© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    01/00 24. Dezember / 31. Dezember 1999


Musikgeschäft: Wie linke Produzenten mit "rechter" Subkultur Kasse machen
Knete von verlorenen Jungs
Frank Winter

Waren bis vor kurzem "die Skinheads" und ihre Musik noch der Inbegriff des Bösen, ist man seit spätestens 1993 strengstens bemüht, wenn möglich, deren Geld in die eigenen Taschen fließen zu lassen. Der Anfang machten am Anfang der achtziger Jahre amerikanische Hardcore-Bands wie zum Beispiel Slap-shot aus Boston. Sänger "Choke" stand im Verdacht, ein böser "Nazi" zu sein, denn schließlich war es seine Plattenfirma "Taang Records", die in den achtziger Jahren politisch eindeutige Platten der deutschen Firma "Rock-O-Rama" in die Staaten imponierte (u.a. das Skrewdriver-Album "Blood & honour", zu deutsch "Blut & Ehre"), um damit den musikalischen Grundstein der amerikanischen "White Power" Bewegung zu legen. Nebenbei sang "Choke" in den beiden Studio-Projekten Last Rights und Stars & Stripes. Last Rights produzierten eine Single, deren Cover die Nazi-Größen des Dritten Reiches zierten und die laut Begleittext "in den Öfen von Auschwitz" aufgenommen wurde ("recorded in the ovens of Auschwitz"). Deutsche "Rechtsrocker" sind schon wegen weniger verurteilt worden.

Stars & Stripes dagegen spielten weniger mit schmuddeligem Nazitum und Provokation, sondern vertonten derweil amerikanischen Patriotismus in seiner aggressivsten Form: Dort ist von Skinhead-Gangs "shaved for battle" (rasiert für den Kampf) die Rede, welche die Feinde Amerikas von der Straße jagen, und von ehemaligen Vietnam-Kämpfern, die um ihren verdienten Sieg betrogen wurden und heute im eigenen Land als Außenseiter zum Dahinsiechen verdammt sind.

Stars & Stripes veröffentlichten ihre kämpferische Musik auf dem Taang-eigenen Unterlabel "Patriot Records", die auch die Debut-LP der Band Forced Reality produzierten. Jene richtet sich eindeutig gegen Einwanderer aus den südlichen Nachbarländern: "This is my land, not your land, this is my land". Nebenbei bemerkt, kamen beide Produktionen vor kurzem unter offizieller Taang-Flagge als CD wieder auf den Markt. Kamerad "Choke" durfte sich in diversen linken Punkt- und Hardcoremagazinen reinwaschen, die Texte seien als "Verarschung" der amerikanischen Skinhead-Szene gemeint. Während er mit seiner "Hauptband" Slapshot durch deutsche Antifa-Zentren tourte und hier und da ein Benefiz-Konzert gab, vermarktete die umsatzträchtigste deutsche Rechtsrock-Firma "Rock-O-Rama" seine Scheiben europaweit.

Spätestens hier sollten eigentlich der deutschen Tourneeleitung "M.A.D." aus Kreuzberg die Augen und Ohren aufgehen und Alarm geschlagen werden, doch weit gefehlt: Schließlich waren die Hallen im "Fatherland" jedesmal gut gefüllt, denn jetzt strömten auch die bislang zu ungeliebten Glatzköpfe in die linken Läden und konsumierten freudig. Ärger gab es selten, man verstand sich auf De-Eskalation: Macht eure Aufnäher ab und laßt den rechten Arm unten, dann dürft ihr auch rein, tanzen und euch besaufen.

Spätestens jetzt hatte man in Berlin gemerkt, daß man sein Geld auch mit "den Rechten" verdienen kann: Während die Horden arbeitsloser Punks vor der Halle lungerten und sich mit mitgebrachten Aldi-Bierbüchsen vollaufen ließen, um den richtigen Moment abzuwarten, ab dem man keinen Eintritt mehr zahlen mußte, stand das frühere Feindbild drinnen an der Theke und sorgte für den Umsatz.

Positiv überrascht und finanziell im "grünen Bereich", ging man ab 1993 noch einen Schritt weiter und sicherte sich deutschlandweite Veranstaltungen mit englischen Bands wie The Business und Cock Sparrer. Beide gehörten selbstverständlich nie zu den "Hardlinern" der Glatzen wie etwa die eindeutige Bands Skrewdriver und Brutal Attack, standen aber vorher stets im Verdacht des Verruchten. Schließlich waren die Texte beider Bands immer ohne Wenn und Aber patriotischer Natur, und die Musiker von Business saßen schon mal in Londoner Skinhead-Pubs mit Ian Stuart von Skrewdriver zusammen. Aber letzterer war inzwischen bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen und welcher deutsche Linke interessiert sich schon für alte Bekanntschaften im fernen London? Da übersieht und -hört man auch schon mal Konzertmitschnitte der Bands auf Video, in deren Verlauf die Musiker grinsend vor einem "Sieg Heilenden" Skinhead- und Punk-Publikum stehen und ihre "eigentlich anders gemeinten" Lieder spielen. Hätte ein Jahr zuvor ein Konzert mit The Business in irgendeinem sächsischen Kaff stattgefunden, wäre die Antifa in gutmenschlicher Tradition auf die Barrikaden gegangen, wenn dieselbe Band auf einmal im politisch korrekten Kreuzberger SO 36 spielt, läßt man sogar die alten Feinde der Hertha-Hooligans Endsieg und den ehemaligen Sänger der Berliner NF-Band Kraft durch Froide kommentarlos in die Halle und natürlich unbeschadet wieder raus. Zwar erinnert man alles und jeden bei jeder Gelegenheit lautstark an das dritte Reich und das damit verbundene Unrecht; daß die heutige zahlungskräftige Kundschaft einige Jahre vorher noch jährlich mit schwarz/weiß/roten Fahnen vor das Spandauer Kriegsverbrechensgefängnis zog, um dort lautstark "Freiheit für Rudolf Hess" zu fordern, verdrängt man hingegen solange die Kasse stimmt. Geld stinkt nicht.

Geld stinkt nur, wenn es in neutrale oder rechte Taschen fließt. So hat zum Beispiel auch heute noch die deutsche Punkband Pöbel & Gesocks mit Boykotten zu rechnen, weil deren Sänger Anfang der achtziger Jahre in der rechten Skinband Body Checks die Saiten zupfte.

Daß es auch anders geht, beweisen die Verlorenen Jungs aus Dinslaken. Diese Band stand bis vor kurzem im Verdacht "rechtsradikal" zu sein. Zwar geben die neutralen Texte der vier Musiker keinerlei Aufschluß über irgendeine politische Richtung, aber "mensch" will "gehört haben", daß zwei Mitglieder vor Jahren an einem Anschlag auf ein Asylantenheim beteiligt waren, ein weiterer angeblich irgendwo ein Hakenkreuz tätowiert habe und der vierte nebenbei in einer rechten Band spielt. Solche Gerüchte werden natürlich nicht öffentlich gemacht, sondern man tritt an die Musiker heran und unterbreitet ihnen ein Angebot, welches sie nicht ausschlagen können. Mittlerweile haben die Verlorenen Jungs ein Lied zu einer CD beigesteuert, deren Erlös antifaschistischen Gruppen zugute kommt, und alles Gerede war mit einem Schlag verstummt. Anderweitig würde man dieses Verhalten wohl als "Schutzgelderpressung" geißeln, aber es ist ja für einen guten Zweck. Und so darf auch der Schlagzeuger der Verlorenen Jungs weiterhin die Tantiemen seiner Nebenband Rabauken einstreichen, die den Titel "Unser Vaterland" umsatzträchtig vermarkten, während ein weiteres Mitglied der Rabauken mit der Störkraft-Nachfolgeband Starkstrom auf sächsische Käffern für die dort ansässige "Blood & Honour"-Organisation spielt.

Ein Paradebeispiel doppelter Moral ist die genannte Konzertagentur M.A.D. aus Berlin-Kreuzberg und der firmeneigene Musikvertrieb "Bad Dog Records". Man boykottiert schon mal Läden, in denen angeblich "rechte Veranstaltungen" stattfinden sollen und die "rechtes Securitypersonal" beschäftigen. Unter diesen Umständen kann man die Berliner Band Troopers dort auf keinen Fall spielen lassen. Daß man selbst Leute beschäftigt, die "früher", also zwischen 1945 und heute, noch bei den Hertha-Hooligans unter dem Namen Zyklon B ihre ersten völkisch-kollektiven Gewalterfahrungen gesammelt haben, will man heute nicht mehr wissen. Allerdings hat man kein Problem damit, die CDs der Troopers über nationalistische Vertriebe wie zum Beispiel "Ohrwurm Records" an den "braunen" Mann zu bringen. Und zur selben Zeit laufen wieder im heimischen SO 36 Konzerte mit S.O.D. aus Amerika, deren Sänger und Texter Billy Milano (vor einigen Jahren selbstverständlich noch ein böser Nazi) in schäfster Form gegen Drogenabhängige singen darf im Song "aren’t you hungry" afrikanische Staatsmänner dahingehend belehrt, daß sie die amerikanische Entwicklungs- und somit Steuergelder mit dem Kauf von Waffen verplempern. Noch vor einigen Jahren wäre dies von linker Seite als "menschenverachtende imperialistische Einmischung" tituliert worden, aber mittlerweile schaltet man den Empfang der Betroffenheits-Antennen aus und zieht sich mit der Abendkasse ins wirklich und wahrhaft sozialistische Kreuzberg zurück.


 
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