© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/99 08. Januar 1999


Ausstellung: Bundeskunsthalle in Bonn zeigt "Hochrenaissance im Vatikan"
Aus dem Blickwinkel der Tauben
Ines Steding

Einen klassischen antiken Schauder dürfte den Besucher der Ausstellung "Hochrenaissance im Vatikan", der ersten Folge eine Trilogie über Kunst und Kultur im Rom der Päpste, erfassen.

Dabei handelt es sich eigentlich nur um das enge Zeitfenster von 1503 bis 1534, dem die Pontifikate von Julius II., Leo X. und Clemens VII. ihren epochalen Stempel aufdrückten. So kommt es, daß die Bundeskunsthalle in Bonn momentan nicht nur die museumpädagogisch wohl innovativste Ausstellung beherbergt, sondern geadelt wird durch den einzigartigen Rang ihrer Exponate. Über 64 museale und private Leihgeber europaweiter Provenienz unterstützten mit Wohlwollen das über drei Jahre mit wahrhaft herkuleischer Anstrengung vorangetriebene Projekt.

So wird erstmalig am Rhein temporär Raffaels in Wien befindlicher Entwurf der Kardinaltugend "Caritas", in Feder mit brauner Tinte, vereint mit dem ausgeführten Gemälde, das heute in Rom beheimatet ist. Dies mag als eines der vielen liebevollen Details gelten, und wenn es aber überhaupt einen Kern des Ganzen gibt, dann ist es der in Originalmaßstab und -anordnung wiedererrichtete päpstliche Statuenhof. Die großen Ausgrabungsfunde der Zeit wurden hier ins Halbrund gesetzt. So finden sich jetzt der Apoll von Belvedere und die Laokoongruppe wieder, die klassischen griechischen Meisterwerke wirkten damals mitauslösend für die Wiederbelebung des antiken Geistergutes. Diese "Renaissance" der humanistischen Bildung war, so Papst Leo X., neben der Glaubenserhaltung auch Quell für "die Anmut des Lebens".

Aus dem unermeßlichen Fundus der Bibliotheca Vaticana zeugen davon die Handabschriften antiker Autoren, die oftmals meisterlich ausgemalt wurden. Freilich, zugleich demonstriert die geistige Aufrüstung der Herrscher des Kirchenstaates durch Kunst und Literatur auch deren Selbstbewußtsein und Behauptungswillen, um äußeren Bedrohnissen zuvorzukommen. Unterschätzt wurde dabei die wahre Wirkkraft der Reformation, gerade der Unmut in Deutschland über den Ablaßhandel und die Verspottung der Päpste führen dies bildlich vors Auge. Eingetrübt wird das hohe Treiben in Rom auch durch die unkontrollierbar gewordenen Landesknechte, von deren desaströsen Brandschatzung Roms im Jahre 1527 der durch einen Büchsenschuß leicht lädierte Flügel eines ansonsten noch immer sehr stolzen bronzenen Brunnenpfaus Zeugnis abgibt.

Die gesamte Ausstellung ist eine Entdeckungreise, wofür auch virtuos-virtuelle Welten sorgen: Genannt sei nicht nur der computeranimierte Rundgang durch den Vatikanpalast, der einen Blick, wie ihn nur die Tauben von Julius II. hatten, eröffnet; darüber hinaus gibt es auch eine technisch höchst aufwendige Projektion der Deckenfresken Michelangelos in der Sixtina, die kleinste Pinselstriche erkennen läßt. Einen Einblick in wissenschaftliches Arbeiten wiederum verschafft die Datenbank "Census", die antike Kunstquellen aufbereitet.

So bleibt zu räsonnieren: Selbstbewußtsein und Macht haben zu allen Zeiten nicht ausschließlich Päpste mit Kunst, Gepräge und Geistesgut verbreitet. Dennoch gereicht es nicht jeder Epoche zur Ehre, über die Stürme der Zeiten hinweg "ein Erbe der Menschheit" zu hinterlassen.

Der Förderer und Schirmherr der Ausstellung, Altbundeskanzler Helmut Kohl, führt die anhaltende Strahlkraft der Hochrenaissance auf den Überzeugungsfundus der christlich-abendländischen Kultur zurück. Und nicht zuletzt richtet sich die alte Römerstadt Bonn als Künderin von Kunst und Kultur einmal wieder neu in ihrer fast 2000 Jahre alten Geschichte aus.

Die Ausstellung "Hochrenaissance im Vatikan" in der Bonner Bundeskunsthalle ist noch bis zum 11. April zu sehen. Der Katalog kostet 78 DM.


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