© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/99 08. Januar 1999


Doppelte Staatsbürgerschaft: Union will Unterschriftenaktion starten
Der Konflikt spitzt sich zu
Alexander Schmidt

Der Vorstoß der Christsozialen auf ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth hat nicht nur in der neuen Regierung zu heftiger Kritik geführt. Geplant ist eine bundesweite Unterschriftenaktion zur doppelten Staatsbürgerschaft, mit der man die drohende Gesetzesnovellierung zugunsten der Zweistaatlichkeit von hier lebenden Ausländern stoppen will.

Während die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Marieluise Beck (Bündnis 90/Die Grünen) noch von einem Spiel mit dem Feuer sprach, bewerten Ausländerverbände die reine Diskussion um eine Unterschriftensammlung schon als "geistige Brandstiftung" und "gefährliche Hetze". Die SPD-Politikerin Cornelia Sonntag-Wolgast, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, warf den Kritikern der Regierungspläne "Brunnenvergiftung" vor.

Die Position der Freien Demokraten ist gespalten. Gegenüber der grundsätzlichen Ablehnung einer Unterschriftenaktion, die FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle als "Stimmungsmache" sieht, steht Wolfgang Gerhardt hinter dem Vorhaben der CSU. "Einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft als Regelfall stimme ich zu", sagte der FDP-Chef im Westdeutschen Rundfunk. Dennoch brauche man eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes, erklärte Gerhardt.

Ähnlich reagierte der Bundesvorsitzende der Republikaner, Rolf Schlierer, der die Unterschriftenkampagne zwar begrüßte, aber gleichzeitig auch die Umsetzung anmahnte. "Die geplante Unterschriftenaktion", sagte Schlierer "bleibt ein wirkungsloser PR-Gag, wenn sie nicht von einem grundsätzlichem Kurswechsel in der Ausländerpolitik begleitet wird." Die Union habe jetzt die Chance, aus den "katastrophalen Fehlleistungen" der Regierung Kohl, unter der die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer glatt verdoppelt worden sei, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, erklärte Schlierer.

Inzwischen will die Bundesregierung den Gegenangriff starten. In einer "Informationskampagne", so die Bonner Ausländerbeauftragte Marieluise Beck, wolle man für die geplante Reform werben und vermitteln, was wirklich in der Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnisgrünen gefordert würde, denn ,auch in der Bevölkerung wird es eine Mehrheit geben, wenn wir anständig argumentieren", erklärte Beck. Zur Folge hätte die Reform, daß 4,2 der 7,3 Millionen in Deutschland lebenden Ausländern den deutschen Paß bekämen, ohne ihre alte Staatsangehörigkeit zu verlieren.

Das fördere allerdings nicht die Integration von hier lebenden Ausländern, verteidigte der CDU-Vorsitzende Wolfgang Schäuble die Einwände der CDU, sondern "verstärkt die Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland deutlich." Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber geht davon aus, daß damit die Integrationsfähigkeit der Deutschen überlastet werde. "Das will das Volk nicht. Die Menschen spüren, daß das die Grenzen unser Identität sprengt", warnte Stoiber im Focus. Vielmehr importiere man ein großes Gewaltpotential nach Deutschland, daß die innere Sicherheit mehr gefährde, "als der Terror der RAF". Damit spricht Stoiber auf das Kurdenproblem an. Der Fall des in Italien aufgrund eines deutschen Haftbefehls festgesetzten PKK-Führers Öcalan im vergangenen Jahr hat belegt, wie sehr eine Regierung durch Terrordrohungen unter Druck gesetzt werden kann.

Stoibers RAF-Vergleich stieß indes auch bei Unionspolitikern auf Kritik. Der aus dem Bundestag ausgeschiedene CDU-Rechtspolitiker erklärte gegenüber dem Berliner Tagesspiegel, wer die doppelte Staatsbürgerschaft so verteufele wie der bayerische Ministerpräsident, der "treibt die Union in eine Zerreißprobe". Der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Rainer Eppelmann, warnte davor, die Aktion nicht auf "das plumpe Sammeln" von Unterschriften zu beschränken. Der frühere DDR-Bürgerrechtler hofft auf eine breite und sachliche Debatte, in der "die Emotionen niedrig gehalten" werden.

Ansätze zur Lösung der Staatsbürgerschaftsfrage sehen Politiker der bürgerlichen Parteien unter anderem in einem feierlichem Akt, in dem der Einbürgerungsbereite "in die Gemeinschaft des Volkes aufgenommen wird", so der Vorschlag des CSU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Zeitlmann. Ein Eid auf das Grundgesetz schließe die Integration ab. Trotzdem müsse es dann aber immer noch erlaubt bleiben, die Staatsbürgerschaft wieder abzuerkennen, wenn diese mit "betrügerischen Absichten" (Zeitlmann) erschlichen worden wäre.

So nah sich CDU und CSU in diesen Punkten sind, herrscht in der Frage des Unterschriftensammelns eine tiefe Kluft zwischen den Schwesterparteien. Während Volksentscheide in Bayern möglich sind, ist die CDU ein Verteidiger der repräsentativen Demokratie, die durch Volksentscheide untergraben werde. Will die CDU ihr bisheriges Gesicht als eigenständige Partei nicht verlieren, bleibt sie bei der Ablehnung der Unterschriftenliste – damit verliert sie aber auch die Möglichkeit, die Reform abzuwenden. Entscheidet sie sich, den Kurs der CSU einzuschlagen, droht ihr der Ansehensverlust. Eine Lösung kann nur bei der Überlegung gefunden werden, ob es wirklich der Präzedenzfall einer Volksbefragung ist.

Aktuellen Meinungsumfragen zufolge ist die Mehrheit der sozialdemokratischen Wähler ebenfalls gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Wenn die rot-grüne Bundesregierung dies nicht sehen will und gegen den Willen der eigenen Wähler handelt, ist eine Unterschriftenliste pro oder kontra die Reform legitim. Nicht als Entkräftung der repräsentativen Demokratie, sondern als Mahnung an die Regierung, den Auftrag der Wähler zu erfüllen und nicht eigene Ideen durchzusetzen.

Wer soll die Staatsbürgerschaft erhalten?

In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern, wenn ein Elternteil bereits hier geboren wurde oder als Minderjähriger bis zum 14. Lebensjahr nach Deutschland eingereist ist und über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügt.

Außerdem erhalten unter den Voraussetzungen von Unterhaltsfähigkeit und Straflosigkeit einen Einbürgerungsanspruch:

Ausländer mit achtjährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt

minderjährige Ausländer, von denen wenigstens ein Elternteil zumindest über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfügt und die seit fünf Jahren mit diesem Elternteil in familiärer Gemeinschaft in Deutschland leben

ausländische Ehegatten Deutscher nach dreijährigem rechtmäßigen Inlandsaufenthalt, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei Jahren besteht

(Aus der Koalitionsvereinbarung)


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