© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52 u. 53/98  18. Dezember / 25. Dezember 1998

 
 
Jahresrückblick 1998: Es geht auch anders weiter, hier und anderswo
Sieger und Verlierer
Frank Liebermann

1998 war einiges geboten. Bundestagswahl, Fußballweltmeisterschaft und andere wichtige Dinge sorgten für allerlei Unterhaltung. Die bedeutendsten Ereignisse in diesem Jahr wollen wir mit heiterem Blick Revue passieren lassen.

Nun ja, jedes Jahr hat seine Helden. Einer der größten: Leonardo Di Caprio. Warum? Das können einem geistig gesunden Menschen nur schreiende Teenies erklären. Di Caprio ist ein Milchbubi, der aussieht, als ob ihn die Mammi schön gekämmt hat. Seine Rolle in "Titanic", dem teuersten Film aller Zeiten, hat er vermutlich auf der Besetzungscouch erhalten.

Revolutioniert hat die britische Boulevardzeitung Sun ihre dritte Seite. Dort gibt es nur noch Oben-ohne-Mädchen, deren Oberweite nicht künstlich vergrößert wurde. Ein großer Sieg der Emanzipation.

Das größte Comeback des Jahres gelang einem Duo, das schon vor Jahren die Menschen in Angst und Schrecken versetzte: Modern Talking. Dieter Bohlen verprügelt seine Frau, sammelt teure Autos und hat eine große Klappe. Eigentlich ist er jemand, den man gern haben müßte, würde er nur nicht singen. Ganz anders sein Partner. Thomas Anders ist eine Null. Bei seiner Frau hatte er nichts zu melden, Auto fahren kann er nicht, und Gescheites kommt nie aus seinem Mund.

Während Bohlen seiner Frau eine reinhaute, wenn das Essen nicht schmeckt, ließ sich Anders Fototermine von seiner Frau streichen. Modern Talking ist nicht nur wiedervereint, beide sind auch glücklich geschieden. Dieter Bohlen hatte es auch ohne Anders zu Weltruhm gebracht. Mit Liedern und Texten, die die musikalische Antwort auf McDonalds darstellen, hatte Bohlen schon lange Erfolg. Mit der Wiederauflage von Modern Talking gelang ihm der ganz große Wurf. Millionen CDs ließen sich binnen kürzester Zeit verkaufen. Selbstverständlich änderte die Formation ihr altbackenes Image: der lächerliche Fransenlook wich den schwarzen Anzügen und die alten Titel wurden mit ein paar Technoversatzstücken aufgemotzt.

Neu ist nichts. "Brother Loui", "Cherry Baby" und "You are my heart, you are my soul" sind alt. Der Mut ist bewundernswert. Nur mit alten Titeln eine Platte aufzunehmen verdient Respekt. Vor allem angesichts der Tatsache, daß die beiden hochbegabten Künstler trotzdem Erfolg haben.

Daß es in der Musik auch anders geht, zeigte uns Guildo Horn. Mit Platte, Bauch und deutschen Texten gewann er die deutsche Grand-Prix-Ausscheidung souverän. Nur international hatten die Fans den Nußecken-Fan nicht lieb. Guildo Horn rechnete mit dem 15. Platz, erreichte immerhin den 7. Dem ehemaligen Bademeister gelang es, den deutschen Schlager zu revolutionieren.

Verlierer des Jahres in der Rubrik Sport ist Hans-Hubert Vogts. Nicht weil er die WM versaute. Da haben auch die Spieler einen großen Beitrag dazu geleistet. Auch nicht für seine Gesamtbilanz, die sich sehen lassen kann. Erbärmlich war sein Abgang. Anstatt mit Anstand und Würde zu verschwinden, wie das sein Parteifreund Helmut Kohl getan hat, holte er zu völlig unqualifizierten Rundumschlägen aus. Knapp gegen Mexiko ins Viertelfinale gekommen, anschließend von den Kroaten mit 3:0 abgeschossen. Die Altherrenelf mußte sich aus Frankreich verabschieden, wenig später Vogts von der Nationalmannschaft. Andere Rentner dagegen sind immer noch sehr leistungsfähig. John Glenn flog mit 77 Jahren erneut ins Weltall und zeigte, daß er nicht zum alten Eisen zählt.

Als wahres Wundertier präsentierte sich Manni. Manni, das Känguruh aus dem Tierpark Bad Pyrmont, entfloh seiner Gefangenschaft. Fünf Wochen lang hüpfte es durch die Wälder. Tagelang hetzten Hobbyjäger und Kamerateam hinter dem Tier her. Leider ohne Happy End: Manni übersah einen Zug und wurde an den Gleisen zermatscht aufgefunden.

Das medizinische Wunder des Jahres war nicht die Erlösung vom Krebs oder ein Mittel gegen AIDS. Nein, es gab zwei viel tollere Erfindungen: Viagra und die Anti-Zellulite-Pille. Eigentlich bräuchten Männer ja Viagra nicht, wenn sich die Frauen ein wenig mehr ins Zeug legen würden. Da sie das aber nicht tun, ist Mann auf solche Hilfsmittel angewiesen. Angeblich kann jetzt jeder und immer. Hätte es schon früher die Anti-Zellulite-Pille gegeben, wäre Viagra wahrscheinlich überflüssig gewesen.

16 Jahre hatte Helmut Kohl Deutschland geführt. Im September war dann alles zu Ende. Der Bundeskanzler mußte gehen. Am Wahlabend wurde auch dem Dümmsten klar, daß eine neue Politikergeneration die alte ablöste. Gerhard Schröder verkörpert den neuen deutschen Politikertyp, der in der Nachkriegszeit aufgewachsen ist.

Ohne Ecken und Kanten, populistisch bis zur Selbstverleugnung, eine lebendige Phrasendreschmaschine mit höchster Medienkompetenz. Nur einer solchen Person konnte es gelingen, da· mächtigste Amt im deutschen Staat zu erringen. Die Bundesbürger dürfen nun jeden Tag sehen, was sie mit ihrer Wahl angerichtet haben.

Paar des Jahres sind Monica Lewinsky und Bill Clinton. Monica muß einfach jeder mögen. Sie ist die Frau, die den amerikanischen Präsidenten zutiefst erregte. Während Bill mit seinem Minister telefonierte, verwöhnte ihn Monica kniend. Wir danken aber auch Bill Clinton. Dieser mußte sich zwar demütigen und entblößen lassen, aber dafür wissen wir, für was man Zigarren außer zum Rauchen sonst noch gebrauchen kann. Danke Bill!

Daß Medien in Deutschland nicht sonderlich seriös sind, ist nichts neues. Den Vogel abgeschossen hat der Sender Pro Sieben. Mit einer Anzeige, die 25.000 DM versprach, suchte der Sender einen Profikiller. Pech für die Journalisten. Der einzige, der sich meldete, brachte gleich die Polizei mit und ließ die angebliche Auftraggeber verhaften.

Einen anderen Umgang mit Frauen pflegt Tommy Lee. Dieser muß für sechs Monate ins Gefängnis weil er seine Frau Pamela Anderson verprügelte. Die ist jetzt zufrieden: "Ich bin stolz auf ihn, weil er jetzt endlich Verantwortung tragen muß."


 
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