© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/99 15. Januar 1999


Oper: "Die Vögel" von Walter Braunfels in Köln
Der Gesang der Nachtigall
Julia Poser

Den Namen des Komponisten Braunfels sucht man in den gängigen Opernführern vergeblich, jedoch wurden seine Werke zwischen 1910 bis 1933 an vielen deutschen und ausländischen Bühnen gegeben. Braunfels wurde 1882 als Sohn eines Juristen und Literaten in Frankfurt am Main geboren. Seine Familie gehörte dem gebildeten Bürgertum an. Von der musikalischen Mutter gefördert, besuchte der Zwölfjährige nebem den Gymnasium bereits das Konservatorium, wo er zum Pianisten ausgebildet wurde. In München nahm er Kompositionsunterricht bei Ludwig Thuille. Neben symphonischen Werken, Märchenopern und Kammermusik errang sein "lyrisch-phantastisches Spiel" "Die Vögel", zu dem er nach Aristophanes’ Komödie den deutschen Text selbst schrieb, den größten Erfolg. In München fand 1920 die Uraufführung statt; ein Jahr später wiederholte man "Die Vögel" in Köln, wo sie von Otto Klemperer dirigiert wurden.

Die üppige Orchestrierung und die durchkomponierte Form des Musikdramas erinnert an Wagner, der orgiastische Klangrausch an Richard Strauß. Man könnte ihn daher einen Spätromantiker mit impressionistischen Zügen nennen. Das wichtigste und schönste Motiv in den "Vögeln" ist das der Nachtigall, das Braunfels aus Beethovens "Pastorale" der 6. Symphonie entlieh. In dieser Fabel suchen zwei Männer, der ehrgeizige Demagoge Ratefreund und der idealistische Träumer Hoffegut, im Reich der Vögel ein besseres Dasein, da sie der menschlichen Gesellschaft überdrüssig sind. Ratefreund überredet Wiedehopf, den König der Vögel, eine eigene Stadt zu bauen und die Götter nicht mehr zu ehren. Hoffegut wird vom bezaubernden Gesang der Nachtigall betört und lernt durch sie die Stimmen der Natur verstehen. Stolz feiern die Vögel, die sich für älter und bedeutender als die Götter halten, ihre neuerbaute Stadt. Plötzlich erscheint Prometheus und warnt die Vögel vor der Rache des Zeus. In einem gewaltigen Sturm vernichtet Zeus die Stadt. Einsichtig geworden, preisen die Vögel nun die Macht der Götter. Ratefreund und Hoffegut verlassen die zerstörte Stätte: verärgert der eine, beglückt vom Gesang der Nachtigall der andere.

Dem Regiseur David Mouchtar-Samorai gelang eine märchenhafte Inszenierung, in der besonders die Choreographie der trippelnden, nickenden, ruckenden Vögel hoch zu loben ist. Stimmungsvoll geriet der nächtliche Wald in der Nachtigallenszene, einem Höhepunkt der Oper. Die neue Stadt der Vögel ließ dagegen an kalte Plattenbauten denken (Bühnenbilder Heinz Hauser), in der die Vögel anstelle ihrer anfangs bunten und phantasievollen Kostüme (Anna Eiermann) in tristem Einheitsgrau erschienen. Aus der ganzen großen Vogelschar ragte Natalie Karl als schönstimmige Nachtigall heraus. Mit strahlend leuchtenden Spitzentönen und jubelndem Tirilieren war sie der Star des Abends. Michael Vier als Ratefreund und Andrzej Dobber als König Wiedehopf zeigten beeindruckende Baritone. Andrew Collis sang machtvoll den Prometheus. Alexander Fedins lyrischer Tenor paßte zum träumerischen Hoffegut, doch war seine Wortverständlichkeit nicht ausreichend. Bruno Weil dirigierte mit Schwung das Kölner Gürzenich Orchester, drohte zwar in den großen Chorszenen die Sänger zuzudecken, brachte aber die lyrischen Passagen der scheuen Nachtigall mit einfühlsamer Zartheit.


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