© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/99 15. Januar 1999


DP Berlin: Studenten scheitern bei versuchter Machtübernahme
Nationalliberale setzen sich durch
Markus Schleusener

Ein Jahr nach dem Masseneintritt von Studenten in die Berliner FDP ist es jetzt erstmals auf ordentlichen Jahreshauptversammlungen zu teilweise handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen. Die Initiatoren der Gruppe, die sich als PAM ("Projekt Absolute Mehrheit" oder "Politik anders machen") bezeichnet, haben in der vergangenen Woche versucht, zwei Versammlungen von FDP-Ortsverbänden zu sprengen.

Im Berliner Bezirk Tempelhof erschienen rund 20 Personen im Rathaus, versuchten sich Zutritt zum Versammlungsraum zu verschaffen und verkündeten lauthals ihre Parolen. Da die Störer in dem als nationalliberale Hochburg geltenden Ortsverband gar nicht Mitglieder waren, wurde ihnen der Zugang verwehrt. Es kam zu Handgreiflichkeiten, bei denen ein Alt-FDP-Mitglied geschlagen wurde und eine Kamera zu Bruch ging. Erst mit dem Eintreffen der Polizei konnte das Hausrecht des Veranstalters durchgesetzt werden. Die Hauptversammlung wurde fortgesetzt, Nationalliberale wie Klaus Gröbig wurden erwartungsgemäß in ihren Ämtern bestätigt. Der als Strippenzieher in der FDP angesehene Tempelhofer Bezirksvorsitzende kündigte Konsequenzen für die "Rädelsführer" der Studenten an. Die Versammlung billigte einstimmig den Antrag, die betroffenen Personen aus der Partei auszuschließen.

Anschließend versuchten die Studenten erneut, die im selben Rathaus stattfindende Hauptversammlung des Ortsverbandes Neukölln zu verhindern. Aber auch hier konnte sich der nationalliberale Bezirksvorsitzende Axel Hahn durchsetzen.

2.600 Studenten hatten im vergangenen Jahr einen Antrag auf Mitgliedschaft in der FDP gestellt und gehofft, die Partei in einem coup d’etat übernehmen zu können. Rund 600 von ihnen wurden nach teilweise langwierigen Prüfungen auch in die Partei aufgenommen. In einigen Gliederungen der Partei stellen sie sogar rechnerisch die Mehrheit. Eine übermütige Vertreterin des Projekts hatte sich beispielsweise schon als die "zukünftige Bezirksvorsitzende" und "neue Abgeordnete" von Tempelhof bezeichnet. Der damalige Landesvorsitzende Martin Matz hatte gehofft, sich mit Hilfe der Studenten des rechten Parteiflügels entledigen zu können. Diese Hoffnung linker FDP-Protagonisten dürfte nunmehr endgültig im Keim erstickt sein. Auch in den anderen rechten Ortsverbänden gilt eine Bestätigung der bisherigen Vorstände als sicher.

Der amtierende Landesvorsitzende der Berliner FDP, Rolf-Peter Lange, hat inzwischen angekündigt, die Ordnungsmaßnahmen der rechten Orts- und Bezirksverbände gegen die "Rollkommandos" der Studenten zu unterstützen. Schließlich haben die Hauptstadt-Liberalen einen schweren Wahlkampf vor sich und wollen nicht mit gröhlenden Studenten ihrem Image schaden.


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