verbuchen. Lob gab es auch von Seiten der Gesprächsteilnehmer. Dieter Schulte, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sah eine "gute Grundlage für weitere erfolgversprechende Verhandlungen". Auch der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Hundt, zeigte sich zufrieden, daß wenigstens nichts geplatzt war an diesem Montag in Bonn.

Konkret hat man sich auf die gemeinsame Unterstützung eines staatlichen Programms gegen Jugendarbeitslosigkeit und für Ausbildung geeinigt. Und die Wirtschaftsvertreter konnten sich freuen, Schröder ein "vielleicht" beim Vorziehen der Unternehmenssteuerreform auf das Jahr 2000 abzuringen. Ein neues Gesprächstreffen ist auch schon vereinbart worden, der 25. Februar, und das Ganze heißt jetzt "Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit".

Der Sache näher gekommen ist wohl der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Walter. Er bezeichnet die Zielsetzungen als "unverbindlich und nutzlos". Tatsächlich, die Punkte der gemeinsamen Erklärung sind alle altbekannt, ein Sammelsurium von Wirtschafts- und Gewerkschaftsforderungen, deren Interessenausgleich Zweck der Dauerveranstaltung sein wird. So leicht aber wird sich der Regierungsanspruch, die deutliche Senkung der Arbeitslosigkeit herbeizuführen, nicht einlösen lassen.

Was kann ein nationales "Bündnis" überhaupt erreichen in Zeiten der Globalisierung? Die Regierung will die Folgen globalwirtschaftlicher Umbrüche national lösen, mit Programmen, die letztlich die heimische Wirtschaft wieder belasten. Die Wirtschaft fordert dagegen berechtigt Entlastung, im Falle der Multi-Konzerne aber zur Erzielung von Gewinnen, die wiederum in die supranationalen Geld- und Finanzmärkte entschweben. Die Symptome der Krise will man hier und da bekämpfen, aber reicht es zur Lösung des Kernproblems, daß ein ehemals wirtschaftlich kräftiges Land an der globalen Nivellierung Schaden nimmt?

Die Lösung der Probleme vermuten nicht wenige im Binnenmarkt, das heißt im Mittelstand. Dort, wo verdientes Geld ausgegeben und investiert wird, wo Arbeitsplätze geschaffen und marktfähige Innovationen entwickelt werden. Doch die Wahrheit ist: Für den Schutz und die Förderung des mittelständischen Binnenmarktes ist im momentanen "Globalisierungs-Dogma" wohl kein Platz mehr.

Am deutlichsten hat dies die Tatsache symbolisiert, daß an der Tafelrunde der Bündnismacher kein Platz war für die Mittelständler. Sie haben zwar 97 Prozent aller Unternehmer hinter sich und schaffen 80 Prozent aller Arbeits- und Ausbildungsplätze. Aber ihre Probleme lassen sich nicht verhandeln, im Gegenteil. Sozialpläne und Frühverrentung, Ausbildunsgplatzabgaben oder Arbeitszeitreduzierung, all dies, was die Big Players aus Gewerkschaft, Industrie und Regierung beschließen mögen, geht vor allem auf Kosten der Mittelständler. Deren Forderungen sind einfach: Entlastung von Steuerlast und Reglementierung, von Lohnnebenkosten und Abgabenlast.

Dies werden sie von der Regierung Schröder-Lafontaine nicht erwarten dürfen. Die SPD-Regierung ist weiter von dem nötigen Strukturwandel, von einem Richtungswechsel hin zu mehr Leistungsspielraum und weniger Staat entfernt, als man es der Regierung Kohl mit dem Wahl-Denkzettel vergolten hat. Darüber kann auch das harmonische erste "Bündnis"-Treffen nicht hinwegtäuschen.


 
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