© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52 u. 53/98  18. Dezember / 25. Dezember 1998

 
 
CD: Volkslieder
Schwarz-Rot-Gold
Veit Weber

Welchen Anteil hat ein Lied am Verlauf einer Revolution? Sicherlich keinen meßbaren. Aber ein Lied, dessen Text die politische Stimmung der Zeit trifft und dessen eingängige Melodie diesen Text breiten Schichten bekannt macht, kann Aufbruchstimmung erzeugen und den Zusammenhalt der revolutionären Menge stärken.

Der lettische Weg der frühen 90er Jahre aus der Abhängigkeit von Rußland hin zum selbständigen Staat, wurde als "Revolution der Sänger" bezeichnet. Hunderttausende kamen zu Sängerfesten in der Hauptstadt Wilna zusammen und besangen in alten und neuen Volksliedern die lettische Identität und den Willen zur Unabhängigkeit. Dagegen mußte man in den stürmischen Wochen des Herbstes 1989 entlang der Berliner Mauer etwas anderes feststellen: Hier suchte ein Volk nach Liedern für den historischen Moment und fand neben "We are the champions" keine anderen.

In den stürmischen Jahren der Befreiungskriege, im Vormärz und schließlich im Revolutionsjahr 1848 selber, lebte das politische Lied in den Köpfen der Deutschen. Die politische Situation der Kleinstaaterei und die Forderungen nach politischer Veränderung wurde in teils bissigen, teils ironischen oder belehrenden Texten beschrieben und beklagt. Dabei blühte die geschickte Anspielung und der indirekte Angriff auf Mißstände: eine Folge der Zensur politischer Texte durch die Obrigkeit.

Studenten der "Deutschen Gildenschaft" haben aus dem reichen Repertoire 22 Lieder aus der Zeit von 1817 bis 1848 ausgewählt und in wechselnden Besetzungen eingespielt. Die "Deutsche Gildenschaft" (gegründet 1923) ist eine Studentenverbindung, die ihre Wurzeln im studentischen Korporationswesen und in der Wandervogelbewegung hat; das begründet den inhaltlichen Bezug zur Revolution von 1848. Die Wandervogelbewegung läßt sich an der besonderen musikalischen Aufbereitung ablesen: Als Begleitinstrument herrscht die Klampfe vor. Als gemischte Verbindung hat die "Deutsche Gildenschaft" einige Lieder mit weiblichen Stimmen vertont.

Der Erfolg eines politischen, auf eine Situation hin getexteten Liedes hängt davon ab, ob sich eine eingängige, möglichst schon bekannte Melodie dafür findet. Weit verbreitete Volkslieder boten sich gerade 1848 für diesen Zweck an. So passen auf die Weise "Sah ein Knab ein Röslein stehn" etwa einige Strophen über die mißglückte Zensur politischer Bücher und Schriften: Und der gute Fürst verbot/ s´Büchlein in dem Lande; Büchlein aber litt nicht not,/ ging recht ab wie warmes Brot ging von Hand zu Hande. Büchlein, Büchlein, Büchlein keck, Büchlein bleibt im Lande.

Für einige Texte mußten Melodien neu gefunden werden, und auch diese Aufgabe haben die Studenten gut gelöst, indem sie sich nicht in komplizierten Vertonungen darstellen wollten, sondern beim einfachen und eingängigen volksliedhaften Stil blieben. Im Beiheft sind alle Liedtexte dokumentiert und durch Anmerkungen zu Verfassern oder geschichtlichen Ereignissen ergänzt. Für ein Vorwort zur historischen Bewertung der gescheiterten Revolution konnte der Göttinger Historiker Karlheinz Weißmann gewonnen werden.

So liegt nun eine insgesamt hörenswerte Sammlung politischer Lieder aus der Zeit der deutschen Nationalbewegung vor. Veit Weber

Schwarz-Rot-Gold: Freiheits- und Revolutionslieder von den Befreiungskriegen bis zur Revolution 1848. Bezug: Die Schallquelle, Musikvertrieb, Postfach 1105, 89555 Steinheim.


 
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