© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/98  11. Dezember 1998

 
 
Uwe Greve: Wenn ein Goethedenkmal durch die Bäume schillert
Eine Verführung zum Lesen
Klaus Hornung

Diese vergnügliche Sammlung von Geschichten aus der weiten Welt der Bücher und ihrer Autoren will die menschliche, oft allzu menschliche Seite der Schriftstellerexistenzen und des Literaturbetriebs zeigen. Sie will zum Schmunzeln, vor allem aber zur Literatur hinführen. Da antwortet etwa Immanuel Kants treuer Diener auf die Bitte eines Besuchers, wenigstens die Bibliothek des abwesenden Philosphen sehen zu dürfen: "Wir haben keine Bibliothek; wenn wir Bücher schreiben, schreiben wir sie aus dem Kopf." Und Georg Christoph Lichtenberg antwortet einem jungen Schriftsteller, der um sein Urteil bat, er habe dessen Buch "mit dem größten Vergnügen aus der Hand gelegt".

Da wird von der Eitelkeit der Autoren berichtet, etwa von August Wilhelm Schlegel, der nur geschminkt mit Perücke und Taschenspiegel zur Vorlesung ging. Aber auch von Ferdinand Raimunds Erben, die dessen nachgelassene Schriften als Einwickelpapier verschenkten. Heinrich Heines Onkel Salomon meinte über den Neffen: "Hätte der dumme Junge etwas gelernt, so brauchte er keine Bücher zu schreiben". Theodor Fontane und der berühmte Arzt Rudolph Virchow warben einmal um dieselbe Dame, und Virchow bemerkte gegenüber dem Dichter schnippisch: "Wenn sie Ihre faden Romane liest und erkrankt, so werde ich sie wieder gesund machen", worauf Fontane entgegnete: "Und wenn sie an Ihrer Medizin stirbt, werde ich sie unsterblich machen." In "Cécile" hat Fontane der jungen Frau dann ein bleibendes Denkmal gesetzt.

Uwe Greve erinnert in der Sammlung aber auch an heute vielfach vergessene Autoren, etwa an Ernst Wiechert, dessen Bücher "Die Majorin", "Wälder und Menschen" und "Missa sine Nomine" in den dreißiger Jahren geradezu Kultbücher gewesen sind, oder an Joseph Weinheber und seinen großen Gedichtzyklus "Adel und Untergang". Oder wer kennt heute noch Ludwig Reiners und seine "Deutsche Stilkunst" und seine Darstellung des Untergangs der wilhelminischen Epoche "In Europa gingen die Lichter aus"? Manche Buchtitel wurden zu geflügelten Worten, etwa Hans Falladas "Kleiner Mann was nun?" oder Franz Werfels "Nicht der Mörder, der Ermordete ist schuldig". Eine hübsche Charakterisierung der Political Correctness entnimmt Greve dem Wiener vom April 1995: Sie bedeute "nichts anderes als die immer drohende Diktatur der Halbgebildeten und Humorlosen über Sprache und Gesellschaft."

Greve scheut sich aber auch nicht, Erwin Strittmatter, den gelernten Bäcker aus Spremberg und zeitweiligen Aushängeschriftsteller der DDR zu zitieren, der einmal von der "verjüngenden Kraft der Poesie" gesprochen hat. Eben um sie geht es ihm, dem Sammler der Anektoden und Denkwürdigkeiten. Greve setzt seine Hoffnung auf diesen Weg, den einen oder anderen doch wieder einmal in die reichen Gefilde des Fühlens und Denkens in Literatur und Dichtung zu entführen.

Uwe Greve: Wenn ein Goethedenkmal durch die Bäume schillert. Husum Verlag, Husum 1998, 320 Seiten, 34,80 Mark


 
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