© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/99 08. Januar 1999


FPÖ: In diesem Jahr entscheidet sich die politische Zukunft der Freiheitlichen Partei Österreichs
Haiders letzte Chance
Andreas Mölzer

Jörg Haider geht 1999 in sein 50. Lebensjahr, ist seit nahezu einem Vierteljahrhundert Berufspolitiker
und seit 13 Jahren Bundesparteiobmann der FPÖ. Von seinem vorrangigen Ziel, nämlich die Politik im Lande in Regierungsverantwortung zu bestimmen, ist er – glaubt man den etablierten Medien und Politkommentatoren – weiter entfernt als je im letzten Jahrzehnt. Nach all den Krisen, die die FPÖ 1998 durchgemacht hat und nach den mehrmaligen Rücktrittsdrohungen des Parteichefs scheint es so, als habe er sich im großen Wahljahr 1999 selbst noch einmal eine letzte politische Chance gegeben.

Dabei setzen die Freiheitlichen ganz offenbar in erster Linie auf die Kärntner Karte. In Haiders Wahlheimat und seinem politischen Stammland, in dem er das traditionell starke dritte Lager mit 34 Prozent zur zweitstärksten Partei "pushte", und wo nach 1945 die jahrzehntelang andauernde absolute rote Dominanz gebrochen wurde, und wo er zwei Jahre selbst 1989 bis 1991 Landeshauptmann wurde, scheinen die Chancen für einen gravierenden Erfolg auch tatsächlich am besten zu sein. Umfragen in den vergangenen Monaten attestierten der FPÖ, Kopf an Kopf mit den Sozialisten zu liegen und dort hat Jörg Haiders Anspruch, den Landeshauptmann zu stellen, wenn er mit der FPÖ zur stärksten Partei würde, eine gewisse Berechtigung.

Nichts geht ohne Duldung einer anderen Partei

Nun ist es höchst ungewiß, ob die FPÖ bis zum Wahltag im kommenden März das Hoch hält oder noch ausbauen kann oder ob die politischen und medialen Strategien ihrer Gegner sowie eine gewisse innere Ermattung, die manche Beobachter auch in der Kärntner Landesgruppe zu erkennen vermeinen, gar ein schwächeres Abschneiden bewirken. Selbst aber, wenn Jörg Haider die FPÖ zur stärksten Partei machen kann und wenn dies mit einer überzeugenden Mehrheit, etwa um die 40 Prozent, geschähe, braucht er Unterstützung oder zumindest die Duldung einer anderen Partei. Man darf davon ausgehen, daß Ausserwinkler im Falle eines Verlusts der SPÖ und ihres Absinkens an den zweiten Platz noch in der Wahlnacht abserviert würde. Seine persönlichen Versprechungen sind also in dieser Sache kaum einen Pfennig wert. Und alle anderen politischen Kräfte und Persönlichkeiten betonen mehr oder weniger einhellig, Haider niemals zum Landeshauptmann wählen zu wollen.

Aufgrund dieser Ausgangslage und der Tatsache, daß die FPÖ eben alles auf die Kärntner Karte setzt, ergeben sich folgende strategische Optionen für die gesamte Weiterentwicklung der freiheitlichen Oppositionspartei:

l Jörg Haider erreicht sein Ziel nicht, die Kärntner Freiheitlichen werden nicht stärkste Partei und schneiden eher schwach ab. Die Wahrscheinlichkeit, daß dies Anlaß für Haiders Ausstieg aus der Politik wäre, ist groß. Eine damit massiv geschwächte FPÖ müßte sich mittelfristig nolens volens unter neuer Führung als ganz gewöhnliche rechtsliberale, wertkonservative Partei in die politische Landschaft eingliedern. Die politische Strategie der Fundamentalopposition und der Polarisierung wäre gelaufen.

Die Partei ist personell ohne Alternative

l Jörg Haider erreicht sein eigentliches Kärntner Ziel, wird mit der FPÖ stärkste Partei und wird entweder aufgrund eines geradezu zwingend starken Wählerzuspruchs oder irgendeines politischen Gegengeschäfts auf Landes- oder Bundesebene Landeshauptmann. Auch in diesem Falle müßten sich die neugestärkten und wieder auf Erfolgswelle reitenden Freiheitlichen als zwar populäre Rechtspartei, aber berechenbarer Faktor in die gesamtösterreichische Politlandschaft einordnen und Fundamentalopposition weitgehend preisgeben, da andernfalls Jörg Haider den Kärntner Landeshauptmann sehr rasch wieder verlieren würde.

l Wenn Jörg Haider hingegen in Kärnten sehr stark gewänne, man ihm aber die Position des Landeshauptmanns – aus welchen Gründen und mit welcher Begründung auch immer – verweigerte, würde er zwangsläufig mit dem Märtyrerimage in die bundesweiten Wahlen, EU-Wahlen und die Nationalratswahlen ziehen und diese auch gestärkt bestreiten können. Nur in diesem Falle würde ihn seine Umgebung dazu bewegen können, wie bisher als Oppositionsführer umstritten und befehdet auf Polarisierungskurs weiterzumachen, um nach einer oder zwei weiteren Legislaturperioden doch einmal um eine Regierungsbeteiligung zu kämpfen.

Im Falle der ersten beiden Varianten, also eines Abtretens Jörg Haiders von der politischen Bühne überhaupt oder seiner Wahl zum Kärntner Landeshauptmann ergibt sich einerseits die personalpolitische Notwendigkeit zur Neuformierung der Bundesspitze und andererseits die sachpolitische Notwendigkeit zu konstruktiver, paktfähiger Politik auf Bundes- und Landesebene. Die personellen Ressourcen sind relativ eng geworden, da integrative Kräfte wie die gegenwärtige geschäftsführende Bundesobfrau Susanne Riess-Passer sich in die Länder retirieren, eigenwillige Köpfe wie Thomas Prinzhorn die Partei verlassen haben und somit pakt- und konsensfähige Spitzenleute außer Haider mit Bekanntheitsgrad und Popularität an einer Hand abzuzählen sind. Die sachpolitische Kompetenz von den Konzepten und auch vom ehrlichen Willen her wäre womöglich gegeben.

Die wirkliche Tiefe aber der sachpolitischen Vorstellungen und ihre finanzielle und organisatorische Realisierbarkeit läßt gewiß zu wünschen übrig, da 13 Jahre Opposition die Notwendigkeit dazu ganz einfach hat verkümmern lassen. Doch wo Macht ist, finden sich auch Experten bzw. Technokraten. Nach wie vor scheint der Parteiobmann in personalpolitischer Hinsicht von jener Vorstellung geprägt zu sein, nach der man spektakuläre und überraschende personalpolitische Coups landen müßte. Obwohl er mit dem System der Quereinsteiger in den vergangenen Jahren mehr als genug Probleme hatte. Die gegenläufige Konzeption, nämlich bekannte und erprobte Kräfte in Führungspositionen gelangen zu lassen, könnte ihm aber angesichts der Probleme des Jahres 1998 geraten scheinen. Die Kärntner Entscheidung, seinen langbewährten und häufig hintangestellten Mitstreiter Jörg Freunschlag zum Landesparteichef zu machen, deutet darauf hin.

Haiders jüngster Besuch bei der Beerdigung des Vaters von Norbert Gugerbauer in Schwanenstadt könnte zu Spekulationen führen, daß er möglicherweise die Konzeption des Überraschungscoups mit jener der Nominierung von bewährten, langgedienten Politikern zu koppeln versuchen könnte. Die Wiedergewinnung von Norbert Gugerbauer für eine Spitzenfunktion auf Bundesebene nach dem Abgang Haiders nach Kärnten wäre tatsächlich eine der wenigen Ansagen, der die Großkoalitionäre ebenso wie die Ampel-Apologeten kaum etwas entgegensetzen könnten. Allein wer die Tücken der heimischen Parteipolitik kennt und auch ohne Partei beruflich erfolgreich zu sein vermag, wird sich schwerlich neuerlich auf das innenpolitische Minenfeld locken lassen.

Trotz Skandalen gibt es einen Sockel von 20 Prozent

Die gegenwärtig festzustellende Medienstrategie, die FPÖ schlicht und einfach totzuschweigen, ihren Parteichef des medialen Charismas zu entkleiden und nur mehr über Streitereien und Affären zu berichten, wird spätestens am Kärntner Wahltag, der gleichzeitig ja ein solcher in Tirol und Salzburg ist, scheitern. Zweifellos wird man mediengerecht vor einem dieser Wahlgänge einen Schauprozeß etwa gegen Rosenstingl inszenieren, wobei Haider seine Entourage als Zeugen vor die Schranken des Gerichts zitieren dürfte. Natürlich wird man den einen oder anderen finanziellen oder personellen Skandal in der FPÖ hochzuziehen versuchen und irgendeinen Anlaß für das Schwingen der Faschismuskeule finden. Bezweifelt darf aber werden, ob dies das Wählervolk wirklich beeindrucken wird. Fest steht hingegen, daß die Freiheitlichen dank Jörg Haider ein gewisses Maß an Stammwählerschaft zu festigen vermochte. Nach wie vor ist deren Bekennerfreude in den Umfragen geringer als bei den Diskussionen am Stammtisch. Bei Wahlen aber schafft dies trotz Krisen und strategischer Probleme ein nicht mehr zu übergehendes Basisergebnis. Daß dieses Bundesweit um die 20 Prozent, plus/minus, liegen wird, steht außer Frage. Daß man in Kärnten gewiß ein Drittel der Wähler für sich mobilisieren kann, ebenso.

Eine politische Entsorgung der Freiheitlichen mißlingt

Wer also da in den Parteisekretariaten der etablierten Parteien und in den Redaktionsstuben der politisch korrekten Medien glauben sollte, das Jahr 1999 würde jenes Jahr werden, in dem man Jörg Haider endgültig ins Leere laufen lassen und gleichzeitig die über 13 Jahre so erfolgreiche "rechtspopulistische" FPÖ gewissermaßen auf einer politischen Sondermülldeponie entsorgen könnte, macht sich mit Sicherheit Illusionen. So oder so werden die Freiheitlichen auch weiterhin ein Faktor der Innenpolitik sein. Ob als nach wie vor stärkste Oppositionspartei oder in irgendeiner künftigen Regierungskonstellation ist eine andere Frage. Die Freiheitlichen selbst stehen angesichts der Tatsache, daß die Wählermaximierung und die dazu notwendige inhaltliche und ideologische Beliebigkeit – nach dem Motto "Für jede Wählergruppe ein Zuckerl" – nicht mehr notwendig sind, vor der Chance zur Re-Ideologisierung und damit zur Rückbesinnung auf ihre herkömmlichen zentralen Werte.

Jene vielen hunderttausend Österreicher, die Jörg Haider zusätzlich zum herkömmlichen nationalliberalen Lager als FPÖ-Wähler ansprechen konnte, haben die Freiheitlichen gewiß nicht wegen ihrer kulturdeutschen Tradition, auch nicht wegen des klassischen Freisinns von 1848 gewählt. Aber gestoßen haben sie sich an diesen zentralen ideologischen Traditionssträngen des dritten Lagers und der FPÖ sicher nicht.

1999 ist also das Jahr der Entscheidung für Jörg Haider und die Freiheitlichen, aber auch das Jahr der Chancen, gestärkt nach einem 13jährigen Kampf um Veränderung, sich als positive und gestaltende Kraft in die neue politische Landschaft der Republik einzureihen.


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